Laura Feiersinger - „Ein Stück Heimat“

Sie hat fast 180 Bundesligaspiele absolviert. Sie ist zweifache Deutsche Meisterin und österreichische Nationalspielerin, hier steuert sie auf die Marke von 100 Länderspielen zu. Im Team der Eintracht-Frauen steht kaum eine Spielerin so sehr für Erfahrung wie Laura Feiersinger. Beim gemeinsamen Tag mit der „Eintracht vom Main“ und unserem Klubfernsehen EintrachtTV zeigt sich die 28-Jährige abseits des Platzes ganz offen als heimatverbundener Familienmensch, spricht über ihr Lieblingsessen im Gasthaus ihrer Oma, erzählt von Wegbegleiterinnen ihrer Karriere und erinnert sich an gruselige Erlebnisse mit dem ÖFB-Team.

Interview: Alina Friedrich
Fotos: Martin Ohnesorge

Ein regnerischer Tag im Frankfurter Stadtteil Rödelheim. Ein Blick auf die Klingelschilder im Eingangsbereich verrät, wo der heutige Tag beginnt: „Dunst/Feiersinger“, erster Stock. Im „Game of Thrones“-Pulli und mit einem offenen Lachen wartet Laura Feiersinger bereits im Türrahmen. „Schön, dass ihr da seid“, begrüßt sie das EintrachtTV-Team. Nur noch schnell in die Sneakers schlüpfen und die Tasche mit den Trainingssachen einpacken, dann kann es auch schon losgehen. „Erstmal einen Kaffee“, meint Laura und führt das Team in die Gutleutstraße. Hier steuert sie das MOMI an, eines ihrer Stammcafés.

Laura, wir sind hier in deinem Lieblingscafé. Wie bist du darauf aufmerksam geworden?
Ich trinke generell sehr gerne Kaffee und bin immer wieder auf der Suche nach etwas Neuem. Häufig lasse ich mich durch Instagram inspirieren. Hier im MOMI bin ich das erste Mal vor rund zwei Monaten gewesen und fand es gleich ganz süß. Seitdem komme ich regelmäßig hierher. 

Wie entstand deine Liebe zum Kaffee?
Meine Mama hat schon immer viel Kaffee getrunken. Ich selbst bin aber erst dazu gekommen, als ich in München gewohnt habe [Anm. d. Red.: von 2011 bis 2016 spielte Feiersinger beim FC Bayern]. Dort bin ich ab und zu mit den Mädels aus der Mannschaft ins Café gegangen. Auch hier in Frankfurt mache ich das regelmäßig mit meinen Mitspielerinnen. Ich mag die Gesellschaft und das gemütliche Beisammensein. Bis auf Sheki [Anm. d. Red.: Shekiera Martinez] sind auch alle aus dem Team Kaffeetrinker. Ich nehme meistens einen Cappuccino. 

So auch an diesem Vormittag. Zurückgelehnt und bestens gelaunt beginnt Laura aus ihrem Leben zu plaudern. Abseits des Platzes mag es die Mittelfeldspielerin, deren Vater Wolfgang über 200 Spiele für Salzburg absolviert hat und mit dem BVB 1997 Champions-League-Sieger wurde, entspannt und gesellig. 2010 kam Laura Feiersinger, die sich während der Verletzung von Tanja Pawollek mit Laura Freigang die Rolle der Kapitänin teilt, gemeinsam mit Verena Hanshaw aus Österreich zum Bundesligaaufsteiger Herforder SV. Damals war sie 17 Jahre alt. Gerade deshalb haben Familie und Freunde eine ganz wichtige Bedeutung für die heute 28-Jährige.

Was machst du, wenn du nicht gerade auf dem Fußballplatz stehst?
Ich mache auch in meiner Freizeit viel Sport und hatte immer schon Spaß daran, verschiedene Sportarten auszuprobieren. Früher habe ich Biathlon betrieben, deshalb gehe ich auch jetzt noch sehr gerne Langlaufen im Winter. Ich liebe aber auch Tennis und Squash. Ansonsten hänge ich einfach gerne mit den Mädels ab – sei es zum gemeinsamen Kaffeetrinken oder auch für einen Spieleabend. Neulich waren wir endlich mal wieder im Kino und haben uns den neuen James-Bond-Film angeschaut.

„Verena ist wie eine Schwester für mich“ 

Mit wem aus der Mannschaft verstehst du dich am besten?
Dadurch, dass ich damals mit 17 Jahren mit ihr zusammen aus Österreich weggegangen bin, habe ich eine ganz besondere Verbindung zu Verena. Wir sind schon über zehn Jahre gemeinsam in der Bundesliga. Zwischenzeitlich waren wir zwar mal zwei, drei Jahre getrennt, aber umso mehr freuen wir uns, jetzt wieder zusammen im selben Verein zu sein. Verena ist wie eine Schwester für mich. 

Neben deinen Teamkolleginnen hast du auch eine sehr enge Verbindung zu deiner Familie. Wie würdest du das Verhältnis beschreiben?
Wir verstehen uns tatsächlich alle sehr gut und sind sehr eng, obwohl wir eine große Familie sind. Wir haben sehr viele unterschiedliche Charaktere, aber gerade deshalb macht es immer viel Spaß. Ab und zu kann es zwar mal anstrengend werden, aber ich genieße es jedes Mal, wenn ich zu Hause bin. 

„Tattoo als Hommage an meine Schwester“

Du hast einige Tattoos. Eines davon hast du auch deiner Schwester gewidmet, richtig?
Mein allererstes Tattoo habe ich mir mit meiner Schwester zusammen machen lassen. Es ist ihr Geburtsdatum. Ich habe aber auch noch ein zweites für sie, das Nofretete zeigt. Sie wird auch „die Schöne“ genannt. Das Tattoo ist sozusagen eine Hommage an meine Schwester. Daran erkennt man schon, wie sehr ich sie mag. Mein Plan ist es, dass ich mir für jedes Familienmitglied ein Tattoo stechen lasse. Schon jetzt steht aber die „11“ auf meinem Unterarm für all die Personen, mit denen ich aufgewachsen bin. Sie sind alle in diesem Tattoo verewigt. 

Deine Großmutter besitzt ein Gasthaus. Ist die österreichische Küche auch etwas, was du an deiner Heimat vermisst?
Am Anfang habe ich das Essen schon sehr vermisst. Mein absolutes Lieblingsessen war früher Schnitzel. Meine Oma hat immer gesagt: Das hätte ich auch frühstücken können. Anders als in Deutschland isst man Schnitzel bei uns nie mit Sauce. Wenn im Gasthaus meiner Oma ab und zu eine Bestellung reingeht für ein Schnitzel mit Sauce, dann wissen wir immer schon: Das war ein Deutscher. Wenn ich traditionell Österreichisch essen will, koche ich deshalb meistens selbst oder aber genieße es, wenn ich zu Hause bin. Daheim schmeckt es eben immer am besten. Grundsätzlich probiere ich aber auch hier in Frankfurt gerne Neues aus. 

Was bedeutet Heimat für dich?
Heimat bedeutet für mich Ankommen und Wohlfühlen. Wenn ich zu Hause bin, muss ich gar nicht viel machen. Ich genieße es einfach, die Leute um mich herum zu haben, mit denen ich aufgewachsen bin, und mich gut zu fühlen. Mittlerweile ist aber auch Frankfurt schon ein Stück Heimat für mich geworden. 

Der Regen hat etwas nachgelassen. „Wir sind ja auch nicht aus Zucker“, meint Laura mit Blick auf ein baldiges Aufbrechen. Bevor es weitergeht, nimmt sich die österreichische Nationalspielerin, die bald 180 Spiele in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga bestritten hat, aber noch Zeit für ein paar Fanfragen, die über Facebook, Twitter und Instagram reingekommen sind.

Welche Sprachen sprichst du?
Ich spreche Österreichisch, Deutsch – da ich vier Jahre in Dortmund gelebt habe, kann ich auch Hochdeutsch sprechen – und Englisch. Ich habe außerdem fünf Jahre lang Französisch in der Schule gelernt, aber ehrlich gesagt sehr viel schon wieder verlernt. 

Wer ist deine lustigste Mitspielerin?
Verena Hanshaw hat wirklich einen sehr guten Humor. Generell sind unsere Mädels in Frankfurt aber alle sehr lustig. Bei der Nationalmannschaft ist es Lisa Makas, die auch einige Jahre schon in Deutschland gespielt hat. Sie könnte mir alles erzählen und ich würde es lustig finden, weil sie einfach so einen guten Schmäh hat. 

Wer war die bislang beste Gegenspielerin deiner Karriere?
Defensiv war es Wendie Renard von Olympique Lyon. Offensiv würde ich Pernille Harder sagen. 

Bist du glücklich?
Ja, ich bin sehr glücklich. 

Du hast die Rückennummer 27. Hat sie eine besondere Bedeutung für dich?
Meine Lieblingszahl war immer die Sieben, so - dass das auch meine Nummer war, als ich mit dem Fußballspielen angefangen habe. Als ich zu meiner ersten Station in Deutschland, dem Herforder SV, gewechselt bin, war die Sieben aber leider schon weg. Als David-Beckham-Fan habe ich deshalb die 23 genommen, weil er sie zu der Zeit auch getragen hat. Bei meinem Wechsel zum FC Bayern München waren dann sowohl die Sieben als auch die 23 vergeben, deshalb habe ich die 27 draus gemacht. 

Welche ist deine wertvollste Erinnerung?
Sportlich gesehen ist es die Europameisterschaft 2017, bei der wir es bis ins Halbfinale geschafft haben. Privat ist es schwer, eine konkrete Erinnerung herauszupicken. Da ich unter dem Jahr nur selten zu Hause bin, sind es oft die kleinen Momente mit meiner Familie, die für mich sehr besonders sind. Als meine wertvollste Erinnerung würde ich daher die Summe all dieser kleinen Momente mit meiner Familie bezeichnen. 

Welche ist die faszinierendste Person, die du kennst?
Ich finde meine Oma richtig cool. Sie strahlt eine unglaubliche Lebensfreude aus und wirkt immer glücklich. Das überträgt sich dann auch auf andere. Immer, wenn ich sie sehe, habe ich ein gutes Gefühl. 

Was war das beste Essen, das du je hattest?
Was ich esse, hängt immer davon ab, wo ich gerade bin. Wenn ich bei meiner Oma bin, esse ich sehr ungesund und traditionell Österreichisch. Aber ich probiere gerne unterschiedliche Sachen aus. Bei der Nationalmannschaft haben wir immer einen Koch, der sehr gut kocht. Sein Essen zählt deshalb auf jeden Fall zu den Topgerichten. 

Deine Schulter war zuletzt verletzt. Wie geht es dir aktuell?
Es geht mir wieder gut. Ich habe mir schon öfter mal die Schulter ausgekugelt, weil ich eine etwas flache Gelenkspfanne habe. Zum Glück ist das letzte Mal schon fünf, sechs Jahre her, sodass ich hoffe, dass es nun auch wieder für die nächsten Jahre hält. 

„Ich hatte vor meinem Wechsel sehr viel neagtives über Frankfurt gehört. Dieser Eindruck hat sich keinesfalls bestätigt“

Wie würdest du eure Mannschaft mit einem Wort beschreiben?
Wundertüte. Dadurch, dass wir so viele verschiedene Charaktere haben, weiß man nie, was im Training so passiert. Wir sind zwar mittlerweile schon etwas reifer, gerade zu Beginn wusste ich aber echt nie, was ich heute von den Mädels bekomme. 

„Passt?“, schließt Laura in ihrem typischen Österreichisch die Fragerunde. Passt! Denn viel Zeit bis zum Training bleibt auch gar nicht mehr. Nach einer herzlichen Verabschiedung von den Mitarbeitern in ihrem Stammcafé geht es deshalb auch schon weiter oder besser gesagt hoch hin - aus. Die österreichischen Berge hat Frankfurt zwar nicht zu bieten. Dafür geht es mit dem Aufzug auf die Spitze des Main Tower. „Sieht schon cool aus, oder?“, fragt Laura bei der Ankunft auf 191 Metern in die Runde. Beim, wenn auch durch den Nebel leicht getrübten, Blick auf ihre neue Heimat von oben erzählt Laura von ihren ersten Erfahrungen in Frankfurt, davon, welche Rolle Coach Niko Arnautis für den Wechsel an den Main gespielt hat, und von verrückten Ideen bei der Nationalmannschaft, für die sie seit 2010 aufläuft.

2018 bist du vom FC Bayern München nach Frankfurt gewechselt. Was war dein erster Eindruck von Frankfurt und wie hat er sich verändert?
Ich hatte vor meinem Wechsel sehr viel Negatives über Frankfurt gehört. Dass die Stadt nicht so cool und auch die Umgebung nicht schön sei. Deshalb war ich total überrascht: Ich habe mich hier sofort wohlgefühlt und die Stadt megacool gefunden. Seitdem ist mein Eindruck positiv geblieben. Hier ist immer etwas los und eine gewisse Entwicklung zu erkennen. Vor allem aber ist es eine sehr offene Stadt. 

Was genau hat dich dazu bewogen, aus München, wo du zwei Meistertitel gefeiert hast, erst zum SC Sand und anschließend zum 1. FFC Frankfurt zu wechseln?
Ich war offen für etwas Neues, hatte mich aber ehrlich gesagt gar nicht so intensiv damit auseinandergesetzt, dass ich irgendwann mal in Frankfurt spielen will. Doch damals kam Niko Arnautis auf Verena und mich zu und hat es offensichtlich sehr gut gemacht. Er hat uns Frankfurt gezeigt und die richtigen Worte gefunden, mich zu überzeugen. 

Gibt es Dinge, die dir an München fehlen? Und was gefällt dir in Frankfurt besser als bei deiner vorherigen Station?
München wird immer etwas Besonderes für mich bleiben, weil ich dort fünf Jahre lang gespielt und viele sehr schöne Momente erlebt habe. Was mir in Frankfurt im Gegensatz zu München etwas fehlt, ist die Nähe zur Heimat. In Frankfurt finde ich wiederum die Menschen viel offener und herzlicher. Das kenne ich so auch von mir zu Hause in Österreich. Von daher habe ich auch hier ein Stück Heimat trotz der Entfernung. 

„Sobald ich hier war, habe ich gemerkt, wie viel der Verein den Menschen in der Stadt bedeutet“

Fühlst du dich schon mit dem Verein Eintracht Frankfurt und seinen Traditionen verbunden?
Ja, schon. Sobald ich hier war, habe ich gemerkt, was der Verein für die Leute in der Region bedeutet. Das war sehr schön zu sehen und dadurch hat sich diese Liebe zum Verein automatisch auch auf mich übertragen. 

Du vertrittst nicht nur die Eintracht, sondern auch die österreichische Nationalmannschaft. Gibt es von deinen Länderspielreisen besondere Momente, an die du gerne zurückdenkst?
Bei der Natio kommen wir immer auf verrückte Ideen. Wir kennen uns größtenteils schon seit vielen Jahren. Deshalb macht es immer Spaß, wenn wir uns sehen. Vor ein paar Jahren waren wir zum Beispiel in Tel Aviv und sind abends nach dem Spiel noch in ein Gruselkabinett gegangen, das direkt gegenüber von unserem Hotel war. Wir wussten überhaupt nicht, was uns erwartet. Als wir reingingen, war es stockdunkel. Ich bin als Erste gegangen – warum, weiß ich auch nicht mehr, weil ich eigentlich voll der Schisser bin – und plötzlich stand eine echte Person vor mir, die uns erschreckt und gepackt hat. Ab dem Moment war es für uns alle vorbei. Wir sind am Ende völlig fertig herausgekommen, weil es so schlimm war. Immerhin bin ich seitdem abgehärtet und habe keine Probleme mehr mit Horrorfilmen (lacht). 

Seit Beginn der UEFA- Kampagne „We Play Strong“ bist du dort Markenbotschafterin. Erzähle uns bitte etwas darüber.
Nach der Europameisterschaft 2017 ist diese Kampagne entstanden, die sich dafür einsetzt, den Frauenfußball mehr zu pushen und Mädchen Einblicke in den Profisport zu ermöglichen. In meiner Rolle als Markenbotschafterin möchte ich diese Initiative tatkräftig unterstützen.

Der Besuch auf dem Main Tower ist nur von kurzer Dauer, denn in weniger als einer Stunde ist Trainingsbeginn am Rebstock. Das Lachen auf dem Gesicht bleibt Laura auch auf dem Platz erhalten, als sie mit ihren Landeskameradinnen Barbara Dunst, Verena Hanshaw und Virginia Kirchberger die ersten Runden zum Warmwerden läuft. Der Tag vor der Kamera ist nun beendet, jetzt gilt der volle Fokus dem Training.