„Wenn wir Geld brauchten, haben wir Erol eingeladen“

In diesem Monat liegt der Schwerpunkt unseres Magazins unter anderem auf der Tischtennisabteilung der Eintracht. Hast du während deiner Karriere auch mal mit Teamkollegen an der Platte gestanden?
Im Trainingslager haben wir uns in allen möglichen Disziplinen gemessen, auch im Tischtennis. Mich haben die anderen dabei gerne unterschätzt. Ich hatte zwar nicht den einen besonderen Schlag, vor dem alle Angst hatten. Dafür war ich sehr geduldig und ohne große Schwächen. Unter dem Strich würde ich behaupten, bei der Eintracht einer der besten in der Mannschaft gewesen zu sein. Das ist eine tolle Sportart, ich spiele bis heute gern. Zu meiner aktiven Zeit war der einzige Kontakt zu einer anderen Abteilung der Eintracht übrigens, als ich zu Reinhold Fanz gesagt habe, er solle lieber die Leichtathleten trainieren, weil er von Fußball keine Ahnung hat (lacht). 

Womit habt ihr euch sonst so die Zeit vertrieben im Trainingslager oder auf langen Auswärtsfahrten?
Wir haben früher oft Karten gespielt. Zur Runde gehörten Horst Heldt, Thomas Sobotzik, Marco Gebhardt und ich. Und wenn uns mal das Kleingeld ausging, haben wir noch Erol Bulut eingeladen (lacht). Damals spielten wir klassisches Poker und Erol war der Einzige mit einem richtig schlechten Pokerface. Wenn der vier Könige auf der Hand hatte, hast du das sofort gesehen. Wir anderen sind dann direkt ausgestiegen, weshalb auch der Pott nie wirklich groß war, wenn er eine Runde gewann. Bei uns hieß Erol Bulut nur „die türkische Bank“, denn er versorgte die anderen am Tisch mit seinem Kleingeld (lacht). Aber Spaß beiseite, wir haben wirklich sehr gerne gespielt und haben uns sogar auf lange Fahrten zu Auswärtsspielen gefreut. Je weiter, desto besser. Zu meiner Zeit in England in den Jahren zuvor waren die Strecken oft deutlich kürzer, da lagen dann immer eher einige Zeitungen im Bus und es wurde viel gelesen. Ich hatte auch immer Bücher dabei, denn ich lese schon immer sehr gern. 

Apropos Bücher: Martin Hinteregger hat gerade seine Biografie „Innensicht“ veröffentlicht. Während der laufenden Karriere und nicht erst Jahre später. Ein ungewöhnlicher Schritt, oder?
Ich finde es toll, dass Martin das jetzt macht. Denn er ist einfach ein besonderer Typ, das passt zu ihm. Er erzählt dabei auch aus seinem Privatleben und behandelt ein paar mitunter schwierige Themen. Ihm nimmt man das aber alles ab, denn er ist einfach eine ehrliche Haut und verbiegt sich nicht. Kein stereotypischer Profi, sondern jemand, der auch mal aneckt. Sein Karriereweg ist ebenfalls nicht nur kerzengerade. Daher ist es naheliegend, dass ausgerechnet er so ein Buch schreibt. So zeigt er auf, dass es auch andere Wege gibt, um ein international anerkannter Profi zu werden. Nicht nur den über Akademien und Nachwuchsleistungszentren. 

Mit einem Buch schon während der Karriere haben Martin und du etwas gemeinsam. Deines trägt den Namen „Gehasst und geliebt“.
Das stimmt. Ich habe es 1997 veröffentlicht und somit erschien es leider vor meiner Zeit bei der Eintracht. Ein bisschen riskant sind solche Bücher natürlich immer. Auch Hinti könnte rein theoretisch in zehn oder 20 Jahren etwas bereuen, was in seinem Buch steht. Aber solche Werke sollen immer auch den Zeitpunkt widerspiegeln, zu dem sie erschienen sind. Es ist eine Momentaufnahme. Als ich 30 Jahre alt war, hatte ich bereits 71 Länderspiele gemacht, unsere mittlere Tochter war gerade geboren und ich spielte in der Premier League. Also habe ich überlegt, was ich als Nächstes angehen will, und habe dann eben dieses Buch geschrieben. 

Was hat es mit dem Titel auf sich?
Bei der Eintracht können wir uns beim besten Willen nicht vorstellen, wie dich jemand hassen kann. Danke für das Kompliment! Aber auch ich war jung und habe meine Fehler auf dem Platz gemacht. Der Titel ist aber tatsächlich eher ein Symbol für die Position des Stürmers. Wenn du das Tor machst, bist du ein Held. Wenn nicht, bist du der Depp. Genauso ist das Leben als Fußballer. Ich kam mit 22 Jahren nach Österreich zu Rapid und hatte dort Hans Krankl als Trainer, einen der besten österreichischen Stürmer aller Zeiten. Bei ihm war es ebenso: Wenn ich das Tor getroffen habe, war ich ein König. Wenn nicht, sagte er zu mir Sachen wie „Ich schicke dich zurück zu den Skispringern nach Norwegen“. Ein Torjäger zu sein, ist eine sehr spezielle Situation. Egal, wie gut du vielleicht spielst, am Ende wirst du an deinen Toren gemessen. Andersrum hast du natürlich den Vorteil, dass du ein grottenschlechtes Spiel abliefern kannst und danach keiner mehr darüber spricht, wenn du kurz vor Schluss den Siegtreffer erzielst. Darauf bezog sich der Titel meines Buches. 

In dem Buch fehlen wie erwähnt leider deine Jahre bei der Eintracht. Hast du schon mal mit dem Gedanken gespielt, eine erweiterte Neuauflage zu veröffentlichen, die vielleicht auch deinen Werdegang vom Spieler zum Funktionär und inzwischen TV-Experten umfasst?
Das wäre sicherlich recht interessant zu lesen, aber mit dem Alter legt man auch zunehmend Wert auf Privatsphäre. Bei mir war es so: Meine Frau und ich haben drei Kinder, und als unser Sohn geboren wurde, war das ein großes Thema, das in allen möglichen Magazinen und Zeitungen aufgegriffen wurde. Vom zweiten Kind habe ich dann nur noch sehr wenig preisgegeben und viele wissen vermutlich nicht einmal, dass wir überhaupt ein drittes Kind haben (lacht). Es ist aber wirklich sehr schade, dass mein letztes großes Profiabenteuer in Frankfurt erst danach kam. Vielleicht sollte ich einfach noch ein zweites Buch schreiben, nach Hintis Vorbild: Meine 45 besten Eintracht-Geschichten. Ich glaube, das könnte recht lesenswert und kurzweilig werden. 

Interview: Markus Rutten 

Jan Aage Fjörtoft, 54, hat die Eintracht 1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt bei den Fans nicht nur daher Kultstatus. Er ist ein fußballerischer Weltenbummler, meinungsstark, immer auf dem Laufenden, ein gefragter Experte und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie vor tief verbunden. Das sind Gründe genug für eine regelmäßige Interview-Kolumne mit dem Norweger.