Wie Pfeil und Bogen

Von Klopp gesichtet, unter Skibbe gereift, gegen Guardiola debütiert. Ansgar Knauff hat früh viele Fügungen erlebt. Doch mit Glück allein ist sein Werdegang nicht zu erklären. Seit Januar ist der 20-Jährige ein Adlerträger.

Text: Daniel Grawe
Fotos: Bianca Jockel, Max Galys, Felix Leichum

20. März 2021, Köln. Im RheinEnergieSTADION führt der 1. FC Köln kurz vor Schluss 2:1 gegen Borussia Dortmund. Die Gäste setzen zum letzten Angriff an, ein zehn Minuten zuvor eingewechselter Teenager namens Ansgar Knauff kommt an der rechten Außenbahn an die Kugel, legt sich das Leder weit vor, tritt an, Gegenspieler Noah Katterbach sieht nur die Rücklichter. Flache, scharfe Hereingabe auf Erling Haaland – 2:2. Ein Punkt für beide, ein Einstand nach Maß und nicht zuletzt eine Szene, die beispielhaft für die offensichtlichsten Vorzüge des 20-Jährigen stehen: Antritt, Geschwindigkeit, Übersicht.

Dass Knauff sein Bundesligadebüt ausgerechnet gegen den Effzeh veredeln konnte, führt zwangsläufig zum Werdegang, den der Frankfurter Winterneuzugang bis zu seiner Leihe an den Main nahm. Denn nachhaltig ins Blickfeld der sportlich Verantwortlichen des BVB spielte sich Knauff in seinem letzten B-Jugend-Jahr. Mit der U17 gewann er 2019 die Staffel West, verhalf seinem Team in den Halbfinals der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft gegen den VfL Wolfsburg mit einem Treffer und drei Assists zur Endspielteilnahme und trumpfte schließlich im Finale mit einem unnachahmlichen Solo inklusive Tor zum zwischenzeitlichen 2:2 auf. Endergebnis 2:3 – gegen die Altersgenossen aus Köln. Trotzdem, die im Stadion Rote Erde zusehenden Michael Zorc und Lars Ricken behielten ihr Eigengewächs im Blick. Dabei waren der Sportdirektor und der Nachwuchskoordinator gar nicht die ersten schwarz-gelben Entscheidungsträger, die den flinken Außenbahnakteur zu Höherem berufen sahen.

Rückblende: Angefixt von der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land fasste Ansgar Knauff als Vierjähriger in seiner Heimatstadt bei den Bambini der SVS Göttingen Fuß. Er fand Gefallen und vor allem gefiel er mit seinen Anlagen den anderen. Besonders einem: Jürgen Klopp. 2014 nahm die Spielvereinigung 07 am von einem BVB-Sponsor organisierten Family Cup in Kamen teil. Knauff spielte groß auf, avancierte zum besten Spieler. Die Auszeichnung übergab Schirmherr Klopp höchstpersönlich, obendrauf gab es ein Paar Fußballschule von Marco Reus – und eine Einladung zum Probetraining in der U13 der Westfalen.

Aufgrund der großen räumlichen Distanz blieb der Sohn einer alleinerziehenden deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters 2015 zunächst in Niedersachsen und versuchte sein Glück bei Hannover 96. Schon ein Jahr darauf folgte doch die Entscheidung, den Weg in den Westen der Republik zu suchen. Mit 15 Jahren kam Knauff im Internat des Vizemeisters unter.

Absehbar war der Steilflug seinerzeit nur bedingt, denn das Talent hatte bei allen technischen Fertigkeiten mit Wachstumsproblemen zu kämpfen. Doch die Gene spielten mit, mittlerweile misst Knauff 1,80 Meter. Auch auf dem Feld wirkte der Rechtsfuß in der Folge wie ein ellenlang gespannter Bogen, dessen Pfeil geradlinig den Weg nach vorne suchte, nur ohne Entschleunigung. In der U19 kam Knauff in der ersten Spielzeit, zumal als Jungjahrgang, auf 26 Pflichtspiele, darunter sieben in der UEFA Youth League. Gegen den FC Internazionale Milano sorgte er mit zwei Buden im Alleingang für den 2:1-Sieg. Nachwuchstrainer war übrigens der ehemalige Eintracht-Chefcoach Michael Skibbe, der mit Blick auf seine damaligen Schützlinge wie Youssoufa Moukoko, Immanuel Pherai, Alaa Bakir, Giovanni Reyna und Ansgar Knauff im Juni gegenüber transfermarkt.de schwärmte: „Junge Spieler sind oft frech, mutig und können dadurch besonders gut Dinge verändern. Man sieht [...], dass sie absolut die Qualität haben, auch in einer so starken Mannschaft Fruchtbares beizutragen.“

Die Belohnung ließ nicht lange auf sich warten. 2020 nominell vor seinem zweiten A-Jugend-Jahr stehend, nahm Lucien Favre den Hoffnungsträger in die Sommervorbereitung der Profis auf. Ende November erhielt Knauff seinen ersten Lizenzspielerkontrakt und schnupperte nach mehreren Empfehlungsschreiben in der U23 im Dezember schließlich Profiluft. Noch dazu in der UEFA Champions League, als der damals 18-Jährige beim 2:1-Auswärtssieg bei Zenit St. Petersburg in der Schlussphase mitmischen durfte.

„Eintracht Frankfurt ist ein Verein mit einer großen Geschichte, spielt eine sehr starke Saison und guten Fußball. Die Spielweise gefällt mir. Ich freue mich, Teil des Ganzen zu sein“

Ein Highlight zweifelsohne, das der Jahreswechsel dennoch toppen sollte. Startelfpremiere unter Interimstrainer Edin Terzic im Viertelfinale der Königsklasse Anfang April gegen Manchester City, Nachschlag im Rückspiel, als Knauff erneut mehr als eine Stunde auf dem Platz stand. Dass beide Partien gegen den späteren Finalisten um Josep Guardiola ebenso 1:2 verloren gingen wie kurz zuvor das Gastspiel bei Eintracht Frankfurt, wusste der Newcomer rasch abzuschütteln. Im selben Monat in Stuttgart für Marco Reus – der Kreis zum Family Cup 2014 schließt sich – eingewechselt, erzielte der zweimalige U21-Nationalspieler mit seinem ersten Profitreffer den 3:2-Endstand.

Gefragt war der in der Spitze bis zu 34,4 Kilometer pro Stunde schnelle Knauff weiterhin auch im Regionalligateam, wodurch er nach seinem ersten Jahr im Seniorenbereich zwei Mannschaftserfolge feiern durfte: Zum einen die Meisterschaft mit der U23 und den damit verbundenen Aufstieg in die Dritte Liga, zum anderen den Gewinn des DFB-Pokals in Berlin.

Ein Muster, das sich nun durch die vergangene Hinrunde zog. Ob Dritte oder Erste Liga, nationaler oder internationaler Pokal, Knauff war überall am Ball. Ab sofort und für die nächsten 18 Monate im Herzen von Europa. Kurz nach seiner Ankunft im ProfiCamp im Deutsche Bank Park kündigte der Neuankömmling an, „alles zu geben, um unsere Spiele zu gewinnen und bestmöglich in allen Wettbewerben abzuschneiden“. Die Voraussetzungen dafür sieht Knauff gegenüber EintrachtTV gegeben: „Eintracht Frankfurt ist ein Verein mit einer großen Geschichte, spielt eine sehr starke Saison und guten Fußball. Die Spielweise gefällt mir. Ich freue mich, Teil des Ganzen zu sein.“

Auch weil sich der Ansatz der Adlerträger mit den eigenen Stärken decke, wie er ausführt: „Ich denke, ich kann mich hier gut integrieren, um mein Tempo über die Außen auszuspielen und nach Ballgewinnen schnell in die Tiefe zu kommen.“

Erstmals im Trikot der Adlerträger lief er im Testspiel gegen den 1. FSV Mainz 05 auf, 64 Minuten beackerte er die rechte Seite. Sein Pflichtspieldebüt für die Eintracht feiert er eine Woche später in Stuttgart.