„Beim Siegtreffer ist mein Handy geflogen“

 

Jan, um diesen historischen Sieg gegen die Bayern kommen wir nicht herum. Nach fast 21 Jahren konnte die Eintracht mal wieder in München gewinnen. Siegtorschütze beim letzten Mal: Jan Aage Fjörtoft.

Schon vor diesem Spiel habe ich gesagt, dass ich diese historische „Bestmarke“ sehr gerne langsam mal abgeben würde. In einem anderen Interview habe ich gesagt, dass es höchste Zeit wird, dass mich endlich ein Nachfolger anruft und diesen „Titel“ von mir übernimmt. Vielleicht meldet sich Filip ja noch. (lacht) 

 

Wie ordnest du das Spiel sportlich ein?

Bayern ist aktuell eine der besten Mannschaften der Welt. Wir haben schon ein paar Mal hier gesagt, dass die neuen Verantwortlichen und die neuen Spieler Erfolgserlebnisse brauchen, damit bei der Eintracht alles ins Rollen kommt. Und was soll größer sein als ein Sieg beim FC Bayern? Gegen sie triffst du auf ein paar der besten Spieler ihrer Generation. Wenn du da mithalten oder sie wie jetzt sogar schlagen kannst, dann ist das eine große Sache für jeden bei der SGE. Können wir Lewandowski im Zaum halten? Schaffen wir, es gegen Kimmich mitzuhalten oder Goretzka Paroli zu bieten? Nach dem Spiel können unsere Profis diese Fragen mit „Ja“ beantworten. Man sieht jetzt, welche Qualitäten eigentlich in diesem Team stecken. Die Aufgabe ist, diese so oft wie möglich abzurufen. Das nötige Selbstvertrauen sollte man nun jedenfalls haben. 

 

Apropos Selbstvertrauen: Cheftrainer Oliver Glasner meinte auf der Pressekonferenz vor dem Spiel bereits forsch: „Wir fahren nach München, um zu gewinnen“. Was machte ihn wohl nach zuletzt so vielen Remis so optimistisch?

Sein Instinkt und das Wissen, dass Spiele in München die einfachsten der Saison sind. Niemand erwartet etwas von dir, du kannst nur gewinnen. Natürlich erreichst du nicht das Niveau des Gegners, aber du kannst versuchen, den Abstand so weit wie möglich zu verringern und dann hoffen, dass du einen guten und der Gegner einen schlechten Tag hat. Bei solchen Siegen ist eines fast immer essenziell: Dein Torhüter braucht einen herausragenden Tag. Genau so einen hatte Kevin Trapp, der unglaubliche Paraden gezeigt hat. Er hatte zuvor ein wenig Druck, stand etwas in der Kritik und wurde auch nicht für die Nationalmannschaft nominiert. Seine Antwort auf all das war wahnsinnig beeindruckend. Ich habe an dem Abend in England beim Spiel Liverpool gegen Manchester City gearbeitet und das Spiel der SGE parallel auf dem Smartphone verfolgt. Beim Siegtreffer durch Filip Kostic ist das Teil dann versehentlich durch den halben Raum geflogen. Das passiert mir nicht oft. (lacht) 

 

Kommen wir zu einem ganz wichtigen Punkt in deiner Tätigkeit als Markenbotschafter bei uns. Kürzlich wurde unter deiner Mithilfe das Norway-Forum eröffnet. Es soll die Beziehungen zwischen Norwegen und Deutschland beziehungsweise Frankfurt weiter vertiefen. Wie kam es dazu?

Alles hat 2019 auf der Frankfurter Buchmesse angefangen, auf der Norwegen Ehrengast war. Damals kam unter anderem unsere Ministerpräsidentin Erna Solberg nach Frankfurt, während Fredi Bobic, Axel Hellmann und ich die Eintracht vor Ort repräsentiert haben. Es gab einen Empfang für die königliche Familie, bei dem diese natürlich Eintracht-Trikots überreicht bekam. Das waren damals die ersten Schritte für das Norway Forum. Dann kam leider Corona, aber jetzt konnten wir endlich starten. 

 

Was genau kann man sich unter dieser partnerschaftlichen Initiative vorstellen?

Ich bin Markenbotschafter der Eintracht, aber ich wollte noch mehr machen, als nur Aushängeschild zu sein. Da ich ohnehin oft und gerne in Deutschland bin, bot es sich an, eine Brücke in meine Heimat zu schlagen. Viele norwegische Firmen versuchen, in Deutschland Fuß zu fassen, und umgekehrt sind einige deutsche Unternehmen auch in Norwegen aktiv. Überhaupt ist Deutschland einer der wichtigsten Partner für mein Heimatland, sei es im Tourismus, bei Fischerei, Energie oder Technologie. Die Eintracht ist ein guter Verbindungspunkt für Geschäftskunden und Firmen aus beiden Ländern. Der Deutsche Bank Park wird quasi zum Treffpunkt, um Kontakte zu knüpfen. Nach dem Brexit ist Frankfurt zudem endgültig die wichtigste Finanzmetropole Europas. Die Eintracht ist perfekt, um eine verbindende Rolle zu spielen. Denn man übernimmt Verantwortung in so vielen Bereichen: gesellschaftlich, sportlich, politisch, kulturell, medial und so weiter. Es geht also um den Austausch von Ideen und daraus resultierend möglicherweise auch weiterführende Kooperationen. Der Fußball dient dabei gewissermaßen als kleinster gemeinsamer Nenner. 

 

Mit Linda Hofstad Helleland war auch eine wichtige Persönlichkeit der norwegischen Regierung in Frankfurt vor Ort. Zum Thema „Fußball als Basis für Zusammenarbeit“ sagte sie einen schönen Satz: „Die Menschen hören Sportlern sowieso viel lieber zu als Politikern.“ 

Und damit hat sie vollkommen recht. Es geht darum, eine Bühne zu bauen und Leuten die Möglichkeit zu geben, sich zu treffen und auszutauschen. Fußball ist dafür perfekt, denn in aller Regel interessiert es niemanden, woher du kommst, welche Religion du hast oder wen du liebst. Man begegnet sich auf Augenhöhe, hat eine gemeinsame Grundlage und kann vieles im Fußball auch direkt in der praktischen Anwendung sehen. Er steht für Leidenschaft und Identität und das ist natürlich auch für viele Firmen interessant. Da gibt es einige, die sich auch mit dem Werteverständnis von Eintracht Frankfurt identifizieren und gerne mit dem Klub zusammenarbeiten würden. Die Ministerin zeigte sich ebenfalls sehr beeindruckt von der Eintracht und hat sich unter anderem das Stadion angeschaut. Mal sehen, wie sich die Sache noch entwickelt. 

 

Interview: Markus Rutten

 

 

Jan Aage Fjörtoft, T, 54, hat die Eintracht 1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt bei den Fans nicht nur daher Kultstatus. Er ist ein fußballerischer Weltenbummler, meinungsstark, immer auf dem Laufenden, ein gefragter Experte und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie vor tief verbunden. Das sind Gründe genug für eine regelmäßige Interview-Kolumne mit dem Norweger.