Fanabteilung trifft… Jörg Strehler

Bunt ist sie, die Eintracht-Welt, voller Geschichten und Erlebnisse – nicht nur auf dem Platz, sondern vor allem auch abseits des Spielfelds. Getragen werden diese Geschichten durch die Fans und Mitglieder der Eintracht. Eines davon ist Jörg Strehler.

Jörgs Eintracht-Geschichte beginnt mit seinem fußballbegeisterten Vater, der einst nicht nur selbst für die SG Griesheim gekickt hat und dort später sogar den jungen Slobodan Komljenovic mittrainierte, sondern ihn schon als Knirps mit zur Eintracht nahm. So ganz genau kann er sich an das allererste Spiel jedoch nicht mehr erinnern, doch die Familienlegende besagt, dass es der legendäre 6:0-Sieg gegen Bayern München gewesen sei – damals, als der jüngst verstorbene Bernd Nickel das finale Tor durch eine direkt verwandelte Ecke erzielte. Da der kleine Jörg augenscheinlich Glück gebracht hatte, durfte er fortan häufiger mit ins Stadion – eine Tradition, die lange gehalten hat, auch wenn die Stadionbesuche mit seinem Vater im Laufe der Jahre seltener geworden sind und dieser leider kurz vor dem Pokalfinale 2018 verstorben ist.

Als Jugendlicher radelte Jörg mit Freunden aus Höchst kommend mal über die Höchster Fähre, mal über die Schwanheimer Brücke an den Pferdeställen vorbei in den Stadtwald – aber stets bemüht, nach Spielende so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, um die Sportschau zu gucken. Das größte Glück bestand natürlich aus einem Eintracht-Sieg, dessen Bilder auch noch im TV gezeigt wurden. Lange Jahre waren es nämlich nur Ausschnitte aus drei Spielen, die über die Mattscheibe flimmerten und dabei bevorzugt Bilder des 1. FC Köln, dem Heimatverein des produzierenden WDRs.

Im Laufe der Jahre wanderte er dabei von den Stehplätzen Richtung Gegentribüne und von Zeit zu Zeit auf die Haupttribüne des alten Waldstadions: „Wir haben damals versucht, Plätze auf Höhe des Spielertunnels zu bekommen, von dort konnte man sehr effektiv den Schiedsrichter beschimpfen“, grinst Jörg. Auswärts war er das erste Mal in Rostock dabei – auch wenn die Partie mit der vielleicht größten historischen Niederlage der Eintracht endete, so blieb sie vielleicht gerade deshalb in bleibender Erinnerung: „Es war unglaublich, wie viele Leute sich auf den Weg an die Ostsee gemacht hatten – auch viele, von denen ich es nicht gedacht hätte.“ Ähnlich wie im Mai 1992 waren auch die Auswärtsspiele in der Saison 1995/96 nicht von Erfolg gekrönt, im Gegenteil. „Aber allein, was ich auf der Autobahn Richtung Köln an Frankfurtern gesehen habe, war unfassbar. Die ganze A3 war schwarz-weiß. Es gab eine richtige Aufbruchstimmung, auch wenn es am Ende nichts gebracht hat“, erinnert sich Jörg.

Mitglied bei der Eintracht wurde er im Januar 1997, die Eintracht lag am Boden. Geld war keines mehr vorhanden, der Klub rangierte im hinteren Drittel der zweiten Liga und der frisch ins Amt gekommene Präsident Rolf Heller beschwor in höchster Not den Geist der Eintracht. „Kinder öffneten ihre Sparschweine, um die Eintracht am Leben zu erhalten, ich trug mein Scherflein dazu bei und trat zudem in den Verein ein. Damals entstanden die ersten losen Zirkel, auch über die SGE-Mailing-Liste, in denen sich Eintrachtler unter anderem auch überlegten, wie man dem Verein eine neue Struktur geben kann“, erinnert sich Jörg an die Zeiten, die man rückwirkend getrost als einen Beitrag zum Anfang der Fanabteilung bezeichnen kann – auch wenn bis zur Gründung noch knapp drei Jahre vergehen sollten. Aus den vielen kleinen kreisenden Planeten, die sich seinerzeit um die Eintracht Gedanken machten, entstand schließlich die Gründungsgruppe der Fanabteilung.

Diese erblickte im Dezember 2000 das Licht der Welt und Jörg gehörte dazu. „Innerhalb kürzester Zeit schoss der Anteil, den die Eintracht an meinem Leben hatte, von 10 auf 100.“ Die Abteilung entwickelte sich rasant und schon bald war die Arbeit rein ehrenamtlich kaum noch zu bewerkstelligen. „Mit den Jahren zog ich mich ins zweite und dritte Glied zurück, da die Eintracht mehr Zeit beanspruchte als meine eigentliche berufliche Tätigkeit. Aber bis heute stehe ich der Abteilung, so gewünscht, mit Rat und Tat zur Seite – auch, um dem Verein etwas zurückzugeben.“ Etliche Jahre prüfte er noch gemeinsam mit Claudia Stephan die Kassen der Abteilung, heute ist er aktiv im Vorstand des Fördervereins des Museums. „Als Stephan Winterling mich fragte, ob ich das Amt übernehmen möchte, sagte er: ‚Es ist auch nicht viel Arbeit‘. Ja, ja ...“

„Schöner Fußball hat mich nie sonderlich interessiert“, gibt Jörg unumwunden zu. Vielmehr sind es die einzigartigen Emotionen, aber auch die Gemeinschaft, die ihn begeistern. Wie 2019 die epochale Unterstützung trotz der Niederlage in Chelsea. „Und es sind im Laufe der Jahre viele wundervolle Freundschaften entstanden – in Frankfurt sowieso, aber auch beispielsweise in Dublin, wo Eintrachtler und Fans der Shamrock Rovers im Fanclub ‚Shamrock Adler‘ beide Vereine unterstützen“, blickt er über das rein Sportliche hinaus. Als politisch denkender Mensch zeigt sich Jörg zudem höchst angetan vom Wandel, den die Eintracht genommen hat: „Früher waren wir in vielen Bereichen eher die Schmuddelkinder, heute ist das völlig anders. Ob es Peter Fischers Haltung gegen Rassismus und Rechtsextremismus ist, die Vernetzung in diesem Sinne in den Gremien oder die Arbeit des Museums – darauf bin ich wirklich unglaublich stolz, auch wenn ich das Wort nicht so gerne in den Mund nehme. Und ich denke, diese Basis, auf der die Eintracht jetzt steht, die bleibt stabil“, ist er sich sicher. Aber dies alles ist nicht vom Himmel gefallen. Dafür braucht es engagierte Menschen, die sich für die Eintracht ins Zeug legen

Text: Axel Hoffmann