„Der Fussball gibt dir alles zurück, was du investierst“

Seit 1. Juni ist Markus Krösche offiziell bei der Eintracht im Amt. In der 21. Ausgabe des „Eintracht vom Main“-Podcasts stellt sich der neue Sportvorstand vor, spricht über seinen einzigartigen Werdegang und erzählt, wie er BWL-Studium, Profikarriere und Familie unter einen Hut bekommt. Weiterhin schwärmt er von Wunschtrainer Oliver Glasner und zwei engen Vertrauten.

Interview: Jan Martin Strasheim
Fotos: Max Galys

Markus, herzlich willkommen bei der Eintracht!
Wie haben deine ersten Tage ausgesehen?
Für mich geht es erst einmal darum, alle Menschen hier kennenzulernen. Eintracht Frankfurt ist ein sehr großer Klub mit vielen Mitarbeitern, dafür möchte ich ein Gefühl bekommen. Danach geht das Alltagsgeschäft samt Kaderplanung los. 

Wusstest du, dass sich die Eintracht schon vor Jahren mit dir beschäftigt hat und dich 2002 als Spieler verpflichten wollte?
Bis vor kurzem tatsächlich noch nicht, davon habe ich auch damals nichts mitbekommen. Axel Hellmann hat das in einem unserer Gespräche erwähnt und erzählt, dass es sogar einen Scoutingbericht von mir gibt. Es freut mich sehr, dass es mich fast 20 Jahre später nach Frankfurt verschlagen hat.

Im Juli 2001 bist du von Werder Bremen zum SC Paderborn gewechselt, für den du mehr als 300 Spiele gemacht hast. Hast du noch einen guten Draht nach Paderborn? 
Nach so vielen Jahren im Verein brechen die Kontakte nicht so schnell ab. In Paderborn habe ich fast meine gesamte Karriere verbracht, meine Frau kennengelernt, und unsere Kinder sind dort geboren. Als ich als Spieler zum SCP kam, war der Verein gerade aus der Regionalliga aufgestiegen, 2014 habe ich meine aktive Karriere mit dem Aufstieg in die Bundesliga beendet. Ich hatte dort eine sehr erfolgreiche Zeit, sowohl als Spieler als auch später als Sportdirektor. Dementsprechend habe ich eine sehr enge Bindung zum Klub und zu seinen Verantwortlichen, aber auch abseits des Fußballs habe ich viele Freunde und Bekannte in Paderborn.  

„Ich konnte alles ein bisschen, aber nichts richtig gut“ 

Was warst du für ein Spielertyp?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich als Spieler keine besonderen Fähigkeiten hatte. Ich konnte alles ein bisschen, aber nichts richtig gut (lacht). Ich war technisch nicht der Stärkste, daher kam es mir entgegen, dass ich auf der Sechs gespielt und das Spiel verstanden habe. Damit konnte ich die fehlende Physis und Geschwindigkeit ausgleichen.  

Du hast also mangelndes Talent mit Fleiß ersetzt. Ist das etwas, das dir in die Wiege gelegt wurde?
Auf jeden Fall. Mein Vater ist Unternehmer, dadurch habe ich früh mitbekommen, wie wichtig es ist, dass man die Dinge anpackt. Ich wusste schon immer, dass man unheimlich viel tun muss, um seine Ziele zu erreichen. So wurde ich erzogen und das hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. Ich bin der Meinung, dass man sich alles erarbeiten kann und muss, man bekommt nichts geschenkt. Der Fußball gibt dir alles zurück, was du investierst.  

Kannst du uns einen Einblick in deine Gespräche mit Philip Holzer geben?
Wir haben über die Visionen des Vereins gesprochen und ich habe erklärt, wie ich den Fußball sehe. Wir haben uns intensiv über unsere Vorstellungen ausgetauscht und ich konnte erläutern, welche Maßnahmen ich für sinnvoll erachte, um die sehr erfolgreichen vergangenen Jahre der Eintracht fortzuführen.  

Wie siehst du den Fußball? 
Mir ist wichtig, dass man aktiv Fußball spielt und das Spiel auf das Toreschießen auslegt. Wir möchten eine Mannschaft sehen, die Mut hat, mit Überzeugung spielt und immer auf Sieg geht. So hat die Eintracht in den vergangenen Jahren gespielt, darauf wollen wir aufbauen.  

Mit Oliver Glasner hast du einen neuen Cheftrainer für die Eintracht verpflichtet. War er von Anfang an dein Wunschkandidat? 
Absolut! Als er den VfL Wolfsburg übernommen hat, war der Verein Bundesligamittelmaß, nun hat er ihn in die Champions League geführt. Es hat mich beeindruckt, mit welcher Art und Weise er die Mannschaft und einzelne Spieler in Wolfsburg weiterentwickelt hat. Zuvor hat er auch in Linz sehr erfolgreich gearbeitet. Daher war er für mich der klare Topkandidat.

Für dich steht unter anderem die Kaderplanung auf dem Programm. Welche Notizen hat Oliver Ben Manga und dir mitgegeben?
Wir sind im ständigen Austausch. Grundsätzlich ist unser Kader sehr gut, wir haben eine sehr homogene und gut zusammengestellte Mannschaft, die in der vergangenen Saison sehr erfolgreich war. Es gibt nicht viel, das wir verändern wollen. Wir schauen natürlich, ob wir einen Spieler finden, der uns mit seinen Fähigkeiten noch variabler machen könnte. Wichtig ist, dass er charakterlich zur Mannschaft passt.  

Über André Silva wird viel berichtet. Wie siehst du ihn und die Gesamtsituation?
Er ist ein ganz wichtiger Spieler für uns, der in der vergangenen Saison unheimlich viele Tore geschossen hat. André hat einen sehr großen Anteil daran, dass die Eintracht jüngst so erfolgreich Fußball gespielt hat. Wir müssen schauen, wie sich die Dinge entwickeln. Aber unser Ziel ist es, ihn langfristig in Frankfurt zu halten.  

Mit Ole Siegel als Referent und Timmo Hardung als Leiter der Lizenzabteilung begleiten dich zwei Vertrauenspersonen nach Frankfurt. Das gibt dir für den Start einer neuen Aufgabe sicherlich ein gutes Gefühl. 
Definitiv! Ole Siegel kenne ich aus Paderborn, wir haben früher zusammengespielt und sehr erfolgreiche Zeiten gehabt. Er hat dort später das Teammanagement geleitet und mich bei den Transfers unterstützt. Mit Timmo Hardung habe ich in den vergangenen zwei Jahren sehr erfolgreich in Leipzig zusammengearbeitet. Er ist ein sehr kommunikativer Typ, der einen guten Kontakt zu Mitarbeitern hat. Beide sind enge Vertraute von mir und ich freue mich, dass wir die neue Aufgabe zusammen angehen. Wir kennen unsere Arbeitsweisen, vertrauen uns blind und brauchen nicht viele Worte, um die Dinge anzuschieben. Ich bin aber grundsätzlich sehr umgänglich. Es gibt nur wenige Menschen, mit denen ich nicht klarkomme.

In Leipzig hast du mit Julian Nagelsmann zusammengearbeitet, der eine unfassbar hohe Reputation besitzt. Was macht ihn als Trainer so besonders? 
Julian ist extrem authentisch. Er ist so, wie er ist. Er hat eine klare Idee vom Fußball und weiß genau, was er von seinen Spielern sehen möchte und wie er das vermitteln kann. Julian hat eine unglaubliche Energie, die er auch auf sein Umfeld überträgt. Er ist ein sehr guter Mensch und ich kann nachvollziehen, dass viele Spieler so von ihm schwärmen.  

Die Eintracht ist auch für ihre Fans und die Stimmung im Stadion bekannt. Wie sehr freust du dich auf die Rückkehr der Fans und hoffentlich stimmungsvolle Europapokalabende? 
Die Freude ist riesig! Die Spiele ohne Zuschauer nerven mich sehr und ich sehne mich nach Fans im Stadion. Ich habe die vergangenen Europapokalnächte der Eintracht vor dem Fernseher verfolgt und hoffe, dass ich solche Spiele zukünftig live im Stadion mit Zuschauern erleben kann. Die Stimmung im Deutsche Bank Park ist eine ganz besondere. Auch als gegnerischer Verein ist es immer ein Highlight, in Frankfurt zu spielen. Die Atmosphäre und der gesamte Klub haben eine unglaubliche Strahlkraft. Ich bin sehr froh, dass ich jetzt ein Teil davon sein kann.  

Kann die Aufgabe in Frankfurt für dich zu einer Herzensangelegenheit werden?
Auf jeden Fall. Ich habe bewusst einen langfristigen Vertrag unterschrieben, weil ich mit der Eintracht große Ziele habe. Ich gehe neue Aufgaben nicht für einen begrenzten Zeitraum an, sondern möchte meinen Job so gut wie möglich machen. Wenn ich am Ende 30 Jahre bei der Eintracht bin, dann sind es 30 Jahre.  

Du hast eine sehr spannende Vita. 2008 hast du neben dem Fußball ein BWL-Präsenzstudium angefangen. Wie kam es zu dieser Entscheidung? 
Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, in welche Richtung ich mich nach meinem Karriereende orientieren möchte. BWL hat mich interessiert, weil es mir immer Spaß gemacht hat, mit Zahlen zu hantieren. Ich habe sehr viel darüber gelesen und mich dann für das Studium entschieden. Dadurch, dass ich eine gewisse Präsenszeit in der Uni haben musste, war die Situation zeitintensiv, aber es hat gut funktioniert. Der Verein hat mich extrem unterstützt und mir die Zeit gegeben, die eine oder andere Vorlesung zu besuchen und ab und zu ein bisschen später zum Training zu kommen. Von 7.30 bis 9 Uhr hatte ich eine Vorlesung, danach bin ich direkt zum Trainingsplatz gefahren. Paderborn ist zum Glück keine allzu große Stadt, dementsprechend kurz waren die Wege. Nach dem Training ging es für mich wieder in die Uni, während die anderen Jungs PlayStation gespielt oder Kaffee getrunken haben. Am Anfang war das nicht einfach, weil ich ein gewisses Privileg aufgegeben habe. Aber ich hatte Spaß am Studium. Für mich war es wichtig, diesen Weg einzuschlagen, um eine gewisse Unabhängigkeit zu erlangen.  

Nach deiner Profikarriere und dem BWL-Studium hast du den Trainerschein gemacht und warst als Co-Trainer von Roger Schmidt bei Bayer 04 Leverkusen tätig. Wolltest du dich in allen Bereichen des Profifußballs ausprobieren?In meinem Leben war vieles Zufall. 2011 habe ich mein Studium abgeschlossen, drei Jahre später kam mein Karriereende. Damals gab es keine freie Position im Verein, aber es hat sich die Möglichkeit ergeben, den Trainerposten der Paderborner U23 zu übernehmen. Das habe ich gemacht. Als Roger von Salzburg nach Leverkusen gewechselt ist, hat er noch einen Co-Trainer gesucht. Ich wollte den Trainerschein machen, damit ich eventuell irgendwann mal als Cheftrainer arbeiten kann. Mir hilft es bei meiner jetzigen Arbeit ungemein, dass ich so viele verschiedene Erfahrungen gesammelt habe. Meinen Fußballlehrer habe ich während meines ersten Jahres als Sportdirektor vom SC Paderborn gemacht. Ich habe mich angemeldet, als ich Co-Trainer in Leverkusen war und noch ein Jahr Vertrag hatte. Dann sind wir aber freigestellt worden und plötzlich kam das Angebot aus Paderborn. Da ich bereits angemeldet war, habe ich beides zeitgleich gemacht. Das war zwar anstrengend, aber hat mir Spaß gemacht. 

Zwischendurch bist du Vater geworden, du hast zwei Töchter. Wie hast du es geschafft, all das unter einen Hut zu bekommen?
Ich habe eine tolle Frau, die vor allem familienintern viele Dinge übernommen hat. Unsere erste Tochter ist zur Welt gekommen, als ich gerade mit dem Studium angefangen habe. Meine Frau hält mir seit Jahren den Rücken frei, sodass ich mich auf die Karriere konzentrieren kann. Das funktioniert sehr gut.  

Als Sportdirektor hast du mit dem SC Paderborn den Durchmarsch von der Dritten Liga bis in die Bundesliga erlebt. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit? 
Ich war dafür zuständig, den Kader so auszurichten, dass wir meine Vorstellungen vom Fußball umsetzen konnten. Am Anfang war das keine einfache Aufgabe, gerade weil diese Position für mich Neuland war. Über die Jahre hinweg habe ich mir aber ein gutes Netzwerk aufgebaut, somit konnte ich mir viele Informationen einholen. Ich hatte damals schon einen genauen Plan, wie ich Fußball spielen lassen möchte und welche Fähigkeiten und Spieler ich dafür in der Mannschaft brauche. Das war viel Arbeit. Aber ich hatte mit Steffen Baumgart einen tollen Trainer an meiner Seite, der die Dinge super umgesetzt und die Jungs weiterentwickelt hat. Das hat sehr gut gepasst. Es ist auch immer ein bisschen Glück dabei, wenn die Transfers funktionieren.  

Anschließend ging es für dich nach Leipzig, auch dort hattest du eine sehr erfolgreiche Zeit. Was hast du aus diesem Abschnitt mitgenommen?
Sehr viel! Es war ein großer Schritt von einem Zweitligisten zu einem Champions-League-Aspiranten. Ich konnte in Leipzig mein Netzwerk erweitern und wir hatten Klubgeschichte Zeit der noch jungen Vereinsgeschichte. Für mich persönlich war es ein wichtiger Schritt, um viel zu lernen und mitzunehmen.  

Jetzt gehst du eine neue Aufgabe an. War es schwer, dich von der Eintracht zu überzeugen?
Nein. Mir ist immer wichtig, zu wissen, welche Visionen und Ziele ein Verein hat. Philip Holzer hat mir seine Vorstellungen intensiv erklärt und ich habe schnell gemerkt, dass der Klub sehr gut zu mir passt. 

„Die Atmosphäre und der gesamte Klub haben eine unglaubliche Strahlkraft“

Welche Rolle spielen Scouting und Nachwuchs für dich und deine Planungen?
Eine sehr große. Die Zusammenarbeit zwischen der Nachwuchs-, Scouting- und Profiabteilung muss gut funktionieren. In erster Linie ist es wichtig, dass wir wissen, welche Fähigkeiten wir auf den einzelnen Positionen benötigen. Das hat in den vergangenen Jahren schon sehr gut geklappt, Ben Manga macht hier einen überragenden Job. Unser Ziel muss es sein, möglichst viele Jungs aus der Region zu fördern und sie beim Aufstieg in den Profibereich zu unterstützen. Das ist natürlich einfacher gesagt als getan, da das Level im Profifußball sehr hoch ist. Der Fokus liegt klar auf der Entwicklung jedes einzelnen Spielers. Dann haben wir eine große Chance, dass die Durchlässigkeit erhöht wird.  

Mit Fabio Blanco hat die Eintracht einen Spieler verpflichtet, dem der Sprung in den Profibereich zugetraut wird. Wie siehst du ihn?
Er ist ein hochtalentierter Junge, der unheimlich viel mitbringt. Wir müssen ihm die Zeit geben, sich zu akklimatisieren, denn er kommt aus dem Ausland. Von uns wird er jegliche Unterstützung bekommen. Perspektivisch ist er ein Spieler, der uns extrem viel Spaß machen wird.  

Ist es deine Philosophie, solche Spieler kostengünstig nach Frankfurt zu holen und hier zu entwickeln? 
Wir müssen eine gute Mischung aus erfahrenen, gestandenen Profis und jungen, talentierten Spielern finden. Ich bin ein Freund davon, junge Spieler zu verpflichten, ihnen die Chance zu geben und sie wachsen zu lassen. Wir haben aber auch viele Jungs, die sehr viel Erfahrung mitbringen.