Strassenkicker mit Imotski-Mentalität

Kristijan Jakic fällt mit seinem Spielstil sofort auf. Er kratzt, beißt, kämpft und arbeitet auf dem Platz, seit vergangenem Sommer im Trikot von Eintracht Frankfurt. Der 24-jährige Kroate hat für die berufliche Chance in der Mainmetropole erstmals seine Heimat verlassen. Mit der „Eintracht vom Main“ spricht er anhand von 26 Stichworten mit Anfangsbuchstaben aus dem kompletten Alphabet über seinen verstorbenen Großvater, einen ganz besonderen Ex-Trainer, die Vorzüge von Kroatien und seine Kindheit in einer Kleinstadt, die in seiner Heimat einen außergewöhnlichen Status genießt.

Ante Rebic: Als der Transfer bevorstand, hat sich Ante bei mir gemeldet und gesagt, dass Eintracht Frankfurt für meine Karriere der richtige Schritt sei. Die Eintracht passe als Klub zu mir und meinem Spielstil. Er meinte, ich könne nichts falsch machen. Wir kommen beide aus Imotski, einer kleinen Stadt, und haben beide in Split gespielt. Als Ante bei den Profis war, war ich Jugendspieler. Wir kennen uns also schon sehr lange.

Boban, Zvonimir: Persönlich kenne ich ihn nicht. Aber er war ein sehr guter Fußballer und Kapitän der kroatischen Nationalmannschaft.

Croatia: Kroatien ist mein Heimatland und für mich einzigartig. Ich liebe das Meer und die Küste. Kroatien hat über 1000 Inseln, ich kann sie alle empfehlen. Man fühlt sich überall im Land wohl, egal ob an der Küste oder im Landesinneren.

Dinamo Zagreb: Im Sommer 2020 bin ich zu Dinamo gewechselt und war ein Jahr dort, nachdem ich im vergangenen August nach Frankfurt gekommen bin. Ich habe viele schöne Momente erlebt. Ich habe meine erste Meisterschaft gewonnen, jeder Spieler wird sich immer an seinen ersten Titel zurückerinnern können. Das Achtelfinale in der Europa League gegen Tottenham war auch phänomenal. Wir waren der große Außenseiter und hatten das Hinspiel mit 0:2 verloren. Dass wir das Rückspiel mit 3:0 nach Verlängerung gewinnen und damit noch weiterkommen, war zweifellos ein Highlight meiner Zeit dort. Der Klub an sich verdient viel mehr Wertschätzung. Er bringt als Verein aus einem kleinen Land wie Kroatien jedes Jahr konstant gute Leistung, auch international. Ich wünsche mir, dass Dinamo mehr Anerkennung geschenkt wird.

„Ich könnte in Frankfurt mein ganzes Leben verbringen“

Eintracht Frankfurt: Ich verfolge meine Landsleute immer, unabhängig davon wo sie spielen. Daher kenne ich die Eintracht spätestens aus der Zeit, als Niko Kovac und Ante Rebic hier waren. In den vergangenen Jahren war die Eintracht zudem oft international vertreten, sogar bis ins Halbfinale der Europa League. Das bekommst du natürlich mit. Für mich haben zudem die Fans eine Rolle gespielt, für die Eintracht Frankfurt auch im Ausland bekannt ist. Jeder weiß, dass der Klub geile Fans hat. Als die Anfrage kam, war für mich direkt klar, dass ich das machen will. Das Angebot hat mich sehr geehrt.

Frankfurt: Ich bin beeindruckt von Frankfurt, der Skyline und der Stadt überhaupt. In Frankfurt könnte ich auch mein ganzes Leben verbringen, man hat hier einfach alles. Hier leben viele Kroaten, mit denen ich mich gut verstehe. Nur das Wetter ist nicht so toll. Wenn es etwas wärmer wäre, würde ich mich noch wohler fühlen (lacht). Das wäre der Jackpot für mich. Die ersten drei Wochen habe ich im Hotel gewohnt, dann eine Wohnung gefunden.

Goran Tomic: Goran ist ein sensationeller Mensch und Trainer. Er hat mich unterstützt und bei Lokomotiva aufgebaut, obwohl ich lange verletzt war und es viele Rückschläge für mich gab. Goran war die Person, die mich zu dem Spieler gemacht hat, der ich heute bin. Ich finde es nur schade, dass er bisher nicht die Möglichkeit hatte, einen größeren Klub zu trainieren. Aktuell ist er Trainer bei HNK Rijeka, die ganz vorne dabei sind in der kroatischen Liga. Ich bin mir sicher, dass er und sein Trainerteam in der Lage wären, top Arbeit in einem großen europäischen Verein zu leisten.

Hrustic über Jakic: Espresso, Parfum und Fussballtennis
„Kristijan und ich haben eine super Beziehung, vor allem weil wir aus ähnlichen Ländern kommen. Das verbindet uns hier seit dem ersten Tag. In unserer Freizeit gehen wir zusammen essen und einkaufen, gerne auch mal ein Parfum. Dabei beraten wir uns und tauschen uns über unsere Käufe aus. Oft ist es so, dass wir dem anderen die Parfums nachkaufen. Vor dem Training trinken wir immer gemeinsam einen Espresso, das ist uns wichtig. Dann gehen wir ins Fitnessstudio und trainieren, vor der eigentlichen Einheit auf dem Platz gemeinsam eine oder zwei Runden Linienspiel. Kristijan hat Lukas‘ Platz beim Fußballtennis übernommen. Er ist zwar noch nicht so gut, aber er wird immer besser (lacht). Er ist immer pünktlich, hat ein großes Herz und eine super Mentalität. Wir haben fast die gleichen Einstellungen und sind uns charakterlich sehr ähnlich. Ich denke, dass wir deswegen so gute Freunde sind.“

Hrustic, Ajdin: Die ersten zwei Wochen in Frankfurt waren für mich nicht so einfach, da Ajdin und Filip beide mit ihren Nationalmannschaften unterwegs waren und ich keinen in der Mannschaft hatte, mit dem ich mich verständigen konnte. Als die beiden zurückgekommen sind, wurde ich von ihnen super aufgenommen. Ich konnte nicht glauben, wie toll beide charakterlich sind. Die beiden haben mich mit in die Mannschaft integriert und haben mir geholfen, mich wohlzufühlen. Seitdem fällt es mir hier viel leichter. Über Ajdin kann ich nichts Negatives sagen, obwohl er mein Konkurrent um die Position ist. Ich könnte ihn nachts anrufen und er würde mir immer helfen.

Imotski-Mentalität: Es gibt einen Spruch auf Kroatisch, der sinngemäß besagt, dass die Leute aus Imotski, einem kleinen Ort mit rund 10.000 Einwohnern, als außergewöhnlich bekannt sind. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben, dann gibt es keinen Weg daran vorbei. Man tut alles, kämpft, Rückschläge sind kein Hindernis. Das ist die Imotski-Mentalität, nicht aufzugeben und immer weiterzumachen. Irgendwann kommt die Belohnung.

Jugendfußball: Als Kind und in der Jugend war ich immer Innenverteidiger oder Libero nach dem Motto, einfach die Bälle nach vorne zu schlagen. Als ich zu Imotski gewechselt bin, wurde ich häufiger als Mittelfeldspieler eingesetzt. Letztlich hat Goran Sablic [als Spieler elf Titel mit Kiew und Split, Trainer unter anderem bei RNK Split, in Tiraspol und zuletzt in Sarajevo; Anm. d. Red.] mich dann als Sechser eingesetzt, als ich nach Split in die U17 gewechselt bin.

Kindheit: Mein Vater war auch schon Fußballer im Amateurbereich. Er hatte früher mal die Chance, zu einem großen Verein in Kroatien zu wechseln, hat sich aber letztlich für einen Verbleib in der Heimat entschieden. Dadurch habe ich schon in jungen Jahren den Bezug zum Fußball gefunden. Ich war immer dabei, habe zugeschaut und dann auch angefangen zu spielen, als ich alt genug war. Mein Vater hat mich sehr unterstützt, mich zum Training gefahren und abgeholt. Als Kinder haben wir auch viel auf der Straße gespielt, die Tore wurden mit zwei Steinen gekennzeichnet. So habe ich die Liebe zum Fußball entdeckt. Ich wurde nie gezwungen, es kam einfach von selbst. Mit der Zeit wurde mir klar, dass ich Fußballprofi werden möchte – und nichts anderes machen wollte. Ich denke, da bin ich auf einem guten Weg. Mein Lieblingsfach in der Schule war natürlich Sport.

Leverkusen: Es war für mich phänomenal, als ich mein erstes Tor in der Bundesliga gegen Leverkusen geschossen habe. Aber viel wichtiger ist das Ergebnis: nach einem 0:2-Rückstand noch 5:2 zu gewinnen. Mein Tor, das vierte, war der Knackpunkt, der das Spiel entschieden hat. Es kommt aber weniger darauf an, wer das Tor schießt, sondern dass wir gewinnen. Ich bin sehr froh, dass wir das auf diese Art und Weise gegen Leverkusen geschafft haben.

„Als Kinder haben wir auch viel auf der Straße gespielt, die Tore wurden mit zwei Steinen gekennzeichnet“

Musik: Ich mag eher ruhigere Musik zum Entspannen. Ich höre auch gerne Eminem, aber vor allem kroatische Musik. Zum Beispiel Oliver Dragojevic, eine kroatische Legende, oder die Popband Dalmatino.

Nationalmannschaft: Für mich war die Berufung in die Nationalmannschaft ein unbeschreibliches Gefühl. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Das war wirklich einzigartig. Ein Traum hat sich erfüllt. Gleich bei der ersten Nominierung mein Debüt zu geben, das war grandios, mit Spielern wie Modric, Kovacic, Kramaric und all den anderen auf dem Platz zu stehen, die schon seit Jahren auf Topniveau Weltklasseleistungen bringen. Es gibt ein kroatisches Fanlied, das heißt „Unbeschreiblich“. Genauso ist das Gefühl.

Oliver Glasner: Oliver schätzt mich als Spieler sehr, das finde ich toll. Er hat eine eigene Philosophie des Fußballspielens, die die Spieler erst einmal verinnerlichen mussten. Trotz der Ergebnisse zu Anfang war die Stimmung innerhalb der Mannschaft immer positiv und zuversichtlich. Wenn wir uns jetzt die Tabelle anschauen, zeigt sich darin die Art des Fußballspielens von Oliver. Wir kratzen an den europäischen Plätzen. In die Mannschaft und das Trainerteam setze ich großes Vertrauen.

„Die Tattoos auf meinem Unterarm sind meinem verstorbenem Großvater gewidmet“

Presse und Medien: Ich schaue nicht gezielt, wer was über mich geschrieben hat. Nur wenn ich zufällig etwas finde, lese ich es. Wenn es positiv ist, freut es mich. Aber viel mehr interessiert mich, wenn gut über das Team geschrieben wird. Letztendlich geht es um die Mannschaft und die Leistung. Wenn wir gut spielen, werden wir gelobt und wenn wir schlecht spielen, stehen wir in der Kritik. So ist das Geschäft.

Qualität des Eintracht-Kaders: Wir haben eine tolle Mannschaft mit vielen sehr guten Spielern. Wenn wir so weitermachen wie bisher, bin ich zuversichtlich, dass wir nächstes Jahr auch wieder international spielen können.

RNK Split: Ich habe schöne Erinnerungen an Split. Durch Split habe ich auf den Weg zum Profifußball gefunden, der mich schließlich zur Eintracht geführt hat. Dort habe ich die Unterstützung bekommen und die Spielpraxis gesammelt, um die Entwicklung zu dem Spie - ler zu beginnen, der ich aktuell bin. Leider spielt Split aktuell nicht mehr in der Ersten Liga.

Social Media: Ich nutze Social Media nicht in übertriebenem Maße. Aber wenn ich merke, dass mich mein Handy zu sehr ablenkt, versuche ich, etwas Abstand zu gewinnen und den Fokus wieder auf andere Dinge zu lenken.

Tattoo: Mein linker Arm ist tätowiert. Ich hatte eine sehr enge Verbindung zu meinem Großvater, fast noch enger als zu meinem Vater. Leider ist er bereits verstorben. Mein Unterarm ist ihm gewidmet. Während Corona hat meine Großmutter in Deutschland gelebt und konnte nicht zurück nach Kroatien, sie ist dann hier verstorben. Deshalb sind ihre Hände auf meinem Arm tätowiert. Der Oberarm symbolisiert meinen kämpferischen Lebensweg.

Urlaub: Aktuell reise ich gerne, wenn möglich, nach Kroatien in die Heimat. Generell mache ich dort gerne Urlaub, Kroatien hat wunderschöne Gegenden. Ich liebe das Meer und den Strand dort. Aber ich habe mir auch vorgenommen, etwas außerhalb von Kroatien zu bereisen, sobald Corona es zulässt. Mailand und Dubai zum Beispiel.

Verletzungen: Ich hatte mit etwa 20 Jahren eine größere Verletzung am Oberschenkel. Da musste ich viereinhalb Monate pausieren. Aufgrund dieser Verletzung habe ich mein Leben um 180 Grad gedreht. Ich habe angefangen, auf meine Ernährung zu achten, das war vorher nicht so. Seitdem habe ich keine Verletzungen mehr. Die richtige Ernährung und das richtige Training spielen bei Sportlern eine große Rolle.

Wechsel ins Ausland: Meiner Meinung nach ist es nicht ratsam, zu früh ins Ausland zu wechseln. Man versteht die Sprache nicht, das Niveau ist wesentlich höher als in Kroatien und man ist eventuell auf sich alleine gestellt. Da würde ich lieber etwas später den Schritt ins Ausland wagen, nachdem man ein oder zwei Jahre lang Leistung bei den Profis gezeigt und konstant gespielt hat. Man muss sich erst mal als Spielertyp entwickeln. In meinem Fall war es unbedingt die richtige Entscheidung, dass ich nicht zu früh ins Ausland gewechselt bin. Im vergangenen Sommer war ich bereit für den nächsten Schritt.

X-Box: Ich spiele eher PlayStation, viel FIFA, wie fast jeder. Aber auch andere Spiele.

Yoga: Das ist gar nichts für mich (lacht).

Zagreb: Ich empfehle jedem, sich Zagreb anzuschauen. Zagreb hat viele schöne Ecken, die einen Besuch lohnen. Besonders die Adventszeit, in der es einen Weihnachtsmarkt gibt, der sich durch die ganze Stadt zieht, ist sehr eindrucksvoll. Mein Debüt für Dinamo Zagreb war im Derby gegen Hajduk Split. Die Rivalität zwischen den Vereinen ist vergleichbar mit der zwischen Bayern und Dortmund in Deutschland. Dem neutralen Zuschauer würde ich dieses Derby auf jeden Fall empfehlen. Das sind richtig heiße Duelle.