„Wichtig, Sonnys Geschichte zu hören“

Jan Aage, kürzlich... trafst du im Eintracht-Museum auf Helmut „Sonny“ Sonneberg, einen jüdischen SGE-Fan und Holocaust-Überlebenden. Wie sehr hat dich seine Geschichte bewegt?
Dieses Treffen war natürlich wahnsinnig beeindruckend und faszinierend! Als ich die Anfrage mit der Möglichkeit bekam, ihn zu treffen, musste ich nicht lange überlegen. Sein Name war mir bereits ein Begriff, aber bis dahin hatte ich nur von ihm gehört. Ich habe das große Glück, tolle Momente mit der Eintracht erlebt zu haben, und Sonny persönlich zu treffen, war definitiv eines der Highlights für mich. Praktischerweise kamen dabei zwei Themen zusammen, die mir sehr am Herzen liegen. Neben dem Fußball bin ich nämlich auch extrem interessiert an Geschichte und historischen Themen. 

Was für einen Menschen hast du kennengelernt?
Ich war beeindruckt, wie fit er mit seinen fast 91 Jahren ist und wie klar er in seinen Gesprächen und Gedanken ist, obwohl das ein unglaublich schwieriges Thema für ihn sein muss. Wir haben uns wunderbar unterhalten. Er ist ein sehr positiver, gut gelaunter Typ. Wenn er spricht, sorgt das für sehr viel Ehrfurcht bei einem, denn er ist Augenzeuge eines der schwärzesten Kapitel der Menschheitsgeschichte. Er erlebte die Reichskristallnacht, sah Synagogen und jüdische Geschäfte in seiner Nachbarschaft brennen, wurde auf offener Straße beleidigt, bespuckt und geschlagen. Er wurde nach Theresienstadt deportiert, hätte eigentlich sterben sollen, doch er überlebte als einer von wenigen und kam nach dem Krieg zurück nach Frankfurt. Was er alles ertragen und durchleben musste, mag man sich nicht mal vorstellen. 

„Ich war beeindruckt, wie […] klar Sonny in seinen Gesprächen und Gedanken ist, obwohl das ein unglaublich schwieriges Thema für ihn sein muss“

Seine Geschichte ist eine voller Unrecht und Leid. Das an nachfolgende Generationen zu vermitteln ist von immenser Wichtigkeit.
Gerade in der heutigen Zeit ist es unglaublich wichtig, dass die Leute hören, was Menschen wie Sonny zu sagen haben. Antisemitismus ist noch lange nicht aus der Gesellschaft verschwunden. Im Gegenteil, er scheint in letzter Zeit sogar eher wieder zuzunehmen. Dem müssen wir uns als Gesellschaft entschlossen entgegenstellen. Die Zeitzeugen werden naturgemäß und aufgrund ihres Alters ohnehin immer weniger. Man kann das alles in Büchern lesen, schön und gut. Aber wenn jemand wie Sonny seine eigene Geschichte erzählt und davon, was er persönlich erlitten hat, hat das schon eine andere Nachdrücklichkeit und ein anderes Gewicht. 

Hattet ihr auch Gelegenheit, über seine Leidenschaft für die Eintracht zu sprechen?
Wir haben sogar recht viel über Fußball diskutiert. Sonny gehört zu denjenigen, die alle großen Titel des Vereins leibhaftig miterlebt haben, und ist ein riesiger Fan! Im Museum schauten wir uns beispielsweise seinen Zylinder vom Meisterschaftsendspiel 1959 an. Außerdem erzählte er mir von seinen Schwierigkeiten, zum Finale nach Berlin zu kommen und danach wieder rechtzeitig zurück nach Frankfurt, um die Mannschaft zu empfangen. Damals konnte man sich nicht einfach ein Taxi oder ein Uber bestellen. Sonny ist ein toller Botschafter für die SGE und hat unglaublich viel zu erzählen. 

Von einer Eintracht-Legende mussten wir uns kürzlich verabschieden. „Dr. Hammer“ Bernd Nickel ist im Alter von 72 Jahren verstorben. Einer der größten Adlerträger aller Zeiten.
Absolut! Bernd Nickel war ein außergewöhnlicher Spieler. Er ist und bleibt ein ganz großer und wichtiger Teil der Eintracht-Geschichte. Allein seine vier direkt verwandelten Ecken sind für die Ewigkeit, das gibt es weltweit kein zweites Mal. Das Vermächtnis von „Dr. Hammer“ gehört mit zum Größten, was dieser Verein zu bieten hat. Auch seine Karriere in Zahlen ist unglaublich, wir sprechen immerhin vom torgefährlichsten Mittelfeldspieler der Bundesligageschichte. Nickel hat seinen Namen mit großen goldenen Lettern in die Geschichte des deutschen Fußballs geschrieben. Sein Tod ist ein herber Verlust für unsere Eintracht-Familie. 

Interview: Markus Rutten

Jan Aage Fjörtoft, 54, hat die Eintracht 1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt bei den Fans nicht nur daher Kultstatus. Er ist ein fußballerischer Weltenbummler, meinungsstark, immer auf dem Laufenden, ein gefragter Experte und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie vor tief verbunden. Das sind Gründe genug für eine regelmäßige Interview-Kolumne mit dem Norweger.