„10.000 SPRINTS IN ZEHN MINUTEN“

Djibril Sow kam im Sommer 2019 zur Eintracht und ist aktuell aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken. In den Eagles25 gibt er einen Einblick in seine sportliche Entwicklung, aber auch viele private Dinge. Wer noch mehr über Djibi erfahren möchte, dem sei Folge 29 des Podcasts „Eintracht vom Main“ ans Herz gelegt.

Djibi, du hast uns im vergangenen Jahr bei einem Video-Dreh dein damals recht frisches Vaterglück gezeigt. Wie geht’s deiner Tochter heute, sie ist fast ein Jahr alt [zum Zeitpunkt des Interviews; Anm. d. Red.]? Es ist fast schon ein anderes Kind, sie fängt inzwischen an zu laufen. Wenn ich mal drei Tage weg bin und dann zurückkomme, hat sie immer bereits etwas Neues gelernt. Es macht sehr viel Spaß.

Wie schweizerisch bist du eigentlich? Ich bin schon schweizerisch, ich habe fast mein ganzes Leben dort verbracht. Die Schweiz ist ein Land, das sehr auf Ordnung bedacht ist und darauf, dass alles sauber ist. In Frankfurt, vor allem in der Stadt, ist es sehr ähnlich wie in Zürich, der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Für mich ist Zürich die beste Stadt. Meine Schwester würde gerne von dort wegziehen. Ich sage ihr immer, sie soll das tun, dann wird sie merken, dass Zürich wirklich die beste Stadt zum Leben ist.

Was war dein erstes Fußballtrikot? Ein gefälschtes Arsenal-Trikot von Thierry Henry, meinem Lieblingsspieler und Idol. Das habe ich auch sehr oft getragen. Das Trikot habe ich in einem Brockenhaus [Gebrauchtwarenladen in der Schweiz; Anm. d. Red.] gekauft. Wer ist weltweit der beste Spieler auf deiner Position? Es gibt viele verschiedene Spielertypen, da ist es schwer einen herauszupicken. Kevin de Bruynes Einfluss auf die Mannschaft von Manchester City finde ich unglaublich. Er ist faszinierend.

Wo machst du gerne Urlaub? Ich mache gerne Städteurlaube. London ist eine meiner Lieblingsstädte. Zuletzt war ich 2019 dort. Ich hoffe aber, dass ich bald mal wieder hinkann.

Was ist dein Lieblingsessen? Mein Lieblingsessen ist ein senegalesisches Gericht mit Reis, Fleisch und viel Öl. Das ist so üblich in Afrika. Mein Vater hat das immer gekocht und es ist wirklich sehr lecker. Es heißt Thiebou Yapp. Selbst kann ich es leider nicht zubereiten, da afrikanische Gerichte oft nach Gefühl gekocht werden. Deshalb ist es schwierig nachzumachen.

Dein liebster Ort in Frankfurt? Mein liebster Ort in Frankfurt ist aktuell die Mörfelder Landstraße 362. Ich bin oft im Stadion. Ansonsten bin ich gerne bei mir in Sachsenhausen. Das ist eine wirklich schöne und ruhige Ecke und man kann dort gut spazieren gehen.

In welcher Musikgruppe wärst du gut aufgehoben? Ich glaube, G-Unit von früher, mit 50 Cent. Die fand ich immer sehr cool. Sie haben sich aufgelöst, deshalb ist das kein Thema mehr. Ich höre hauptsächlich R’n’B, HipHop, Black Music, Afrobeats, alles in diese Richtung.

Deine Erinnerungen an dein erstes Profispiel? Das war mit Gladbach, im Pokal gegen Stuttgart. Da durfte ich für die letzten fünf oder zehn Minuten aufs Spielfeld. Das war wie ein Traum, auf den ich 18 Jahren lang hingearbeitet habe. Dann war es endlich so weit. Vor 40.000 Zuschauern zu spielen, das war wirklich ein schöner Moment. Ich war damals 18 Jahre. Ich glaube, in diesen zehn Minuten habe ich 10.000 Sprints gemacht, weil ich so überdreht war.

Was war dein Berufswunsch als Kind? Ganz früh war das schon Fußballprofi. Wir haben immer Fußball gespielt, in der Pause, nach der Schule. Dann bin ich ins Training. Ich hatte nur Fußball im Kopf. Das hat mir vermutlich auch geholfen, das Ziel zu erreichen.

Was war dein bisher schönster Sieg? Da gibt es einige. Das 5:1 gegen Bayern ist ganz weit oben, da habe ich mein erstes Tor für die Eintracht gemacht. Dieses Spiel werde ich sicherlich nicht vergessen.

Berge oder Seen? Seen. Der Zürichsee in erster Linie.

Roger Federer oder DJ Bobo? Natürlich die Legende Roger Federer. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich ihn mal kennenlernen würde.

Kann die Schweiz ein Geheimtipp bei der WM sein? Können wir auf jeden Fall. Wir haben in den vergangenen Jahren eigentlich immer gut performt. Es war dann manchmal so, dass wir gegen Mannschaften, die auf Augenhöhe oder sogar etwas schwächer waren, verloren haben. Gegen die großen Mannschaften haben wir aber immer super Spiele gemacht und gut mitgehalten. Deswegen denke ich, dass wir bei der WM eine Rolle spielen können.

„Der Trainer sagt mir vor jedem Spiel: ‚Djibi, bitte bleib zu 90 Prozent hinter dem Ball“ – Djibril Sow –

Wie definierst du deine Rolle in der Nationalmannschaft? Die Konkurrenz auf deiner Position ist ja groß. Die Konkurrenz ist sehr groß. Meine Mitspieler spielen gut und performen jede Woche bei ihren Klubs und in der Nationalmannschaft. Deswegen ist es für mich sehr schwierig zu spielen. Ich kann es nachvollziehen, wie der Trainer entscheidet. Aber als Fußballer möchte ich natürlich immer spielen. Mein großer Traum ist es, bei einer Endrunde tatsächlich zu spielen und der Mannschaft zu helfen. Ich bin aber mit 24 Jahren noch jung genug, dass ich das Glück habe, bei noch zwei oder drei Turnieren dabei sein zu können.

Die Nationalmannschaft der Schweiz wird kontrovers gesehen. Es gab eine Debatte über zu wenig Demut und Bescheidenheit, große Autos und Friseurbesuche im Trainingslager. Hat euch das zusammengeschweißt? Ja, sehr. Die Stimmung der Mannschaft war immer gut, aber damals haben die Resultate nicht gestimmt. Dann sind diese Sachen noch dazu gekommen. Unser Gefühl als Spieler war aber, dass manche Leute gegen uns sind und wollten, dass wir versagen. Ich glaube, das hat uns noch mehr verbunden. Und dann sind wir explodiert. Das hat gezeigt, was für eine Mentalität und Willensstärke in unserer Mannschaft steckt. Jeder kommt und gibt alles für die Schweiz. Dass wir so gesehen wurden, hat uns auch verletzt. Ich bin natürlich froh und stolz, dass wir das Gegenteil beweisen konnten.

Ihr habt sehr viele Spieler mit Migrationshintergrund. Sowohl gebürtige Schweizer als auch Einwandererkinder. Ist das auch ein Thema der Identität? Es gibt keinen Nationalspieler in der Schweiz, der sich nicht mit der Schweiz identifizieren kann. Natürlich gibt es Spieler, die eine starke kulturelle Verbindung zu ihrem ursprünglichen Heimatland haben. Aber trotzdem identifizieren sie sich und geben alles für das Team. In der Nationalmannschaft sind wir alle Schweizer. Wir haben dieselben Macken, dieselbe Sprache.

Fußballprofis haben eine unglaubliche öffentliche Wahrnehmung. Fühlst du dich da fair behandelt? In Deutschland ist es nochmal anders als in der Schweiz. Als die Impfdebatte um Joshua Kimmich begonnen hatte, wusste ich, dass das ein großes Thema wird. Die Spieler sind hier so im Fokus. Aber Kimmich ist kein Politiker, er ist Fußballspieler und hat für sich als Mensch eine Entscheidung getroffen. Da finde ich es nicht fair, wenn man so auf ihn eintritt.

Wie hilfst du den neuen Spielern bei der Integration? Ich sage nicht ständig etwas, ich möchte die neuen Spieler auch nicht nerven. Aber ich habe schon gesehen, dass sie sich zu Herzen nehmen, wenn ich mal was sage. Speziell bei Jesper Lindström hat man gesehen, dass er von Spiel zu Spiel mehr an sich geglaubt hat. Dafür hat er sich belohnt. Das freut mich sehr.

Hast du deine Spielweise verändern müssen oder können unter Oliver Glasner? Der Trainer sagt mir vor jedem Spiel: „Djibi, bitte bleib zu 90 Prozent hinter dem Ball.“ Es ist komisch, dass ich erst jetzt diese Torgefahr ausstrahle. Ich habe jetzt drei Tore gemacht, zwei sind nach einem zweiten Ball gekommen. Das hat auch mit der Positionierung zu tun, wie wir uns verhalten, wenn wir vorne in der Box sind. Da möchte ich nochmal einen Schritt unter Oliver Glasner machen.

Gibt es eine Liga oder einen anderen Klub, der dich reizen würde? Tatsächlich ist die Premier League mein großer Traum, schon von klein auf. Thierry Henry war auch mein Lieblingsspieler. Aber seit meinem Karrierebeginn hätte ich nie gedacht, dass ich mal zu Gladbach komme, dass ich die Meisterschaft gewinne mit den Young Boys und dass ich mal bei Eintracht Frankfurt spiele. Ich bin sehr zufrieden damit, wie meine Karriere verläuft. Deshalb kann ich gar nicht sagen, was mein Traum oder mein Ziel für die Zukunft ist. Ich nehme alles so, wie es kommt. Zurzeit bin ich sehr glücklich.

Was brauchst du, um dich in einer Stadt privat und beruflich wohlzufühlen? Vor allem Ruhe, deshalb wohne ich auch immer etwas außerhalb. Nach dem ganzen Trubel von den Spielen möchte ich abschalten. Außerdem möchte ich gut essen gehen oder eine Shoppingtour machen können. Das ist alles in Frankfurt gegeben, deshalb bin ich hier sehr glücklich.

Wann ist dir die Eintracht zuerst begegnet? Ich habe früher schon die Bundesliga verfolgt. Damals ist mir vor allem Theofanis Gekas in Erinnerung geblieben. Er hat immer geknipst, so wie Fußballgott Alex Meier. Das waren die ersten Momente, in denen mir die Eintracht aufgefallen ist. Die Geschichte der Krebserkrankung von Marco Russ war auch in der Schweiz eine.

Was war dein schönster Eintracht-Moment bisher? Das 5:1 gegen die Bayern, aber auch der 5:2- Sieg gegen Leverkusen in dieser Saison. Da war einfach alles drin und das Ende war grandios.

Welchen Moment würdest du gerne streichen bei der Eintracht? Die letzten sechs Spiele der Rückrunde 2020/21 würde ich gerne nochmal spielen. Die waren eine Enttäuschung für uns Spieler, da wir viel investiert hatten für ein großes Ziel, das wir dann leider verpasst haben.