„Potential ist in Frankfurt vorhanden“

Die Tischtennisabteilung feiert in rund drei Jahren ihr 100-jähriges Bestehen. Ein Ereignis, das bereits jetzt seine Schatten vorauswirft und gebührend zelebriert werden soll, am besten mit einer Rückkehr der ersten Mannschaft auf Bundesebene. Gleichzeitig steht die Abteilung immer noch unter den Einflüssen der Coronapandemie. Die EvM-Redaktion sprach mit Norbert Schneider, einem der langjährigen Mitglieder der Abteilung und Leitung, sowie mit Lovre Dragicevic, Sportlicher Leiter und im Jahr 2018 zur Eintracht gewechselt, über erreichte und anvisierte Ziele.

Viele Abteilungen unseres Vereins hatten unter den Auswirkungen der Coronapandemie sehr zu leiden. In welchem Ausmaß war die Tischtennisabteilung betroffen?
Norbert Schneider: Auch wir wurden gebeutelt. Wir hatten, von einer kurzen Unterbrechung in den Monaten Juli bis November 2020 abgesehen, keine Trainings- oder Spielmöglichkeiten. Die Hallen blieben geschlossen, aber dennoch hielten uns zu unserer großen Freude alle erwachsenen Mitglieder die Treue, von einigen wenigen Abgängen aufgrund beruflicher Veränderungen einmal abgesehen. Erheblich schwerer traf es unsere Nachwuchssparte, sodass wir für die kommende Saison nur fünf Nachwuchsmannschaften melden können. Im Erwachsenenbereich werden wir in der kommenden Saison mit elf Herren- und Damenmannschaften antreten, was für uns den absoluten Rekord seit Bestehen der Abteilung bedeutet. Zum Glück kam es bei uns zu keinerlei Coronaausbrüchen, was wir auch auf die konsequente Einhaltung der Hygienemaßnahmen zurückführen. 

Wie verhält es sich mit den sportlichen Auswirkungen?
Lovre Dragicevic: Diese waren ebenso sehr bedauerlich. Ein weiterer Durchmarsch unserer ersten Herrenmannschaft in die Regionalliga [vierthöchste Spielklasse; Anm. d. Red.] wurde abrupt gestoppt. Zum Zeitpunkt des Saisonabbruchs auf Platz eins liegend bedeutete das für uns als stärkste Mannschaft den weiteren Verbleib in der Oberliga Hessen. Mit anderen Worten: Ein verlorenes Jahr auf dem weiteren Weg nach oben. 

Welche Veränderungen in der Mannschaft wird es geben? In den vergangenen Jahren wurde noch mit sechs Spielern pro Mannschaft bis zur Oberliga gespielt.
Lovre Dragicevic: Auf Bundesebene, der Tischtennis Bundesliga TTBL bis zur Oberliga [fünfthöchste Spielklasse; Anm. d. Red.], hat man sich entschieden, zur kommenden Saison die Spielsysteme anzupassen – und nur noch mit vier Spielern pro Mannschaft zu spielen. Damit geht natürlich eine erhebliche Anhebung der Spielstärke in den einzelnen Ligen einher. Um unseren Erfolgskurs fortsetzen zu können, mussten wir uns überlegen, wie man die Mannschaft noch stärker aufstellen konnte – im Idealfall ohne auf Spieler aus dem Ausland zurückgreifen zu müssen. Wir hatten mit Borna Kovac aus Kroatien und insbesondere dem langjährigen Sympathieträger Kiryl Barabanov aus Weißrussland zwei sportliche Aushängeschilder, die uns nun verlassen haben. Kiryl musste aus politischen Gründen wechseln und ist aufgrund der aussichtslosen Lage in seinem Heimatland nun in Indien. Dort hatte er Manika Batra, die Nummer eins der Damen in Indien, auf die Olympischen Spiele in Japan vorbereitet. 

Mit Dennis Dickhardt und Jens Schabacker konntet ihr zwei Hochkaräter aus der Zweiten Bundesliga verpflichten. Wie kam es dazu?
Norbert Schneider: Mit Dennis standen wir schon länger in Kontakt, bis es nun endlich geklappt hat. Dass mit Jens Schabacker nun ein zweiter über Frankfurt und Umgebung hinaus ebenso anerkannter Sympathieträger aus der Region verfügbar war, kann man sicherlich mit glücklicher Fügung, einem guten Händchen und der in den vergangenen Jahren erworbenen Attraktivität von Eintracht Frankfurt und der Abteilung begründen. Hinzu kamen noch die familiären und beruflichen Situationen beider kürzlich Vater gewordener Athleten, die ein weiteres Spielen in Vereinen außerhalb Hessens für sie erschwerte. So war es für alle Beteiligten eine Win-win-Situation. Die beiden verbliebenen Plätze besetzen wir mit unserem Eigengewächs Leon Pradler und Christian Güll, der sich in der vergangenen Saison zum Publikumsliebling entwickelt hatte. Beide werden sicherlich auch sportlich von der großen Erfahrung der langjährigen Zweitligaspieler profitieren. 

Die Tischtennisabteilung der Eintracht weist ja bekanntlich eine langjährige und erfolgreiche Bundesligahistorie auf. 15 Jahre zählte man zu einer illustren Gesellschaft bevor man Ende der 90er fast in der Versenkung verschwunden war. Die Damenmannschaft wurde sogar mehrfach Deutscher Meister. Welche Ziele setzt sich die Abteilung für die Zukunft?
Norbert Schneider: Mit der Verpflichtung von Dennis und Jens, die mit Dreijahresverträgen ausgestattet wurden, sehen wir uns für die nächsten Jahre gut gerüstet. Das Ziel ist ganz klar, im Jahr des Abteilungsjubiläums 2024 den Aufstieg in die Dritte Liga geschafft zu haben. Die Weichen hierfür sind also gestellt. Erfolg ist allerdings nicht immer so planbar, wie man es möchte. Wir sind schließlich nicht die Einzigen, die sich derartige Ziele setzen. Außerdem muss der Unterbau damit Schritt halten können und ein breites Wachstum der Abteilung gegeben sein. Auch unsere Damenriege soll nicht vernachlässigt werden. 

Was ist für euch für die weitere Umsetzung der Ziele wichtig?
Norbert Schneider: Eine wichtige Voraussetzung für den weiteren Aufschwung ist der Zuschauerzuspruch, der mit der sportlichen Entwicklung Schritt halten muss. In manchen Spitzenspielen stießen wir mit bis zu 150 Zuschauern bereits an die Grenzen unserer Hallenkapazität. Wir möchten weg vom Schulturnhallen-Image und planen mittelfristig, unsere Spiele in der Wolfgang Steubing Halle am Riederwald auszutragen. Wir setzen alles daran, damit ein Tischtennisabend nicht nur zu einem sportlichen Event wird. Auch die Identifikation mit der Marke Eintracht Frankfurt ist uns sehr wichtig. Dies beginnt mit dem Einlauf der Spieler zu „Im Herzen von Europa“ und endet mit der Ausstattung der Halle in komplettem Eintracht-Look. Verpflegung und tolle Stimmung sind mit inbegriffen. Es macht keinen Sinn, Tischtennis auf Bundesebene vor weniger als 100 Zuschauern zu spielen, wie bei vielen anderen Vereinen in Deutschland nicht unüblich. Mit der Verpflichtung von Spielern aus der Region, dem Einbau von Eigengewächsen und Sympathieträgern möchten wir die Attraktivität und die weitere Identifikation der Frankfurter Tischtennisszene und der Umgebung mit uns vorantreiben. Ein Spiel bei uns soll aber auch die neutralen Zuschauer, die vielleicht nicht so viel mit Tischtennis am Hut haben, begeistern und das Interesse an unserer rasanten Sportart wecken. Tischtennis kann jeder spielen. Gerade in Zeiten der Pandemie waren hier Veränderungen zu beobachten. Potential ist in Frankfurt und Umgebung zweifellos vorhanden und muss unseres Erachtens nur geweckt werden. Das ist unser größtes Ziel, daran arbeiten wir mit aller Kraft weiter.