Fanabteilung trifft – Susann Witzel

Bunt ist sie, die Eintracht-Welt, voller Geschichten und Erlebnisse – nicht nur auf dem Platz, sondern vor allem auch abseits des Spielfelds. Getragen werden diese Geschichten durch die Fans und Mitglieder der Eintracht. Eines davon ist Susann Witzel.

Aufgewachsen ist Susann im Erzgebirge, doch weder ihre Mutter noch ihr Vater waren fußballbegeistert. Zwar besuchte ihr Vater zuweilen die Spiele in Aue, doch die ganz große Verbundenheit ist zeitlebens ausgeblieben. Als Susann älter wurde, geriet sie über Freunde in den Dunstkreis von Erzgebirge Aue, fuhr hin und wieder auch mal auswärts mit oder organisierte Fanclub-Turniere, doch im Vordergrund stand weniger der Verein als die Geselligkeit. Nach Abi und Studium verschlug es sie ins Schwabenland, zunächst in den Umkreis von Stuttgart, später in die württembergische Hauptstadt selbst – wo sie heute noch lebt. „Aber mein großes Ziel ist es, eines Tages nach Frankfurt zu ziehen“, lacht sie.

Natürlich lernte sie mit den Jahren auch über den Job viele Fans des VfB kennen. „Ich bekam mal eine Karte für ein Spiel des VfB in die Hände gedrückt, auswärts bei den Bayern. Damals bin ich sogar im Fanzug mitgefahren. Doch ich erkannte schnell, dass der VfB nicht meine Liebe wird“, erklärt sie grinsend. Später ist ihr Michael über den Weg gelaufen, mit dem sie heute noch zusammenlebt – eine auch für ihr Verhältnis zur Eintracht schicksalhafte Begegnung. Michael, der aus dem Norden Hessens stammt, war und ist glühender Eintracht-Fan. 2011 organisierte Susann auf abenteuerlichen Wegen zwei Tickets für ein Heimspiel gegen St. Pauli – und diese Tickets waren zufällig Plätze auf dem Oberrang der Nordwestkurve. Es sollte der Tag werden, an dem sich die Eintracht Susann schnappte. Was (wenig verwunderlich) weder Erzgebirge Aue noch der VfB Stuttgart geschafft hatten, gelang Eintracht Frankfurt mühelos: „Der Klub hat mich gefunden, man kann es nicht anders sagen“, lacht Susann, die sich fortan auf verschlungenen Wegen Tickets für die Spiele organisierte. „Regulär waren Karten ja kaum zu bekommen, aber wir haben immer einen Weg gefunden. Manchmal sind wir auch ohne Tickets auswärts gefahren – und bis auf ein Spiel in Hoffenheim, hat es immer geklappt“, erinnert sie sich. 2013 wurde sie Mitglied in der Fanabteilung.

Als die Eintracht zur Saison 2013/14 das Dauerkartenkontingent dezent aufstockte, zählte sie zu den Glücklichen, die eine der wenigen Karten ergattern konnte. „Mein Platz ist fast genau der gleiche, auf dem ich damals gegen St. Pauli gesessen habe“, freut sie sich. Und so wurde aus dem Mädchen aus dem Erzgebirge peu à peu ein „Frankfurter Mädsche“, das regelmäßig ins Herz von Europa pilgert und natürlich auch nach Europa selbst, um ihre Eintracht zu sehen. Mit den Jahren hat sie jede Menge Eintrachtler kennengelernt. „Mein Vater hat mich vor Jahren zu Twitter gebracht, Julia war die erste, die mir folgte. Über sie bin ich schnell in der großen Eintracht-Community gelandet und dadurch auch ans Gleisdreieck gekommen“, kann sich Susann noch gut an die frühen Tage erinnern. „Vor Corona waren wir oft dort – und als ich noch keine Dauerkarte hatte, haben wir meist am Gleisdreieck oder bei den Ultras noch Karten organisieren können“. Ein weiterer Treffpunkt wurde der Schoppe-Otto an der Konstablerwache.

Eine ganz besondere Beziehung hat Susann zu ihrem 2016 verstorbenen Vater. 2015, als es ihm schon gesundheitlich schlechter ging, stand er an ihrer Stelle beim Zweitrunden-Pokalspiel in der alten Heimat bei Erzgebirge Aue in der Eintracht-Kurve. Sie selbst hatte zwar ein Ticket, doch ihr Arbeitgeber strich ihr für jenen Dienstag den Urlaub. „Es war neblig, aber es war schön. Für meine Tochter gehe ich da gerne rein“, meinte ihr Vater anschließend. „Das ist wohl meine emotionalste Erinnerung, wenn es um die Eintracht geht“, gesteht sie wehmütig.

Deutlich ist auch die Erinnerung an die Partie in Chelsea, als nach dem unglücklichen Aus im Elfmeterschießen die Anhänger des siegreichen Londoner Clubs nahezu fluchtartig das Stadion verließen und man erst dann erkannte, wie viele Eintracht-Fans tatsächlich im Stadion verweilten. Ebenso bleibt der Pokalsieg 2018 nicht unerwähnt – auch wenn Susann unumwunden zugibt, dass sie das Pokalfinale 2017 womöglich noch aufregender fand. „Vielleicht, weil es das erste Finale für mich war – und ich alles zum ersten Mal erlebte. 2018 hatte Michael einen Mietwagen organisiert, er hatte es im Blut, dass die Eintracht den Pokal holt. Und so sind wir am nächsten Tag nach Frankfurt gefahren. Auf den Römerberg haben wir es zwar nicht mehr geschafft, aber in der Nähe stand eine Leinwand. Dort haben wir gefeiert.“ Ausflüge nach Berlin sind für Susann sowieso etwas Besonderes, die Treffen in der Gühlampe mit Freunden des EFC Adler Berlin, die Mispelchen in der Bembelbar, die vielen Adler in der S-Bahn auf dem Weg ins Olympiastadion. „Das ist wie eine große Familie, richtig genial. Die Auswärtsfahrten sind sowieso immer großartig. Du hast deine Freunde, alle sind gleich, egal ob arm oder reich. Alle haben die gleiche Liebe zur Eintracht, das liebe ich auch am Fußball“, gerät Susann ins Schwärmen. Große Stücke hält sie zudem auf Peter Fischer und dessen entschiedenes Entgegentreten gegen rechte Hetze.

„Die Eintracht ist eine Wundertüte – mal fliegt sie in der ersten Runde aus dem Pokal, mal zieht sie durch Europa. Ein echtes Überraschungspaket, wofür wir sie ja auch lieben, in guten wie in schlechten Zeiten“, bilanziert Susann am Ende unseres Gesprächs und stellt klar: „Ich muss Michael wirklich dankbar sein, dass er mich zur Eintracht gebracht hat.“ Dieser hat unterdessen eine alte Eintrittskarte gefunden: Eintracht Frankfurt – SSC Neapel. Saison 1994/95. Lang ist‘s her.

Text: Axel Hoffmann