„Man sieht den klaren Weg“

Jan Aage Fjörtoft über seinen Vater als Schiedsrichter, Ex-Profis als Trainer und die Entwicklung der Eintracht.

In dieser Ausgabe geht es unter anderem um das Schiedsrichterwesen. Wäre Schiedsrichter für dich eine Option gewesen, wenn du nicht Profi geworden wärst?
Fußballprofi war immer mein großes Ziel, aber schon seit Längerem plädiere ich dafür, dass auch ehemalige Spieler den Schritt zum Schiedsrichter wagen sollten. Gerade jetzt mit dem VAR habe ich immer wieder das Gefühl, dass ein bisschen das Gespür für das Spiel abhanden kommt. Da würde die Erfahrung eines Profispielers sicher guttun. Dem steht in Deutschland allerdings die meiner Meinung nach wenig sinnvolle Altersregelung im Wege. Als prominentes Beispiel fällt mir Manuel Gräfe ein, der für mich der beste Schiedsrichter Deutschlands ist beziehungsweise war. Wegen dieser unsinnigen Regel darf er nicht mehr pfeifen. Wie kann so etwas im Profisport sein? Aber da steckt natürlich auch viel Verbandspolitik dahinter, nicht alles wird rein rational entschieden. 

„Mein Vater ist seit 50 Jahren Schiedsrichter. Er hat mich schon gepfiffen, da gab´s auch mal gelb für mich“ 

Hast du persönliche Berührungspunkte mit dem Schiedsrichterwesen?
Einige, denn ich bin der Sohn eines Schiedsrichters. Früher hat mein Vater mich auch ab und zu gepfiffen, einen Bonus gab es da aber nicht für mich. Im Gegenteil, ich habe von ihm auch schon mal Gelbe Karten gezeigt bekommen. Er war auch Fußballer, aber das war für einen Seefahrer noch schwieriger, denn er hat immer die halbe Saison verpasst. Mein Vater war früher Kapitän eines Versorgungsschiffes auf der Nordsee. Da war er immer abwechselnd sechs Wochen weg und sechs Wochen zu Hause – das klassische Leben der Seeleute. Und wenn er zu Hause war, hat er mit viel Leidenschaft gepfiffen. Das tut er bis heute, obwohl er inzwischen 78 Jahre alt ist! Mittlerweile pfeift er seit fast 50 Jahren. 

Deutlich geläufiger ist die Entwicklung vom Spieler zum Trainer. Genau diesen Weg schlägt gerade Makoto Hasebe ein, dessen Trainerausbildung kürzlich begonnen hat.
Aktuell ist man fast schon die Ausnahme, wenn man als großer Trainer auch eine große Karriere als Spieler vorweisen kann, die Makoto ohne Zweifel hatte. Ich denke da an Tuchel, Mourinho, Flick oder Nagelsmann. Es kam auch schon vor, dass jemand als Spieler Weltklasse war und dann als Trainer grottenschlecht, aber diese Gefahr sehe ich bei Hasebe nicht. Er ist ein guter Typ, hat eine Top-Einstellung zu seinem Beruf und er genießt in Deutschland eine sehr gute Trainerausbildung. Ich traue ihm später einiges zu und wünsche ihm alles Gute. Ein Trainerschein ist generell eine gute Idee, denn dabei lernst du wahnsinnig viel über das Spiel, neue Perspektiven, systematisches Denken und so weiter. Ich selbst habe damals auch diese Ausbildung gemacht, obwohl ich nie vorhatte, als Trainer zu arbeiten. Das würde ich generell jedem Fußballer empfehlen. 

Blicken wir kurz zurück auf die Hinrunde. Es dauerte etwas, bis die Mannschaft in die Spur fand. Welche Rolle spielten Geduld und Zeit?
Als man Oliver Glasner verpflichtete, hat man gleichzeitig auch ein Signal gesetzt, dass man gewisse Dinge ändern und in manchen Bereichen neue Wege gehen möchte. Das braucht natürlich Zeit und die ist ein absolutes Luxusgut im Fußball, das man nur sehr selten bekommt. Dies verdeutlicht ein Blick in die Bundesliga, in der manche erst im Sommer verpflichteten Trainer schon wieder Geschichte sind. Die Eintracht hat sich nach und nach in diese Saison hineingebissen und es wird langsam deutlich, wohin die Reise gehen soll. Mit ein paar guten Ergebnissen konnte man für Ruhe sorgen. Durch die Doppelbelastung war zudem die Trainingssteuerung aus Glasners Sicht nicht immer einfach. 

Worin siehst du ansonsten die Hauptgründe, dass wir ungewohnt lange auf den ersten Saisonsieg warten mussten?
Die Eintracht spielte sich zuletzt durchaus einige Chancen heraus, münzte diese aber zu selten in Tore um. Da hat die Mannschaft noch Luft nach oben. Auch haben bisher noch nicht alle Zugänge eingeschlagen, was allerdings auch nicht zu erwarten war. Spieler wie Jesper Lindström und Jens Petter Hauge sind jung, kommen in ein neues Team und in eine neue Liga. Da ist es normal, dass sie nicht gleich bei 100 Prozent sind. Man sieht aber bei allen, dass sie sich bemühen. Am Willen mangelt es bei keinem. Positiv hervorheben würde ich Rafael Borré, der eine klasse Einstellung hat und wahnsinnig viel arbeitet. Aber auch Kristijan Jakic, der mir im zentralen Mittelfeld richtig gut gefällt. 

Was immer stimmt, ist die Mentalität im Team. Zwischenzeitlich erzielte die Mannschaft in fünf von sechs Spielen noch einen entscheidenden Treffer in der Nachspielzeit.
Daran sieht man, dass die Mannschaft absolut intakt ist. In Fürth haben wir ein schlechtes Spiel gemacht, aber sogar nach dem späten Ausgleich noch einmal zurückgeschlagen. Das war ein wichtiges Ereignis, so was nimmt man gerne mit. Selbst wenn man natürlich auch andersherum argumentieren kann: Warum hat man das Spiel nicht schon vorher entschieden und sich so einige Nerven gespart? Solche Tore kurz vor Schluss belegen zumindest, dass es in der Kabine definitiv stimmt. 

Weihnachten steht vor der Tür, daher zum Abschluss noch die Frage: Was würdest du als Weihnachtsmann der Mannschaft für die Rückrunde unter den Baum legen?
Ich würde mir einen europäischen Lauf wie 2018/19 wünschen, denn das war überragende Werbung für Eintracht Frankfurt. Allgemein wäre es wichtig, dass man einen klaren Weg sieht, den diese Mannschaft beschreitet. Der Kader ist gut und dass Oliver Glasner eine klare Vorstellung vom Fußball hat, konnte man in Wolfsburg deutlich sehen und auch in seinen ersten Monaten bei der Eintracht bereits erahnen. Er steht für einen bestimmten Fußball und wenn sich das Team komplett gefunden hat, wird man dieser Vision Stück für Stück näherkommen. Wenn das möglichst schnell gelingt, wird die Eintracht in der Rückrunde noch von sich reden machen. 

Interview: Markus Rutten 

Jan Aage Fjöroft, 54, hat die Eintracht 1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt bei den Fans nicht nur daher Kultstatus. Er ist ein fußballerischer Weltenbummler, meinungsstark, immer auf dem Laufenden, ein gefragter Experte und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie vor tief verbunden. Das sind Gründe genug für eine regelmäßige Interview-Kolumne mit dem Norweger.