Jesper Lindström – Dänen-Pfeil mit Hyggegefühl

Im Sommer dieses Jahres wechselte ein 21-jähriger Fußballer aus Dänemark zu Eintracht Frankfurt. Er ist Rechtsfuß, kommt im offensiven Mittelfeld zum Einsatz und wird in mehreren Medien als „Toptalent“ bezeichnet. Er habe enormes Potenzial, sei schnell und bringe unheimlich viel mit, sagt Sportvorstand Markus Krösche bei seiner Vorstellung. Der Name des amtierenden U21-Nationalspielers: Jesper Lindström. Ein knappes halbes Jahr später hat der Mann mit der Nummer 29 seine Leistungsfähigkeit aufblitzen lassen und sich gemeinsam mit seiner Freundin in Frankfurt eingelebt. EintrachtTV und die „Eintracht vom Main“ haben das Paar bei einem Spaziergang im Christmas Garden im Deutsche Bank Park begleitet und mit Lindström über dessen Kindheit, seinen Spitznamen, seine Familie und Weihnachten gesprochen.

Interview: Lars Weingärtner
Fotos: Bianca Jockel
Zusammengestellt von Michael Wiener

Jesper, fangen wir mal ganz vorne an. Wie war deine Kindheit?
Meine Kindheit war ziemlich normal. Ich bin zur Schule gegangen, habe Fußball gespielt und habe bei meinen Eltern gelebt. Sie haben sich getrennt, als ich fünf oder sechs Jahre alt war. Wir sind dann nach Bröndby Strand gezogen. Dort wohnt meine Mutter auch heute noch. Sie hat einen neuen Partner gefunden. 

Du bist im Alter von zwölf Jahren von einem kleinen Klub zu Bröndby IF gewechselt. Kannst du dich an den Tag erinnern und wie groß war das für dich damals?
Ich hatte davor schon einige Mal gemeinsam mit den anderen Jungs trainiert und Trainingscamps besucht. Daher kannte ich einige Mitspieler schon. Mein Stiefvater kannte den Coach, und deshalb war es für mich ein ganz normaler Wechsel. 

Wie haben sie dich damals entdeckt?
Sie haben mich bei meinem damaligen Verein Vallensbaek gescoutet und wussten, dass ich in Bröndby Strand wohne. 

„Der Trainer hat plötzlich Jobbe gerufen“

Ich habe einen Artikel aus Bröndby gelesen, da wirst du „Jobbe“ genannt. Woher kommt der Spitzname?
Der Spitzname kommt noch aus meiner Zeit in Taastrup, wo ich mit den Jungs aus dem Jahrgang 1999 zusammen gespielt habe. Der Trainer hat plötzlich einfach „Jobbe“ gerufen. Dann war ich eben nur noch „Jobbe“. 

Wer nennt dich alles Jobbe?
Meine Freundin, meine Familie, meine Freunde. Sogar manche Kommentatoren haben mich so genannt, als ich noch in Dänemark gespielt habe. Jeder kennt mich eben als Jesper „Jobbe“ Lindström. 

Und hier in Frankfurt?
Ja, auch ein paar. Trappo zum Beispiel. 

Wie gut ist dein Deutsch?
Ich verstehe ein bisschen, aber sprechen fällt mir noch sehr schwer. 

Das Interview mit Jesper Lindström findet in der Vorweihnachtszeit statt. Auf dem Gelände des Deutsche Bank Park ist noch bis 9. Januar täglich von 17 bis 22 Uhr der Christmas Garden aufgebaut. EintrachtTV und die „Eintracht vom Main“ besuchen mit dem 21-Jährigen den Christmas Garden, bei dem der Veranstalter eine „magische Reise durch den weihnachtlichen Lichterglanz“ verspricht. Lindström probiert den heißen Apfelwein – natürlich nur einen kleinen Schluck – und kommt zu einem klaren Urteil. „Schmeckt mir besser als Glühwein, den mag ich nicht“, sagt er mit einem Lächeln. Später probiert der Däne Kartoffelwurst. „Sehr lecker. Ich könnte noch eine essen“. Im Vergleich zu einem Weihnachtsmarkt in Kopenhagen sei hier alles „größer und schöner“. Der von der BILD-Zeitung „Dänen-Pfeil“ genannte Adlerträger genießt es, mit seiner Freundin durch den Christmas Garden zu schlendern, eine Runde Karussel zu fahren und Frankfurter Spezialitäten zu probieren. Zwischenzeitlich sprechen wir mit ihm über Weihnachten.

In unserem Weihnachtsquiz [Anm. d. Red.: zu sehen im Adlerträger-Video auf EintrachtTV] hast du gerade sieben von zehn Fragen richtig beantwortet, unter anderem die Frage nach Jesus‘ Geburtsort, das Rezept für Lumumba und wann das erste Mal Weihnachten gefeiert wurde. Bist du eher ein Weihnachtsmuffel oder magst du Weihnachten?
Ich liebe Weihnachten! Dazu verbringe ich gerne sehr viel Zeit mit meiner Familie. In Dänemark haben wir das Wort „Hygge“, worum es an Weihnachten vor allem geht [Anm. d. Red.: Hygge ist ein Kernbestandteil der dänischen Tradition und Lebensweise. Im Wesentlichen bedeutet es eine gemütliche, herzliche Atmosphäre, in der man das Gute des Lebens zusammen mit lieben Leuten genießt. Freunde und Familie gehören auch zur Hygge. Quelle: Wikipedia]. 

Hast du dieses Jahr einen dänischen „Julekalender“, wir würden Adventskalender sagen?
Ja, insgesamt habe ich vier Stück. Ich habe auch einen von meiner Freundin und sogar einen von ihrer Familie bekommen. 

Welche Weihnachtsrituale gibt es in deiner Familie?
Am Weihnachtsmorgen wachen wir sehr früh auf und frühstücken gemeinsam. Meine Mutter kauft immer kleine Geschenke, um schon morgens das weihnachtliche „Hygge“-Gefühl zu bekommen. Manche von uns gehen dann in die Kirche, die anderen bleiben zu Hause und bereiten alles vor. Am Abend sitzen wir zusammen, essen gemeinsam und öffnen unsere Geschenke. Es geht vor allem um das „Hygge“-Gefühl und die gemeinsame Zeit. 

Was ist das beste Weihnachtsgeschenk, das du je bekommen hast?
Ich habe den Pullover, den ich gerade trage, vergangenes Jahr von meiner Freundin bekommen. Für mich spielt es keine große Rolle, was ich an Weihnachten für Geschenke bekomme. Ich freue mich darüber, dass sich die Person Gedanken gemacht und an mich gedacht hat. Da brauche ich nichts Besonderes. 

Welches ist dein liebstes Weihnachtslied?
Ich habe keins. Vor allem werde ich das nicht singen, denn ich bin ein wirklich schlechter Sänger. 

Wie sehen deine Planungen für das diesjährige Weihnachtsfest aus?
Kurz vor Weihnachten werde ich gemeinsam mit meiner Freundin und unserem Hund nach Dänemark fahren. Dann werden wir ein bis zwei Tage bei ihrer Familie verbringen, dann bleibt sie dort und ich fahre zu meiner Familie. Dort werde ich Heiligabend verbringen. Am 25. Dezember steht ein Weihnachtsmittagessen bei der Familie meiner Freundin auf dem Plan, bevor wir am 26. wieder zu meiner Familie fahren. Danach geht es zurück nach Frankfurt, schon vor Silvester geht es wieder mit dem Training los. 

Timothy Chandler und Jens Petter Hauge sind gute Stichworte, um nach dem Talk über Weihnachten den Bogen zum Sportlichen zu spannen. Im vergangenen Sommer hat Jesper Lindström erstmals seine Heimat verlassen und sich für einen Wechsel zu Eintracht Frankfurt entschieden. Und das im Alter von 21 Jahren. Den Großteil seiner Jugend verbrachte er beim Bröndby IF, dem zehnfachen dänischen Meister, zuletzt mit Lindström in der Saison 2020/21 nach einer Durststrecke von 15 Jahren. Dänische Legenden wie Peter Schmeichel, die Laudrup-Brüder Michael und Brian oder der frühere Schalker Ebbe Sand, der Lindström bei dessen Länderspieldebüt in der A-Nationalmannschaft coachte, spielten allesamt in jungen Jahren auch für den Hauptstadtklub aus Kopenhagen, der schon zweimal Eintrachts Gegner in der ersten Runde des UEFA-Pokals war. 1990 schieden die Adlerträger unter anderem durch ein 0:5 in Kopenhagen aus (das Bröndby-Tor hütete jener Peter Schmeichel), 2006 ebnete ein Erfolg den Weg in die Gruppenphase mit unter anderem dem Auswärtsspiel beim Fenerbahce SK. Ein großer dänischer Klub also, von dem mit Lindström ein großes dänisches Fußballtalent gekommen ist. Nun ist Lindström ein Frankfurter, und wir möchten wissen, wie sich der Mittelfeldspieler in der Mainmetropole fühlt – auf und neben dem Platz.

Einer deiner ersten Kontakte nach Frankfurt wird sicherlich Markus Krösche gewesen sein, als Eintracht Frankfurt dich verpflichten wollte im vergangenen Sommer. Was hat er gesagt?
Zunächst hat er natürlich meinen Agenten angerufen und mit ihm geredet. Es hatten auch andere Klubs noch Interesse. Aber als die Eintracht dann tieferes Interesse gezeigt hat, war mir schnell klar, dass es für mich der richtige Klub ist. Der Wechsel nach Deutschland war ein großer Schritt und natürlich auch für meine Freundin, die mit mir hierhergezogen ist. Deutschland ist perfekt für uns. Es liegt nah an Dänemark und die Bundesliga ist eine sehr gute Liga für mich. Ich stehe zu 100 Prozent hinter meiner Entscheidung, im Sommer zu Eintracht Frankfurt gewechselt zu sein. 

Neue Stadt, neues Land, neuer Klub. Wie schwer war das für einen 21-Jährigen?
Natürlich ist es nicht einfach, von seiner Familie und seinen Freunden weg in ein anderes Land zu ziehen. Aber wir haben eine tolle Wohnung im Westend und leben in einer schönen Gegend. Als wir hier angekommen sind, haben sich alle sehr gut um uns gekümmert. Der Wechsel war sogar einfacher, als ich zunächst dachte. Der Klub und das Umfeld sind einfach top, das hat uns vieles erleichtert. Die ersten Monate waren toll, es gefällt uns sehr gut in Frankfurt. 

Wir haben gehört, dass eure Wohnung noch nicht ganz fertig eingerichtet ist.
Uns fehlen definitiv noch ein paar Möbelstücke, zum Beispiel ein Sofa und ein Bett. 

„Am Anfang hatte ich meine Schwierigkeiten“ 

Dein Start war nicht leicht. Aber in den vergangenen Partien hast du mehr Spielzeit bekommen. Was war für dich die größte Veränderung von der ersten dänischen Liga zur Bundesliga?
Vor allem das Tempo, aber auch das körperbetonte Spiel und die vielen gelaufenen Kilometer. Daran muss ich noch arbeiten. Am Anfang hatte ich dadurch meine Schwierigkeiten und habe nicht die Leistung gebracht. Aber jetzt habe ich meine ersten Tore geschossen und auch eine Vorlage geliefert. Ich denke, dass ich gut ins Team passe und mich selbst besser in Szene setzen kann. 

Auf deiner ersten Pressekonferenz hast du erzählt, dass du an Muskelmasse zulegen möchtest. Wie sieht es damit aus?
Es wird tatsächlich mehr. Es sind jetzt etwa ein bis zwei Kilogramm. Es macht für mich auch mental einen großen Unterschied, dass ich meinen Körper jetzt mehr einsetzen kann und mich vor den Zweikämpfen nicht scheue. Ich denke, dass man es auch in den Spielen sieht, dass meine Körperlichkeit stärker wird und ich mir bewusster bin, was mein Körper alles leisten kann. Ich trainiere jeden Tag und esse viel und gesund, um noch besser zu werden und noch ein paar Kilos draufzubekommen. Ich weiß, dass ich die Technik und auch die Schnelligkeit habe, um in der Bundesliga spielen zu können. Der Fokus liegt also definitiv auf meiner Physis. 

Hat der Trainer dir das auch gesagt?
Ja. Er möchte auch, dass ich noch zulege. Er sieht, dass ich mit dem Ball umgehen kann. Aber ich muss auch meinen Körper richtig einsetzen und die Mannschaft defensiv unterstützen. 

Welcher deiner Mannschaftskameraden ist ein Vorbild für dich?
Ich habe in der Mannschaft nicht direkt ein Vorbild. Das liegt daran, dass ich die Mannschaft nicht als Individuen sehen, sondern als Einheit. Dass wir viele Spiele in der letzten Minute gewinnen, liegt nicht an einem Spieler, sondern an allen, die auf dem Platz stehen. 

Wenn du ein Talent eines Mitspielers klauen könntest, welches wäre es?
Das ist schwer zu sagen, weil jeder Spieler anders ist. Mancher Spieler ist gut im Kopfballspiel, ein anderer im Dribbling. Mir geht es um das ganze Team und nicht um den einzelnen Spieler. 

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich hoffe, dass wir auch im neuen Jahr punkten können und in der Europa League möglichst weit kommen. Für mich persönlich hoffe ich, dass es mir gelingt, mich noch besser ins Spiel zu bringen. Das ist ein wichtiger Schritt für meine Karriere.