Große Freude und kleine Enttäuschungen

Sieben Adlerträger – fünf Leichtathleten, Ragnar Ache von den Profis sowie Letícia Santos von den Bundesliga-Frauen – entsendete Eintracht Frankfurt in diesem Jahr zu den Olympischen Spielen nach Tokio. Die Sportlerinnen und Sportler erlebten in den über zweieinhalb Wochen die komplette Bandbreite der Gefühlswelt. Insgesamt fällt das Fazit aus Eintracht-Sicht sehr positiv aus – Erfolge lassen sich schließlich nicht nur an Medaillen messen. Ein Rückblick.

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Olympia ist immer wieder etwas ganz Besonderes. Athleten von allen Kontinenten der Welt bereiten sich jahrelang auf das größte Sportereignis der Welt vor, um dann für ihr Heimatland um olympische Medaillen zu kämpfen. Fünf Jahre lang galt es für die diesjährigen Spiele, den Körper und den Kopf in die richtige Form zu bringen, um an diesem einen Tag – bei manch einem waren es auch mehrere – alles abrufen zu können. Fünf Jahre aufgrund der letztjährigen Verschiebung durch die Coronapandemie. Trotz der Verschiebung bestimmte auch in diesem Jahr das Coronavirus maßgeblich die Umsetzung der Spiele in Tokio. Wo es normalerweise um das Zusammenkommen aller Nationen geht, standen auf einmal strenge Abstands- und Hygieneregeln im Vordergrund. Keine ausgelassene Partystimmung im olympischen Dorf, kein Hereinschnuppern bei den anderen Sportarten und vor allem keine Zuschauer. Und dennoch, die Adlerträger erlebten wieder Olympische Spiele, an die sie sich immer zurückerinnern werden.

 

Campbell und Abuaku begeistern 

Mit fünf Athletinnen und Athleten war Eintracht Frankfurt mit exakt genauso vielen Teilnehmern vertreten wie vor fünf Jahren in Rio. Den Anfang machten am ersten von 19 Wettkampftagen der Leichtathletik die 400-Meter-Hürden-Spezialisten Joshua Abuaku und Luke Campbell. Beide hatten sich im Vorfeld über die Weltrangliste für die diesjährigen Spiele qualifiziert und feierten gemeinsam ihre olympische Premiere. Dabei sein ist alles – nicht mit unserem 400-Meter-Hürden-Duo. Von Beginn an setzten sich die Frankfurter große Ziele und nahmen sowohl Halbfinale als auch Finale ins Visier. „Wir möchten auf jeden Fall ins Halbfinale kommen und bei einer Meisterschaft ist immer alles möglich“, erklärte Campbell im Vorfeld der ersten Runde. Auf große Töne folgten große Taten. Luke Campbell qualifizierte sich souverän in seinem Vorlauf und stellte dabei gleichzeitig mit 49,19 Sekunden eine neue Saisonbestleistung auf. Kurze Zeit später ließ auch Joshua Abuaku Taten folgen und lief ebenfalls mit einer neuen Saisonbestleistung von 49,50 Sekunden souverän ins Halbfinale. In diesem überraschte und begeisterte besonders der Deutsch-Amerikaner Luke Campbell.

„Ich kann kaum in Worte fassen, was es mir bedeutet, Teil der Olympischen Spiele gewesen zu sein und so gut abgeschnitten zu haben“ Luke Campbell

Der Eintrachtler flog förmlich über die Stadionrunde und führte zwischenzeitlich gemeinsam mit dem späteren Bronzemedaillengewinner Dos Santos das Feld an. Der Mut des Frankfurters wurde zwar nicht mit einer Finalteilnahme belohnt, aber dennoch konnte er in diesem Rennen seine Bestzeit um mehr als eine halbe Sekunde auf 48,62 Sekunden verbessern und ist damit der derzeit elftschnellste Mann der Welt und zugleich der achtschnellste Deutsche aller Zeiten – ein Wahnsinnserfolg. Eine Belohnung folgte wenige Tage später doch noch: Nach seinen starken Leistungen wurde Luke Campbell für die 4-mal-400-Meter-Staffel nominiert. Im Vorlauf gelang es dem deutschen Quartett jedoch nicht, sich für das Finale zu qualifizieren. Was bleibt, sind dennoch die positiven Erlebnisse und Erfahrungen: „Ich kann kaum in Worte fassen, was es mir bedeutet, Teil der Olympischen Spiele gewesen zu sein und so gut abgeschnitten zu haben. Es ist so ein unfassbares Erlebnis gewesen, dass ich einfach nur dankbar bin, dass ich es bis hierhin geschafft habe.“ Sein Trainings- und Vereinskollege Joshua Abuaku kam im Halbfinale auf eine Zeit von 49,93 Sekunden und reiht sich somit auf Platz 23 der Welt ein – ebenso ein starkes Ergebnis. „Ich bin genau wie Luke einfach dankbar für diese Erfahrung. Es ist etwas, das mich mein Leben lang begleiten wird, und ich bin froh, auch das gezeigt zu haben, was in mir steckt. Jetzt heißt es für uns beide, den Fokus voll auf die nächsten Spiele in Paris zu richten. Denn das müssen wir nochmal erleben“, erzählt Joshua Abuaku grinsend.

Caro Schäfer kämpft sich zurück

Eine vergleichsweise erfahrene Olympionikin ist Siebenkämpferin Carolin Schäfer. Die Frankfurterin nahm in diesem Jahr bereits an ihren zweiten Olympischen Spielen teil. Die Vorbereitung der Eintrachtlerin verlief dabei allerdings alles andere als geplant und routiniert. Gesundheitliche Probleme machten Caro Schäfer lange zu schaffen, sodass sie erst kurz vor Olympia wieder ins Wettkampfgeschehen eingreifen konnte. Dementsprechend offen war über das Abschneiden der Frankfurterin im Vorfeld der Olympischen Spiele spekuliert worden.

„Das war für mich ein Happy End einer meiner schwierigsten Saisons“ Caro Schäfer 

Würde sie zu alter Stärke zurückfinden? Die Antwort lieferte Schäfer mit einem starken Siebenkampf: Ja, sie wird! Gleich zu Beginn präsentierte sie sich über die 100-Meter-Hürden in bestechender Form. Die Adlerträgerin durchquerte den Hürdenwald in 13,29 Sekunden und ließ damit alle Zweifler verstummen. Auch in den weiteren Disziplinen des ersten Tages konnte die Frankfurterin sämtliche Saisonbestleistungen übertreffen und übernachtete somit mit 3801 Punkten auf Platz sieben. „Es ist großartig, dass ich die Form auch endlich wieder auf die Bahn bringen kann“, erklärte sie erleichtert. Nach einer kurzen Nacht ging es am frühen Donnerstagmorgen erneut ins Stadion. Zwar musste Caro Schäfer im Weitsprung mit 5,78 Metern einen kleinen Dämpfer hinnehmen, konnte aber im anschließenden Speerwerfen erneut stark auftrumpfen. Ein Jubelschrei folgte dann nach dem zweiten Versuch. Sie feuerte ihr Arbeitsgerät auf 54,10 Meter und verbuchte somit eine neue Bestleistung. Vor der letzten Disziplin lag die Frankfurterin weiter auf dem siebten Rang und verteidigte diesen auch über die abschließenden 800 Meter. „Ich beende zufrieden und mit einem breiten Grinsen meine zweiten Olympischen Spiele. Vor drei Monaten war es kaum denkbar und unglaublich hart. Das war für mich ein Happy End einer meiner schwierigsten Saisons“, resümierte Caro Schäfer überglücklich.

Steinruck: Marathon wird zur Hitzeschlacht

„Es war ein Hitzerennen. Es war eines meiner härtesten Marathonrennen in den letzten zwölf Jahren. Es war mir eine Ehre, die deutschen Farben vertreten zu dürfen und es erfüllt mich mit Stolz, bis zum Ende gekämpft und die Ziellinie aufrecht ‚laufend‘ überquert zu haben“, resümierte Katharina Steinruck nach ihrem Rennen in der Hitzeschlacht von Sapporo. 88 Athletinnen waren um 6 Uhr Ortszeit bei schwülheißen Temperaturen auf die Marathonstrecke in Sapporo gestartet. Unter ihnen mit Melat Kejeta (Laufteam Kassel), Deborah Schöneborn (LG NORD Berlin) und Eintrachtlerin Katharina Steinruck auch drei Deutsche. Für die Adlerträgerin ging es gut los und sie konnte sich die ersten zehn Kilometer in der Spitzengruppe, die rund 50 Athleten umfasste, behaupten. Nach und nach musste sie der Hitze, von der sie ohnehin kein Fan ist, Tribut zollen. Während 14 Athletinnen im Laufe des Rennens ausstiegen, kämpfte sich Katharina Steinruck sichtlich von den Temperaturen gezeichnet ins Ziel und belegte in einer Zeit von 2:35:00 Stunden Rang 31. Unter diesen harten äußeren Bedingungen hat sie nicht nur aufopferungsvoll gekämpft, sondern auch jede Energiereserve auf der Straße gelassen. Sie kann stolz auf sich sein, das Rennen dennoch über die Ziellinie gebracht zu haben. Olympiasiegerin wurde unterdessen Peres Jepchirchir aus Kenia vor ihrer Landsfrau Brigid Kosgei und Molly Seidel aus den USA. Melat Kejeta wurde Sechste, Deborah Schöneborn kam als 18. ins Ziel.

Bartelsmeyer blickt voraus 

Der nächste Adlerträger, der in Tokio seine Olympia-Premiere feierte, war Amos Bartelsmeyer. Wie auch unsere Hürdenläufer formulierte er im Vorfeld große Ziele. „Ich habe es bei der WM in Doha in das Halbfinale geschafft, jetzt möchte ich ins Finale“, erklärte der Adlerträger vor der ersten Runde. Doch Amos Bartelsmeyer fand nicht gut in seinen Vorlauf hinein. Bereits früh war er am Ende des Feldes zu finden. Zwar konnte er im Schlussspurt noch einige Athleten überholen, doch nach den Vorläufen stand fest, dass es nicht für das Halbfinale gereicht hat. „Bei Olympia dabei gewesen zu sein, war toll. Das Drumherum, das Dorf, die Menschen, es war eine unglaubliche Erfahrung, die ich machen durfte. Trotzdem geht es auch bei Olympia um Sport und Leistungen – und damit kann ich nicht zufrieden sein. Ich habe einige wenige taktische Fehler gemacht und heute einfach nicht das zeigen können, was ich eigentlich draufhabe“, so Amos Bartelsmeyer. Dennoch blickt er schon jetzt motiviert in die Zukunft: „Ich habe so viel von dieser Olympiade mitgenommen, dass ich jetzt umso mehr dafür brenne, wiederzukommen.“

Santos‘ Goldtraum geplatzt 

Das Viertelfinale bei den Olympischen Spielen war ein offener Schlagabtausch zweier Frauenfußballgiganten, an dessen Ende Brasilien mit SGE-Verteidigerin Letícia Santos nach einem 3:4 im Elfmeterschießen gegen den späteren Goldgewinner Kanada im Viertelfinale der Olympischen Spiele den Kürzeren zog. Das Team von Trainerin Pia Sundhage ging nach dem 1:0-Sieg im letzten Gruppenspiel über Sambia, bei dem Santos 90 Minuten lang durchspielte, auf mehreren Positionen verändert in das K.-o.-Spiel. Trotz Chancen auf beiden Seiten blieb es über die komplette Spielzeit beim 0:0. Santos drückte während der 120 Minuten von der Ersatzbank die Daumen und musste mit ansehen, wie ihre Teamkolleginnen nach Christine Sinclairs Fehlschuss zu Beginn im Vorteil waren, bevor Andressa Alves und Raffaelle vom Punkt scheiterten. Für die Südamerikannerinnen ist es nach der Niederlage bei den Olympischen Spielen 2012 gegen Japan erst das zweite Viertelfinalaus.

Ache ein Gewinner trotz Vorrundenaus 

Ragnar Ache und die deutsche Auswahl mussten nach einem 1:1 gegen die Elfenbeinküste im dritten und letzten Spiel ihre Olympiaträume bereits nach der Gruppenphase begraben. Nach dem 2:4 gegen Brasilien und dem 3:2-Sieg gegen Saudi-Arabien reichte das Unentschieden aufgrund des schlechteren Torverhältnisses nicht zum Weiterkommen. Und dennoch ist Ache sicherlich ein Gewinner des Teams von Stefan Kuntz. In den ersten beiden Partien steuerte er jeweils einen Treffer bei und bekam für die Gruppenspiele zwei und drei das Vertrauen des Bundestrainers von Beginn an. Ein Vertrauen, das sich hoffentlich auch in der neuen Saison in der Bundesliga auszahlt – auch wenn Ache zunächst wegen muskulärer Probleme, die er neben den Olympiaerfahrungen ebenso im Reisegepäck bei seiner Rückkehr hatte, noch im DFB-Pokal gegen Waldhof Mannheim pausieren musste. Mittlerweile befindet sich der gebürtige Frankfurter wieder im Mannschaftstraining.