Curling – Das Teamgefüge im Mittelpunkt
Kaum eine Wintersportart erfreute sich im Laufe der vergangenen Jahre eines solchen Wachstums wie Curling. Jens Herber steht schon seit mehr als zehn Jahren für die Eintracht auf dem Eis und erzählt der EvM-Redaktion unter anderem von internationalen Erlebnissen, aus welchem Grund der Besen benötigt wird und von der allerwichtigsten Regel im Curling.
Jens herber über…
… die Regeln beim Curling:
Curling wird nach „Ends“ gespielt. Im Breitensport findet
man häufig die Variante mit sechs „Ends“, im Profisport bewegt man sich bei
zehn „Ends“. Jedes Team hat acht Steine und bei einem herkömmlichen Curlingend
(vier Spieler pro Team) können maximal acht Punkte erreicht werden. Im Curling
geht es darum, so viele Steine wie möglich zum Spielfeldmittelpunkt, dem Haus,
zu bringen und alle Steine, die sich am Mittelpunkt befinden, werden gerechnet,
wenn sie nicht durch einen gegnerischen Stein unterbrochen werden. An erster
Stelle wird ein Spiel danach entschieden, wer mehr Punkte hat. Wenn
Punktgleichheit herrscht, wird geschaut, wer mehr „Ends“ gewonnen hat. Wenn
auch hier Gleichheit herrscht, entscheiden die Steine.
… die Konstellation in einem Team aus vier Personen:
Es gibt einen Teamkapitän, der im Curling „Skip“ genannt
wird. Der „Skip“ steht oben am Haus und hat bei den ersten sechs Steinen
eigentlich nichts anderes zu tun, als dort zu stehen und anzuzeigen, wohin
gespielt werden soll. Damit entscheidet er die taktische Ausrichtung und gibt
den anderen drei Spielern entsprechende Anweisungen. Als Erstes kommt dann der
„Lead“. Ein „Lead“ sollte dem gegnerischen Team Stärke demonstrieren, dem
„Skip“ die Grundsteine dort hinlegen, wo sie hinsollen, und gleichzeitig dem
Gegner so präsentieren, dass es schwer ist, erstmal an diesem Stein
vorbeizukommen. Der Zweite wird „Second“ genannt und muss schnelle Steine legen
können, um so bis zu drei gegnerische Steine aus dem Spiel zu nehmen. Die
Nummer drei („Third“) wird mit einer Person besetzt, die pfiffige Ideen haben
muss, um dem Spiel eine komplett andere Richtung geben zu können. Der „Skip“
muss dann eigentlich nur noch den Legestein in die Mitte vom Haus legen.
Eigentlich müssen also die drei Teamkollegen zuvor die Arbeit machen, sodass
der „Skip“ kaum noch etwas zu tun hat.
… das, worauf es beim Curling ankommt:
Curling gehört wie Golf oder Bogenschießen zu den
Präzisionssportarten. Neben Präzision und Konzentration wird auch Ausdauer
benötigt, auch wenn das meistens belächelt wird. Die erste Frage, die häufig
gestellt wird, ist: „Schwitzt man beim Curling?“ Curling ist auf jeden Fall ein
Leistungssport, wenn man bedenkt, dass ein Spiel etwa zwei Stunden dauert, mit
dem Besen das Eis behandelt und mit vollem Körpereinsatz hoch- und
runtergewischt wird. Das Wichtigste ist aber die Präzision.
... den Reiz am Curling:
Das Schöne am Curlingsport ist das Teamgefüge. In der Regel
besteht ein Team aus Freunden, die sich untereinander kennen und verstehen. Curling
findet also auf zwei Ebenen statt: „on ice“ und „off ice“. Ich bin selbst wegen
dem, was „off ice“ passiert, zum Curling gekommen. Beim Curling verhält man
sich generell sehr wohlgesonnen den anderen gegenüber und lernt so auch viele
Leute international kennen. Verständigt wird sich manchmal mit Händen und
Füßen, aber es macht Spaß.
… die Ausrüstung als Spieler:
Zur Standardausrüstung bei einem Curlingspieler
beziehungsweise einer -Spielerin gehören die Steine, Schuhe und der Besen. Die
Steine werden vom Verein gestellt, Schuhe und Besen sind selbst mitzubringen.
Die Schuhe sind nochmal extra mit einer Thermobeschichtung verkleidet, weil
eine Partie rund zwei Stunden dauert, die auf dem Eis verbracht werden. Wenn
man beispielsweise rechtshändig ist, ist die linke Schuhsohle glatt. Die Sohle
besteht dann in den meisten Fällen aus Teflon und die andere Schuhsohle sieht
vom Profil her aus wie ein Hallenschuh. Das Hallenschuhprofil stoppt und die
glatte Sohle wird für das „Sliden“ bei der Abgabe oder für das Wischen, wenn
der Stein begleitet wird, benötigt. Mit dem Besen kann die Reibung vom
Curlingstein zum Curlingeis reduziert werden, sodass der Stein weiter in
Bewegung ist.
… die Möglichkeit, Curling auf anderem Untergrund zu
spielen:
Von der World Curling Federation gibt es entsprechende
Programme und Equipment, dass auf Teppichen, die eine eisähnliche Oberfläche
simulieren, gespielt werden kann. Dazu gibt es dann auch Steine, die unten mit
Rollen ausgestattet sind. Das ist aber alles noch in der Beta-Version.
... den Einfluss der Pandemie auf den Sport:
Die Pandemie hat Curling und das Gemeinschaftsgefühl arg
beeinflusst. Beim Curling gibt es zum Beispiel einen „Code of Ethics“, der
global gilt und besagt, dass das Siegerteam das Verliererteam immer auf einen
Drink einladen muss. Diese Regel ist genauso wichtig wie beispielsweise das
Shakehands zu Beginn des Spiels. Das, was „off ice“ passiert, wird generell von
jedem Curler intensiv gepflegt und vieles ist durch die Pandemie
kaputtgegangen. Hallen hatten geschlossen, der Trainings- und Spielbetrieb
setzte aus, das Shakehands wurde ersetzt und auch das anschließende
Zusammensein fiel häufig aus.
… Curling in der öffentlichen Wahrnehmung:
In ganz Deutschland gibt es keine 20 Curling-Vereine und
keine 1000 Mitglieder. Wenn Curling im Fernsehen geschaut wird, wird leider
häufig nur das „on ice“ wahrgenommen. Das reine „Competition Curling“ zeigt
nicht die Welt beim Breitensport, den wir betreiben. Die Norweger haben das bei
den Olympischen Spielen ein bisschen aufgeheitert, indem sie mit total bunten
Zirkushosen gespielt haben. Das war mal ein kleiner Zünder für Leute, die
Curling als so grau betrachten. Denn auch bei uns gab es danach viele Anfragen
von Interessenten, die das gesehen haben. Vielleicht tun noch mehr schräge
Vögel dem Leistungssportbereich gut, um zu zeigen, dass wir einen lustigen
Sport betreiben, der nicht so ernst ist, wie es im Fernsehen scheint. Nach den
Olympischen Spielen in Peking wird es bei uns auch sicherlich wieder losgehen.
… seine Anfänge bei Eintracht Frankfurt:
Ich habe Curling 2009 im Fernsehen gesehen und mich gefragt,
was die da überhaupt machen. Danach habe ich gegoogelt und gesehen, dass
Eintracht Frankfurt seit 2006 Curling anbietet und habe das dann ausprobiert.
Ich war gerade zwei Mal beim Schnuppertraining und schon kam ein Frankfurter
auf mich zu und hat gefragt, ob ich am Wochenende mit zu einem Curlingturnier
nach Luxemburg kommen möchte. So schnell ging das.
… die Verbundenheit zur Eintracht:
Ich bin in Frankfurt geboren und schon als kleiner Bub in
den G-Block zu Fußballspielen der Eintracht gegangen. Umso mehr habe ich mich
dann selbstverständlich gefreut, als ich 2009 gesehen habe, dass Eintracht
Frankfurt Curling anbietet. Die Eintracht ist ein top Verein und es macht
einfach Spaß, herumzureisen und diese Farben und den Adler zu repräsentieren.
„Ich bin sehr stolz darauf, dass wir bei Eintracht Frankfurt sehr inklusiv sind. So richten wir auch unsere Curling-Philosophie aus“
… die Werte, für die Eintracht Frankfurt steht:
Mir fällt als Erstes Freundschaft ein. Seitdem ich denken
kann, verbinde ich die Eintracht damit, etwas mit Freunden zu unternehmen und
so ist es jetzt ja auch beim Curling. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir bei
Eintracht Frankfurt sehr inklusiv sind. So richten wir auch unsere
Curling-Philosophie aus. Wir haben Rollstuhl-, Gehörlosen- oder
Fußgänger-Curler und Sportler aus verschiedensten Herkunftsländern mit
verschiedensten Religionen und Geschlechtern. In Deutschland hatten wir das
erste Curlingturnier, das inklusiv ausgetragen wurde. Diese Vielfalt
repräsentieren wir stolz.
… das Programm über den Winter:
Die Curlingsaison beginnt im Oktober und endet im Mai. Ab
Oktober fangen wir mit dem Training an und im November richten wir immer unser
eigenes Turnier aus, den Bembel-Cup. Ansonsten ist es so, dass jede Saison
immer wieder neu gewürfelt ist und man in dieser Zeit viele E-Mails mit
Turniereinladungen von all den Leuten bekommt, die man international mal
kennengelernt hat. Im November ist auch meistens die Europameisterschaft im
Curling, durch die viele Schnupperer dazukommen, mit denen wir dann auch
versuchen, auf Reisen zu gehen und Turniere zu spielen.
… besondere Erlebnisse:
Wir haben mal an einem „Whiskey & Curling Tournament“ in
Schottland teilgenommen. Da sind wir morgens in die Destillerie gefahren, haben
ein Whiskey-Tasting gemacht und sind danach in die Eishalle, um Curling zu
spielen. Wir haben auch vor einigen Wochen mit Freunden aus Colorado, die wir
bei einem Turnier in Nordisland kennengelernt haben, an einem Curlingturnier in
St. Moritz teilgenommen. Wir hatten bei dem Turnier in Nordisland gegen ein
amerikanisches Team gespielt und danach mit ihnen zusammengesessen. Dabei
hatten wir so einen Spaß, dass wir mit ihnen seither regelmäßig spielen.
… Möglichkeiten für interessierte Schnupperer:
Was wir bei der Eintracht wollen, ist vor allem mehr Jugend.
Junge Leute, die genauso viel Spaß an dem Sport haben, wie ich damals hatte und
immer noch habe. Interessierte brauchen kein Curling-Equipment, bei uns ist
alles massig vorhanden. Wir haben viele „Slider“, die man unter normalen
Schuhen befestigen kann, sodass keine Curlingschuhe nötig sind, und viele
Besen. Wir bitten nur darum, sich für das Schnuppertraining online anzumelden,
damit wir noch einen Infozettel verschicken können, in dem alle wichtigen Infos
zusammengefasst sind.
Kontakt: E-Mail Mariia Rauhala (Spartenleiterin Curling): mariia.rauhala@gmx.de; Anmeldebogen Schnuppercurling: http://sge.de/curling