Siri Worm
Eine Oranje Leeuwin
Der niederländische Zugang Siri Worm verteidigt seit Saisonbeginn für die Eintracht. Dem jungen Team von Niko Arnautis will sie mit ihren Erfahrungen aus den Niederlanden und England helfen – und selbst noch einmal in der Nationalmannschaft angreifen.
Zwei namhafte Niederländerinnen haben den damaligen 1. FFC Frankfurt in der Vergangenheit mit geprägt: Torfrau Marleen Wissink, die von 1997 bis 2006 das FFC-Erstligator hütete, sowie Europameisterin Jackie Groenen, die zwischen 2015 und 2019 die Fäden im Mittelfeld zog. Seit Sommer verteidigt mit Siri Worm die dritte Niederländerin in der Frankfurter Bundesligageschichte am Main, die erste bei den Eintracht-Frauen. Verstecken braucht sich die 29-Jährige vor ihren Vorgängerinnen nicht. Denn wer Nationalspielerin ist, bereits Champions League sowie in den Niederlanden und England auf Topniveau Fußball gespielt hat, kann den jungen Adlerträgerinnen mit ihrer Erfahrung helfen. Ihr Trainer Niko Arnautis sagt: „Siri verfügt über sehr viel internationale Erfahrung. Nicht nur, was ihre Zahl an Länderspielen angeht, sondern auch ihre Zeit in England. Sie tut unserer jungen Mannschaft mit ihren Fähigkeiten sehr gut.“ Dazu zählen Zweikampfstärke, Übersicht und eine gute Spieleröffnung.
Galt das Nachbarland lange als Spätzünder im Frauenfußball, sind die Niederlande nach der ersten WM-Teilnahme 2015, spätestens aber mit dem Europameistertitel zwei Jahre später im eigenen Land sowie WM-Silber 2019 eine große Nummer: „Man konnte in den Niederlanden sehr gut beobachten, dass man mehr beachtet wird, wenn man bessere Ergebnisse erzielt. Es gab vorher viele negative Stimmen im Land. Nach den guten Turnieren haben viele Menschen aber genauer hingesehen, ihre Meinung geändert und uns mehr Respekt entgegengebracht. Darüber habe ich mich sehr gefreut“, berichtet Worm und ergänzt: „Meine Generation musste sich alles erkämpfen und hat ganz unten angefangen. Mittlerweile wird auch die heimische Liga immer besser, auch wenn sie noch nicht so gut ist, wie sie sein könnte. Die besten Spielerinnen wechseln immer noch in ausländische Ligen.“ Das gilt auch für die Verteidigerin. Nach neun Jahren in der ersten niederländischen Liga beziehungsweise. der BeNe League (Erklärung siehe Seite 33) beim FC Twente Enschede mit fünf Meisteschaften und einem Pokalsieg suchte der Linksfuß in England die neue Herausforderung. Erst zwei Jahre beim FC Everton, dann zwei bei Tottenham Hotspur. „Die englische Liga ist sehr professionell und es wird dort viel investiert. Das Level ist gerade unter den ersten vier Teams sehr hoch“, erklärt die Defensivallrounderin. „Die Liga ist auch deshalb so spannend, weil sie sehr kompetitiv ist.“
Ein Prozent des Gehalts für Common Goal
Doch die FLYERALARM Frauen-Bundesliga brauche sich nicht zu
verstecken. Der Wechsel war für sie kein Rückschritt, im Gegenteil: „Die
Spielweise in der deutschen Bundesliga und besonders hier in Frankfurt passt zu
der Art, wie ich spielen möchte. Wir haben eine Mannschaft mit vielen starken
Spielerinnen. Hier möchte ich meine Erfahrung einbringen. In England habe ich
meine Stärken nicht so ausspielen können.“ Eingelebt habe sie sich mittlerweile
prima – auch, weil es ihr die Mitspielerinnen leicht gemacht haben. „Ich habe
mich hier vom ersten Tag an sehr willkommen gefühlt. Sowohl die Mannschaft als
auch das gesamte Team ums Team haben mich sehr unterstützt. Ich mag die Kultur
des Vereins und fühle mich immer heimischer. Die Eintracht ist ein sehr
ambitionierter Verein, sowohl im Männer- als auch im Frauenbereich.“ Dazu komme
die Stadt Frankfurt, „die vieles zu bieten hat. Ich kenne schon ein paar Cafés
und Restaurants, in die ich gerne gehe und die bisher zu meinen
Lieblingsplätzen in Frankfurt gehören.“
Auch sportlich lief der Saisonstart für die Adlerträgerinnen hervorragend: Die ersten drei Partien in der Liga wurden gewonnen, im DFB-Pokal-Achtelfinale geht es Ende Oktober gegen den FC Bayern München. „Wir haben eine sehr positive Atmosphäre in der Mannschaft. Schon in der Vorbereitung haben wir gemerkt, dass wir bereit sind und einen guten Plan haben. Ich bin mir sicher, dass wir unsere guten Leistungen zum Start auch gegen die größeren Teams in der Liga zeigen können“, erklärt Worm, deren Eltern beim Sieg am zweiten Spieltag über Freiburg (1:0) sie das erste Mal nach zwei Jahren vor Ort im Stadion sehen konnten.
Geboren und aufgewachsen ist Worm in Doetinchem, einer Gemeinde mit knapp 60.000 Einwohnern nur eine halbe Stunde entfernt von der Grenze zu Deutschland. Einerseits ist die erfahrene Verteidigerin heimatverbunden – „meine Familie, mein Bruder und einige meiner Freunde leben noch dort. Deshalb fühlt es sich immer noch nach zu Hause an, auch wenn ich seit 13 Jahren nicht mehr dort wohne“ –, andererseits aber auch reisefreudig: „Ich mag Bali sehr gerne, aber auch Brasilien und Thailand. Ebenso New York als Städtetrip ist cool.“ Selbst ein paar freie Tage nutzt die 29-Jährige gerne für einen Kurztrip nach Paris. Angetan hat es ihr zudem Südafrika, in doppelter Hinsicht. Für die vom spanischen Ex-Internationalen Juan Mata ins Leben gerufene Organisation Common Goal spendet Worm ein Prozent ihres Gehalts für ein dortiges Projekt. Aufmerksam wurde die Verteidigerin durch einen Schulbesuch im Rahmen eines Trainingslagers der niederländischen Nationalmannschaft im Januar 2019. „Common Goal hilft Menschen auf der ganzen Welt, die es nicht so gut wie wir haben. Wir können uns sehr glücklich schätzen, mit Fußballspielen unser Geld zu verdienen, und sind deshalb in einer Position, in der wir anderen Menschen helfen können. Beim Besuch der südafrikanischen Schule zu erkennen, wie besonders es für die Kinder war, uns zu sehen, hat mich wirklich berührt“, berichtet Worm, die zu Hause am liebsten bei einer Tasse Kaffee sowie Papier und Stift entspannt.
Ihre sportlichen Anfänge liegen gar nicht im Fußball: „Ich habe zunächst geturnt. Zu der Zeit, als ich mit dem Fußballspielen anfangen wollte, meinten noch viele, Fußballspielen sei nur etwas für Jungs. Meine Mutter war deshalb nicht so glücklich darüber, dass ich Fußball spielen wollte. Jetzt ist sie aber meine größte Unterstützerin.“ Mit sieben Jahren begann sie im selben Klub wie dem ihres Bruders zu kicken, der Voetbalvereniging DZC'68. „Bis ich 16 Jahre alt war, habe ich mit Jungs zusammen gespielt. Das war definitiv gut für meine Entwicklung. Ich habe mich in den A-Mannschaften mit professionellen Teams auf hohem Niveau messen können. Außerdem habe ich gelernt, clever zu sein, um mit den größeren und schnelleren Jungs mitzuhalten.“
Neuer Angriff auf die Nationalmannschaft
Als Jugendnationalspielerin folgte der logische Wechsel zum
Erfolgsklub Twente Enschede. 2010 führte sie die U19-Nationalmannschaft als
Kapitänin ins EM-Halbfinale, zwei Jahre später folgte der erste Einsatz für die
A-Nationalmannschaft. Die Nummer 20 der Adlerträgerinnen bestritt seitdem bis
zuletzt im April 2019 insgesamt 41 Spiele für die „Oranje Leeuwinnen“, traf
einmal beim Algarve Cup 2018, den sie gewann. Das Kapitel Nationalmannschaft
ist ein unvollkommenes – aber keineswegs ein bereits abgeschlossenes. Für die
Qualifikationsspiele war die Verteidigerin stets regelmäßig nominiert, stand
aber lediglich 2013 im Kader einer Endrunde. Bei der EM in Schweden vor acht
Jahren stand Worm einmal auf dem Platz, die Elftal schied in der Vorrunde aus.
2015 verhinderte ein Kreuzbandriss die WM-Teilnahme, die Jahre danach stand die
29-Jährige jeweils nur auf Abruf auf der Liste. „Ich muss zugeben, dass es sehr
schwer für mich war, 2015 nicht zur Weltmeisterschaft fahren zu können. Ich
wollte so sehr zu einem großen Turnier und habe mir selbst enormen Druck
gemacht. Dass ich in der Qualifikation gespielt und dem Team geholfen habe,
dahin zu kommen, dann aber nicht spielen konnte, war sehr schwierig
anzunehmen.“ Mit Mark Parsons ist ein Engländer seit September neuer Coach der
Niederlande, er beerbte Sarina Wiegmann. „Der neue Coach wird jetzt wieder ein
neues Team zusammenstellen. Ich konzentriere mich voll auf meine Leistung hier
in Frankfurt. Aber vielleicht öffnet sich die Tür nochmal für mich. Das Kapitel
Nationalmannschaft ist für mich definitiv noch nicht beendet.
Text: Paul Schönwetter
Fotos: Carlotta Erler, imago images, privat