Scouting ist kein Glück

Seit dieser Saison fungiert Ben Manga als Direktor Profifußball, bei der Eintracht ist der 47-Jährige aber schon wesentlich länger tätig. 2016 kam Manga aus Stuttgart zunächst als Chefscout an den Main, der Kadergestaltung verleiht er schon über fünf Jahre seine Handschrift. Im Gespräch mit Moderator Jan Martin Strasheim, Bereichsleiter Medien und Kommunikation bei Eintracht Frankfurt, lässt Manga in der vereinseigenen Podcast-Folge 27 seinen Weg zum Scouting und schließlich zur Eintracht Revue passieren und plaudert auch aus dem Nähkästchen. Hier ein Auszug aus dem Interview.

Interview: Jan Martin Strasheim
Bilder: Bianca Jockel, Jan Hübner

Ben, weißt du, welcher dein höchster Marktwert war?
Ich glaube, zu meiner aktiven Zeit gab es keine Marktwerte. 

Schätz mal, wie hoch der gewesen sein könnte.
100.000 Euro vielleicht? 

Fast. 75.000 Euro. Damals hast du in der Zweiten Liga gespielt. Du warst zumeist Linksverteidiger. Jetzt kennt dich nicht jeder auf dem Fußballplatz. Was waren deine Stärken?
Ich war extrem schnell, hatte einen guten linken Fuß. Ein Linksverteidiger mit Offensivdrang. 

Wer ist oder war für dich der beste Spieler der Welt auf deiner Position?
Roberto Carlos. 

In Aachen bist du aufgeblüht, auch neben dem Platz. Du hast unter anderem die Jugend trainiert. Konntest du dir keine Karriere als Trainer vorstellen?
Ich hatte schon Spaß daran. Ich habe angefangen als U11-Trainer, dann habe ich das Scouting mit aufgebaut bei der Alemannia. Ich war dann Jugendtrainer, habe in der Jugend und für die erste Mannschaft gescoutet, zwischenzeitlich die Sportliche Leitung übernommen und war auch noch Co-Trainer der U23. Irgendwann war das dann alles zu viel Ich habe mit dem damaligen Sportdirektor Jörg Schmadtke das Gespräch gesucht und wir haben erörtert, in welcher Position er mich perspektivisch am besten aufgehoben sieht. Das war im Scouting. 

Was muss ein guter Scout deiner Meinung nach mitbringen?
Das ist schwer zu sagen, denn Scouting ist kein Glück. Ein guter Scout muss Fantasie haben, ein gutes Auge natürlich auch. Was traue ich dem Spieler zu? Man muss nicht nur sehen, ob ein Spieler gut spielt, sondern auch die Anlagen des Spielers erkennen. 

Bist du momentan viel unterwegs?
Die Scoutingabteilung und ich arbeiten Tag und Nacht. Wir schauen uns Spieler an, die eventuell interessant für uns sein könnten. Aber das ist natürlich nicht so einfach, weil alle anderen Klubs ebenso professionell scouten. 

In der Vergangenheit hat das aus unserer Sicht aber gut geklappt. Was war dein größter Transfer bei Eintracht Frankfurt, worauf bist du am meisten stolz?
Auf alle. Es gibt jetzt nicht einen Jovic oder einen Haller, den ich hervorheben würde. Alle Transfers, die wir gemacht haben, haben wir zusammen gemacht. Scoutingabteilung, Markus Krösche, das Trainerteam und ich sind jederzeit im Austausch, die Diskussionen sind immer konstruktiv und sachlich. Da gibt es keine Probleme. 

„Alle Transfers, die wir gemacht haben, haben wir zusammen gemacht. Scouting-Abteilung, Markus Krösche, das Trainerteam und ich sind immer im Austausch. (…) Da gibt es keine Probleme“

In diesem Sommer haben wir einige Spieler verpflichtet, die großes Entwicklungspotenzial haben, aber aufgrund ihres jungen Alters und der für sie neuen Erfahrung in Deutschland Zeit benötigen. Wie geht ihr als Verantwortliche damit um?
Es ist immer schwierig. Wenn neue Spieler kommen, hat man eine Erwartungshaltung. Durch die vergangenen Jahre, in denen wir erfolgreich waren, ist es natürlich für neue Spieler, gerade wenn sie aus dem Ausland kommen, immer schwierig, direkt reinzukommen. Die Jungs haben aber enormes Potenzial. Sie werden noch explodieren. 

Inwieweit ist in der Wintertransferperiode im Vergleich zu finanziell stärkeren Klubs wieder Geduld gefragt?
Das ist unsere Aufgabe. Vereine, die in der Champions League spielen, haben ganz andere Einnahmen und Ansprüche. Wir haben in den vergangenen Jahren gut gearbeitet und müssen erst noch dahin kommen, wo diese Klubs schon sind. Daher ist unsere Arbeit im Endeffekt schwieriger, wir müssen mit weniger finanziellen Möglichkeiten trotzdem gute Spieler holen. Das probieren wir, indem wir versuchen, Talente zu holen, denen wir zutrauen, dass sie bei uns schnellstmöglich einschlagen. 

Das Problem ist immer der Faktor Zeit.
Im Fußball gibt es keine Zeit. Gewinnst du drei Spiele, ist alles gut. Verlierst du drei Spiele, wird auf alles geschossen. Wir müssen Ruhe bewahren und den Jungs vertrauen. 

Einer, den du entdeckt hast und der bei uns eine tolle Entwicklung genommen hat, ist Evan Ndicka. Dir muss doch das Herz aufgehen, wenn du ihn spielen siehst.
Es ist immer schön, wenn sich unsere Arbeit auszahlt, weil der Spieler sich gut entwickelt. Arbeit macht Spaß, wenn man Erfolg hat. 

Du warst bis zum Sommer Chefscout der Eintracht, jetzt Direktor Profifußball. Was hat sich konkret verändert?
Das Scouting bleibt natürlich mein Schwerpunkt, weil ich das auch am liebsten mache. Die Kaderplanung fällt natürlich auch darunter. 

Wenn ich schon einen der besten Kaderplaner vor mir sitzen habe: Wie muss ein guter Kader aussehen? Was sind die Grundprinzipien eines guten Kaders?
Erfolgreich muss der Kader sein. 

Wie wird ein Kader erfolgreich?
Man muss einen ausgeglichenen Kader mit Strukturen haben. Nur mit Jungen erreicht man nichts, nur mit Alten erreicht man nichts. Das muss ein Mix sein. Man muss nicht nur auf das Jetzt schauen, sondern auch langfristig denken. Wer hat wie lange Vertrag, wen hat man als Alternative? Braucht man einen Jungen, weil der aktuelle Spieler schon 38 Jahre ist? Es spielen viele Faktoren eine Rolle. 

Zu deinem Team zählt auch Helena Costa. Sie ist in Portugal Trainerin gewesen. Wenn wir über Diversität sprechen, ist das auch immer ein Zeichen, dass jemand im Fußball als Frau durchaus mitreden kann. Was schätzt du an ihr?
Helena kenne ich schon seit über zehn Jahren. Ich habe sie von Anfang an als Fußballfachfrau wahrgenommen, menschlich ist sie ebenso überragend. Als ich in Frankfurt angefangen habe, habe ich sie gefragt, ob sie nach Frankfurt kommen möchte. Das hat geklappt. 

Was macht Portugal als Zielmarkt so interessant?
Die Portugiesen sind fußballerisch sehr gut ausgebildet. Zu dieser Ausbildung muss aus unserer Sicht kommen, dass der Spieler auch diese Gier hat, für ein anderes Land zu spielen. Es gibt viele Märkte, in denen gute Spieler sind. Aber teilweise fehlt diese Mentalität, Spiele gewinnen zu wollen. Sie dürfen nicht nur den Strandfußball lieben, sondern müssen auch Ehrgeiz zeigen. Mit André Silva, Bas Dost, Goncalo Paciencia und auch Luka Jovic haben wir nicht so schlecht gelegen. 

Scouting beginnt mittlerweile schon im Jugendalter. Ab welcher Jugend macht für dich ein Wechsel zu einem anderen Klub Sinn?
Die Jungen sollten eigentlich bis zur C-Jugend in ihren Vereinen, in ihrem Umfeld und in der Schule bleiben. Erst dann muss der nächste Schritt gemacht werden, wenn das entsprechende Potenzial zu erkennen ist. Aber man muss sich auf den Markt einstellen, ob man will oder nicht. Wenn wir den Spieler nicht an - sprechen, ist er irgendwo anders und später schwieriger zu bekommen. Dennoch finde ich das persönlich nicht gut. 

„Es gibt viele Märkte in denen gute Spieler sind. Aber teilweise fehlt diese Mentalität, Spiele gewinnen zu wollen“

Zum Schluss eine kleine Schnellfragerunde mit fünf Fragen. Dein Lieblingsessen?
Spanisches Essen. Paella, Pulpo, Calamaris und vieles mehr. 

In welche Musikgruppe würdest du rein - passen?
Ich bin R ’n’ B-Fan. Mein Lieblingsinterpret ist Keith Sweat. 

Dein Idol in der Kindheit?
Clarence Seedorf. Es war fantastisch, ihm zu - zusehen, wie er den Ball gestreichelt hat, was für Ideen er hatte, sein Passspiel, sein Torschuss. Er war für mich ein herausragender Spieler, gerade zu der Zeit mit Edgar Davids im zentralen Mittelfeld bei Ajax Amsterdam. 

Dein Berufswunsch als Kind?
Fußballer, natürlich. Dann Automechaniker. Ich habe die Ausbildung noch gemacht. 

Dein schönster Eintracht-Moment?
Der DFB-Pokalsieg 2018, ganz klar. 

Ben Manga
Mit dem Fußball hat Ben Manga (47) mit fünf Jahren beim TuS Grevenbroich im Raum Neuss angefangen. Nach seinem Weggang zum VfR Neuss, Heimatverein von Eintrachts Ex-Trainer Friedhelm Funkel, wechselte er als 19-Jähriger zum damaligen Bundesligisten Fortuna Düsseldorf. Dort verhalf ihm Aleksandar Ristic 1995 zum Debüt im Oberhaus, im DFB-Pokal besiegten die Rheinländer im selben Jahr den FC Bayern – mit einem Assist von Manga zum 3:1-Endstand. Über Wuppertal, Uerdingen, Aachen, Karlsruhe (unter Stefan Kuntz), Worms und Düren kam Manga 2003 wieder zurück an den Aachener Tivoli. Nach drei Kniescheibenbrüchen musste er seine Profikarriere beenden. Sein damaliger Sportchef Jörg Schmadtke ebnete ihm daraufhin den Weg ins operative Geschäft. Bevor er 2016 als Chefscout zur Eintracht kam, war er ein Jahr in Hoffenheim und vier Jahre beim VfB Stuttgart als Scout tätig.