„Ich hoffe, dass wir die Europa League rocken“
Bevor
Christopher Lenz zum Trainingsauftakt in Frankfurt erschien, zeigte er der
Eintracht vom Main seine Heimat Berlin. Der Zugang schwelgt in Erinnerungen,
spricht über wichtige Karriereentscheidungen und schwärmt von den Fans seines
neuen Klubs.
Interview: Lars Weingärtner
Fotos: Bianca Jockel
Zwei Tage vor seinem Umzug nach Frankfurt empfängt Christopher Lenz das „Eintracht vom Main“-Team in seiner Heimatstadt Berlin. Der 26-Jährige nimmt das Redaktionsteam mit auf eine Reise in die Vergangenheit, zeigt seine Lieblingsorte in der deutschen Hauptstadt und verrät, welche Spitznamen für ihn im Umlauf sind. „Ich finde Chris Lenz ganz lustig. Das ist zwar kein Spitzname, weil es keine Abkürzung ist. Aber der Sohn eines guten Freundes hat den erfunden und ausgesprochen, als wäre es ein zusammengehöriger Name.“ Ansonsten seien Chris und Lenzi die typischen Spitznamen. Im Gespräch mit dem Linksverteidiger fällt eines sofort auf …
Christopher, obwohl du in Berlin
aufgewachsen bist, berlinerst du überhaupt nicht. Wie kommt das?
In der Schule
hatte ich Probleme mit der Rechtschreibung und wusste, wenn ich zusätzlich noch
meinen Dialekt durchkommen lasse, dann kann ich mich gar nicht mehr auf meine
Sprache konzentrieren. Meine Mutter berlinert sehr und wenn ich mich länger mit
ihr unterhalte, kommt der Dialekt auch bei mir kurz hervor. Ansonsten klappt es
aber gut, das zu unterdrücken und Hochdeutsch zu sprechen.
Der erste Stopp wird auf dem Trainingsgelände des F.C. Stern Marienfelde eingelegt. Hier begann 1998 die Fußballkarriere des Linksverteidigers, ehe er ein Jahr später zu Hertha BSC wechselte.
Welche Kindheitserinnerungen werden
wach, wenn du auf diesem Platz stehst?
Einige, denn hier
habe ich mit dem Fußballspielen angefangen. Direkt hinter uns ist der Platz
meines allerersten Vereins und das hier war der Käfig, in dem meine Freunde und
ich selbst nach dem Training noch gekickt haben.
„Mit Maximilian Philipp Gegenüberschiessen gespielt“
Mit Maximilian Philipp hast du hier
einen deiner besten Freunde kennengelernt. Hast du ihm damals die Bälle
aufgelegt?
Nein, wir haben
meistens Gegenüberschießen gespielt. Jeder hatte ein Tor und dann haben wir
jeweils auf den gegenüberliegenden Kasten geschossen. Mittlerweile klappt’s bei
ihm ganz gut, ich muss noch einiges aufholen (lacht).
Deine Jugend hast du bei Hertha BSC verbracht,
insgesamt hast du zwölf Jahre bei der Alten Dame unter Vertrag gestanden. Hat
Union Berlin damals noch keine Rolle gespielt?
Nein. Ich bin
in West-Berlin aufgewachsen, da war Hertha in der Jugend das Maß aller Dinge.
Union war damals absolut kein Thema, aber das hat sich später im Profibereich
geändert.
Hertha und Union sind in Berlin
Stadtrivalen, du hast für beide Vereine gespielt. Wie sind die
Fußballsympathien in der Familie verteilt?
Jetzt sind alle
Unioner, weil die Jahre im Profibereich die wirklich wichtigen sind. Hertha BSC
habe ich viel zu verdanken, aber der FCU hat mir das Vertrauen
entgegengebracht, mich in der Zweiten Liga und in der Bundesliga spielen zu
lassen. Ich hoffe und glaube, dass ich dieses Vertrauen zurückzahlen konnte.
Meine Familie hält aber nicht nur zu Union, weil ich dort gespielt habe,
sondern auch weil sie von der Fankultur, dem Stadion und dem familiären Umgang
im Klub sehr begeistert ist.
Vom Trainingsplatz geht es in die Stadt. Für den 26-Jährigen ist es der vorletzte Tag in Berlin, es kommt ein wenig Wehmut auf. „Ich muss aber auch sagen, dass ich mich sehr auf Frankfurt freue“, erklärt Lenz während der Autofahrt durch die Hauptstadt.
Was gefällt dir an deiner Geburtsstadt
besonders gut?
Ich liebe es,
dass du hier jede Möglichkeit der Welt hast. Berlin hat unzählige Restaurants
und ist auch kulturell sehr vielfältig. Außerhalb der Stadt hast du eine
dörfliche Atmosphäre, mitten in der Stadt hast du sieben Tage die Woche rund um
die Uhr Menschen um dich. Berlin kennt keine Langeweile – das weiß ich sehr zu
schätzen!
Erster Zwischenhalt in der Stadt: das Café Daluma, einer der Lieblingsspots des Defensivspielers in Berlin.
Was machst du in deiner Freizeit, wenn
du nicht auf dem Fußballplatz stehst?
Ich bin gerne
mit Freunden unterwegs. Deshalb wohne ich auch am liebsten direkt in der Stadt,
um Restaurants und Cafés in der Nähe zu haben und mich jederzeit irgendwo
hinsetzen zu können. So schalte ich vom Fußball ab. Mit meinen Freunden genieße
ich die Zeit umso mehr.
„Ich werde meine Familie und meine Freunde sehr vermissen“
Bist du ein familiärer Mensch?
Definitiv!
Meine Familie ist zwar nicht besonders groß, aber bedeutet mir unheimlich viel.
Deshalb war es für mich auch ein bedeutender Schritt, wieder aus Berlin
wegzuziehen. Ich werde meine Familie und meine Freunde sehr vermissen. Meine
Mutter ist meine engste Bezugsperson. Sie war alleinerziehend, aber hat mir
mein Leben lang alles geboten und ermöglicht, auch wenn es nicht immer einfach
war. Sie war eigentlich gegen den Wechsel nach Frankfurt, was nicht an der
Eintracht liegt, sondern daran, dass sie mich am liebsten in Berlin bei sich
hat.
Interessierst du dich auch abseits
deiner eigenen Spiele für Sport?
Grundsätzlich
schaue ich viel Fußball. In Deutschland habe ich so ziemlich jede Liga
durchlaufen, deshalb interessiere ich mich auch dafür. Trotzdem muss ich
zugeben, dass ich in den vergangenen fünf Tagen kein EM-Spiel geschaut habe,
und auch vom Deutschland-Spiel habe ich nur eine Halbzeit gesehen. Das ist dem
Umzug und meinem Fitnessprogramm geschuldet, da ist die Zeit einfach knapp.
Der Neuzugang führt seine Gäste in eines seiner Lieblingsrestaurants. Beim Bestellen fällt auf, dass Lenz ganz bewusst auf seine Ernährung achtet.
„Ich habe ich entschieden, durch vegane Ernährung noch ein paar Prozent rauszuholen“
Du ernährst dich vegan. Wie kam es dazu?
Angefangen hat
das vor ein paar Jahren nach einer schweren Verletzung, da habe ich ein halbes
Jahr lang auf tierische Produkte verzichtet. Als wir mit Union in die
Bundesliga aufgestiegen sind, habe ich gemerkt, dass wir viel hinterherlaufen
und das Laufen unheimlich anstrengend ist. Ich wollte etwas ändern und habe
mich dann dazu entschieden, durch die vegane Ernährung noch ein paar Prozente
rauszuholen.
Nach vier Spielzeiten bei der Hertha
verließ Christopher die Hauptstadt und wechselte für das letzte U19-Jahr zu
Borussia Mönchengladbach.
Mit 17 Jahren hat es dich aus der
Hauptstadt weggezogen. Wie kam es zu diesem Schritt?
Bei Hertha habe
ich damals keine Wertschätzung gespürt. Natürlich muss so etwas nicht im
Übermaß gezeigt werden, aber in einer gewissen Weise ist mir das schon wichtig.
Mein Vertrag lief aus, ich war U-Nationalspieler, aber keiner der
Verantwortlichen hat mit mir gesprochen. Andere Vereine, die hunderte Kilometer
entfernt waren, haben mich kontaktiert und Interesse gezeigt. Deshalb habe ich
die Entscheidung getroffen, mit 17 das erste Mal von zu Hause wegzugehen und
ein neues Kapitel aufzuschlagen. In Mönchengladbach bin ich erst mal aufs
Internat gegangen.
Im Januar unterschrieb Lenz einen Vertrag bei der Eintracht bis 2024. Nach fünf Jahren bei Union Berlin – zwischenzeitlich stand der Abwehrspieler leihweise für Holstein Kiel auf dem Platz – wagt der 26-Jährige eine neue Herausforderung am Main.
Wie war es für dich, als die Eintracht
Interesse an einer Verpflichtung gezeigt hat?
Die
Entscheidung ist mir relativ leichtgefallen! Eintracht Frankfurt ist ein sehr
großer Verein, der sich in den vergangenen Jahren unheimlich entwickelt hat und
mehrere Schritte nach vorne gegangen ist. Das war für mich der Grund, den nächsten
Schritt in meiner Karriere zu machen.
Du warst einer der ersten Neuzugänge für
die kommende Saison, damals waren Fredi Bobic und Adi Hütter noch für die
sportliche Leitung verantwortlich. Macht es für dich einen Unterschied, dass du
jetzt mit Markus Krösche und Oliver Glasner zwei neue Ansprechpartner hast?
Am Anfang war
es komisch, weil die beiden Personen, mit denen ich gesprochen hatte, weg
waren. Aber grundsätzlich freue ich mich einfach auf die Eintracht und da
spielt es keine allzu große Rolle, dass die sportliche Leitung neu ist. Ich
komme sowieso neu in die Mannschaft, muss den Trainer kennenlernen und mich
beweisen. Da ist es vielleicht gar kein Nachteil, dass der Trainer noch nicht
alle Spieler kennt.
Gibt es etwas, das du mit der Eintracht
verbindest?
Jeder kennt die
Europapokalgeschichte der Eintracht und weiß, in welchem Übermaß die Fans
international für Aufsehen gesorgt haben. Ich kann mich daran erinnern, dass
15.000 SGE-Anhänger nach Mailand gereist sind, obwohl nicht mal 10.000 Gästefans
im Stadion zugelassen waren. Wenn man so et - was hört, ist das einfach
überwältigend. Den Block vollzubekommen, ist schon geil, aber dann noch mehr
Fans in der Stadt zu haben, die Stimmung machen, ist nicht nur für Fußballfans,
sondern auch für jeden Spieler absolut beeindruckend.
Kennst du schon einige Jungs aus der
Mannschaft?
Ja, mit Amin
Younes und Djibril Sow habe ich in Gladbach zusammengespielt. Die beiden kenne
ich demnach ganz gut. Die anderen Jungs kenne ich nur als Gegenspieler. Mit
Martin Spohrer und Patrick Kux [Athletiktrainer und Physiotherapeut; Anm. d.
Red.] hat die Eintracht zwei Staffmitglieder, mit denen ich bereits in Gladbach
zusammengearbeitet habe.
Welche taktische Aufstellung ist dir
lieber: Dreier- oder Viererkette?
Grundsätzlich
spielt das keine allzu große Rolle für mich. Während meiner Zeit bei Union war
ich sowohl als Linksverteidiger in der Viererkette als auch als Flügelspieler
in der Drei - er- respektive Fünferkette im Einsatz. Ich bin gelernter Linksverteidiger,
deshalb ist die Viererkette für mich vermutlich ein wenig angenehmer.
Wo liegen deine Stärken?
Ich bin
einsatzfreudig, laufstark und probiere immer, die Gegner unter Druck zu setzen.
Ich möchte nicht nur zugucken, sondern die Bälle selbst erobern, damit wir
einen Gegenangriff starten können.
Welche Erwartungen hast du an die
Mannschaft und die kommende Saison?
Ich möchte mich
in erster Linie einleben und mit der Eintracht gut in die Saison starten. Ich
hoffe, dass wir die Europa League rocken, so wie in der jüngsten Vergangenheit.
Wenn wir die Qualität, die wir in der Mannschaft haben, auf den Platz bringen
können, sehe ich keine Hindernisse für uns.
Was weißt du über die Stadt Frankfurt?
Noch nicht
viel. Ich habe zwar schon einiges gehört, konnte mir aber noch kein eigenes
Bild machen. Nachdem der Wechsel bekannt wurde, haben mir einige Leute ihre
Eindrücke mitgeteilt. Ich war sehr überrascht davon, dass 90 Prozent der
Stimmen positiv waren. Ich freue mich sehr darauf, die Stadt und die Leute
kennenzulernen.