Morgen Uniprüfung, Abends Euro-Siegtor

In Eintrachts goldenen 1970er Jahren brillierten nicht nur Grabowski, Hölzenbein und Nickel. Vielleicht etwas im Schatten dieses Trios absolviert Peter Reichel zwischen 1970 und 1978 286 Pflichtspiele für die Eintracht, wurde zweimal DFB-Pokalsieger – und schießt trotz „Doppelbelastung“ wichtige Tore. EintrachtTV hat ihn anlässlich seines 70. Geburtstags am 30. November zum Interview gebeten. Die „Eintracht vom Main“ stellt seine wichtigsten Aussagenn zusammen.

Peter Reichel über …

… seine aktuelle gesundheitliche Situation:
In dieser Coronapandemie geht es mir so bescheiden wie allen anderen auch. Ich möchte mit meinen Enkeln viel unternehmen, aber natürlich schränken auch wir uns ein. 

… sein Lehramtsstudium parallel zum Profifußball:
Unser Trainer Dietrich Weise hat mich in meinem Studium unterstützt, mir auch Freiheiten gegeben, die ich für das Studium gebraucht habe. Das heißt nicht, dass ich Trainingseinheiten schwänzen durfte. Aber er hat die Notwendigkeit akzeptiert, dass ich gewisse Sachen zu einer gewissen Zeit im Studium machen muss. Das ist gut gegangen. Wir haben damals auch schon zweimal am Tag trainiert, allerdings war ich unheimlich gut organisiert. Ich habe in der Nähe der Universität gewohnt und habe das irgendwie gemeistert. Wenn ich heute zurück - denke, dann weiß ich gar nicht mehr, wie ich das alles geschafft habe. Abends um 21 Uhr war bei mir aber auch das Licht aus, da war ich körperlich fertig. Für mich hat sich das jedoch gelohnt, denn die Garantie der Karriere als Profifußballer konnte mir natürlich keiner geben. Dass das alles so gut gelaufen ist, darüber freue ich mich heute noch. 

… die Eintracht als Pokalmannschaft, damals wie heute:
Die jetzige Mannschaft stellt unter Flutlicht ganz andere Sachen auf die Beine. Man muss diesen Kitzel mögen, wenn es um die Wurst geht. Wenn es auf dem Feld brennt, dann merkt man das auch außenherum. Das ist ein schönes Gefühl. Dazu habe ich es gemocht, die Zuschauer mitzunehmen. Das ist ganz wichtig – nicht nur als Spieler, sondern auch als Verein. Ich möchte keine englischen Verhältnisse, ohne Stehplätze und preisgünstige Tickets. Je - dem, der Bundesliga vor Ort sehen will, muss es möglich gemacht werden. Ich bin sofort bei Axel Hellmann, der das Stadion ausbauen möchte, um die Jugendlichen mitzunehmen, die vielleicht nicht die finanziellen Möglichkeiten haben. 

… Erich Ribbeck, seinen Trainer, als er mit 18 Jahren aus Gießen an den Riederwald kam:
Er war ein sehr ehrgeiziger Mann. Wir haben viel trainiert und im ersten Jahr auch viel verloren. Wir waren oft auf der Aschenbahn, es gab häufig Straftraining. Aber für mich war das eine Lehrzeit. Auch Dietrich Weise war als Trainer und als Mensch für mich der Idealfall, er hat mich sehr unterstützt. 

… die Anekdote unter der Überschrift „Morgens Uniprüfung, abends Euro-Siegtor“:
Ich habe neben dem Profifußball Lehramt studiert und hatte in meinem Vertrag eine Klausel, dass ich für Prüfungen freigestellt werden könne. Am Tag des Europapokalrückspiels gegen Atlético Madrid war es mal wieder so weit. Trainer Dietrich Weise drückte ein Auge zu, ich durfte das Trainingslager verlassen und morgens meine Prüfung halten. Und das vor so einem wichtigen Spiel gegen eine der stärksten Mannschaften Europas seinerzeit. Am Abend traf ich zum 1:0-Sieg und wir sind weitergekommen. 

… seinen Schüler Andreas Möller, heute Leiter des Nachwuchsleistungszentrums der Eintracht:
Er kam vom Gymnasium in meine achte Klasse und hat bei mir seinen Realschulabschluss gemacht. Es war damals schon zu erkennen, dass er Nationalspieler werden kann. Wir hatten mit ihm natürlich eine tolle Schülermannschaft.