„Wir setze auf die Region“
Maximilian Brömel, eSports-Koordinator bei Eintracht Frankfurt, ist von Beginn an dabei und hat den eSports-Bereich aufgebaut. Im Interview mit der EvM-Redaktion spricht er über die Entwicklung, Herausforderungen, besondere Momente und die Ziele für die Zukunft.
Welche Herausforderungen gab es zwischen der ersten Idee
und der offiziellen Eröffnung der Abteilung zu bewältigen?
Es gab von Anfang an viel zu tun. Wir haben immerhin bei
null mit großen Ambitionen angefangen. Ich persönlich musste zunächst die Strukturen
von Eintracht Frankfurt kennenlernen. Ich komme ursprünglich nicht aus
Frankfurt und kannte den Verein nur von außen. Insbesondere durch die
Europa-League-Nächste 2019 konnte ich das glücklicherweise in den ersten
Monaten schnell nachholen. Zu Beginn war die größte Herausforderung, die
Grundstrukturen für das Tagesgeschäft, d.h. den normalen Wettbewerb, zu
schaffen. Dabei haben wir jedoch schnell erkannt, welche Synergieeffekte sich
ergeben können, wenn klassischer und elektronischer Sport Hand in Hand
arbeiten.
Mit wie vielen eSportlern sind wir gestartet und wie
haben sich die Mitgliederzahlen seither entwickelt?
Wir sind 2019 mit zwei lokalen Spielern in die Virtual
Bundesliga gestartet. Momentan nehmen insgesamt acht Profis für uns in League
of Legends und in FIFA an Wettbewerben teil. Zusätzlich haben wir ein
Nachwuchsteam in LoL und mehrere Breitensportmannschaften. Das Team hinter dem
Team darf dabei natürlich auch nicht vergessen werden. Es kümmern sich
inzwischen eine Vielzahl an Trainern um die zahlreichen Spieler auf den
unterschiedlichen Leveln. Bei den Mitgliederzahlen sind wir dreistellig, auch
wenn uns Corona viele tolle Projekte in diesem Bereich verwehrt hat.
Gibt es auch Spielerinnen?
Leider nicht. Zum aktuellen Zeitpunkt haben wir keine
Spielerin bei uns in einem der Teams vertreten. Das ist ein Thema, welches bei
uns jedoch Priorität besitzt und wozu wir in naher Zukunft Projekte starten
werden.
An welche Momente erinnerst du dich besonders gerne
zurück?
Es gab viele tolle Momente in den vergangenen Jahren. Am
meisten im Gedächtnis geblieben ist mir das Finale der Virtual Bundesliga im
Mai 2019 in Berlin. Maik „Sn0wGoogles“ Kubitzki hat sich direkt in seiner
ersten Saison in die Top 32 Deutschlands gespielt, eine unglaubliche Leistung
als Newcomer. Das hat mir bereits früh gezeigt, dass unser Ansatz zukunftsfähig
ist. Aber auch der Aufstieg des League-of-Legends-Teams in die 2. Division war
ein schöner Moment. Heute macht es mich glücklich zu sehen, wenn Fans uns an
Spieltagen unterstützen und genauso wie in anderen Sportarten die Spieler
anfeuern und sie pushen.
Welche Strategie verfolgt der eSports-Bereich?
Getreu unserem Vereinsmotto „Von der Breite in die Spitze“
haben wir ein nachhaltiges Konzept etabliert, welches eSports nahbar und
erfahrbar machen soll. Die Rhein-Main-Region und Frankfurt stehen dabei im
Fokus der Strategie. Wir möchten keine Distanzstrukturen erschaffen, sondern
haben bewusst unsere Trainingsräumlichkeiten im Sportleistungszentrum am
Riederwald angesiedelt. Unsere eSportler tragen den Adler stolz auf der Brust
und vertreten die Werte des Vereins auch im digitalen Raum – das ist uns sehr
wichtig. Im sportlichen Bereich setzen wir auf nachhaltige Nachwuchsförderung.
Wir möchten Schritt für Schritt uns im nationalen Wettbewerb an die Spitze
spielen. Die Ausstattung unseres ersten Eigengewächs Emil Köhler mit einem
Profi-Vertrag zeigt die Richtung, in die wir uns bewegen.
Wodurch unterscheiden wir uns von anderen Vereinen?
Ich möchte uns ungern mit anderen Vereinen bzw.
Bundesligisten vergleichen. Für alle ist das Thema eSports neu und spannend,
jeder muss dabei seinen eigenen Weg und seine eigene Strategie finden. Das
Besondere an unserem Ansatz ist die Verbindung zum Verein und der Region. Durch
unseren Bereich wollen wir eine reale Anlaufstelle schaffen, welche sowohl im
analogen als auch digitalen Raum stattfindet.
Max, Du bist als eSports-Koordinator von Beginn an dabei.
Was sind deine Aufgaben? Wie muss man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Meine Aufgaben sind vielfältig. Einen normalen Arbeitsalltag
habe ich nicht. Dafür ist jeder Tag spannend und neu. Primär konzentriere ich
mich auf das operative Tagesgeschäft und die strategische Weiterentwicklung des
Ansatzes. Das reicht von Vertragsgesprächen mit Spielern und deren Beratern bis
hin zum Putzen des Trainingsraums. Langweilig wird mir nie und es ist noch
immer so spannend wie am ersten Tag. Aber ohne meine beiden Mitarbeiter und die
vielen tollen Kolleginnen und Kollegen drum herum würde das nicht klappen.
Mittlerweile sind wir ein kleines eingespieltes Team, was sich tagtäglich um
alle Belange kümmert. Bei mindestens 62 Spieltagen in beiden Disziplinen pro
Jahr gibt es davon genügend.
Es gibt seit Mai 2019 das Trainingszentrum am Riederwald.
Wie muss man sich das Training dort vorstellen?
Kann jeder dort einfach vorbeischauen und trainieren? Wie
bereits erwähnt, war es für uns wichtig, dass wir eine analoge Anlaufstelle
schaffen, in der man sich treffen und seine Leidenschaft ausüben kann. Leider
können wir diese seit Anfang 2020 durch Corona nur noch eingeschränkt nutzen.
Wir mussten das gesamte Training auf einen Online-Betrieb umstellen.
Normalerweise kann man sich dies wie im klassischen Sport vorstellen – man
meldet sich bei uns als Mitglied an und wird anschließend einer Trainingsgruppe
zugeordnet, welche feste Trainingszeiten besitzt. Zu den Trainingszeiten finden
anschließend die Einheiten vor Ort geführt durch einen Trainer statt.
Wie sieht ein Training im eSports aus?
Wenn ich mich auf den Breitensport beziehe – dann dauert
eine Trainingseinheit ein bis zwei Stunden. Im Fokus steht natürlich das
dedizierte Training innerhalb des Spiels selbst. Man studiert verschiedene
Taktiken und Strategien ein, fördert das Zusammenspiel des Teams und der
Trainer bringt eine Struktur in den Ablauf hinein. Aber auch außerhalb des
Spiels findet viel statt – die Spieler analysieren gemeinsam mit dem Trainer
die Trainingsspiele. Es gibt Theorieeinheiten über neues Wissen oder die
Spieler werden auf anderer Ebene weitergebildet, wie zum Beispiel über den
gesunden Umgang mit ihrer Sportart.
In welchen Ligen sind wir vertreten?
Zum aktuellen Zeitpunkt sind wir in FIFA in der Virtual
Bundesliga Club Championship vertreten, welche das virtuelle Pendant zur
Bundesliga bildet. In League of Legends treten wir mit mehreren Teams in der
Prime League an. Unser Profi-Team befindet sich dort momentan in der 2.
Division der Liga. Zusätzlich nehmen wir mit unseren Spielern noch an einer
Vielzahl an zusätzlichen Wettbewerben teil, wie zum Beispiel dem DFB-ePokal
oder dem FIFAe Club World Cup.
„Unsere eSportler vertreten die Werte des Vereins auch im digitalen Raum“
Wie bewertest du die Ligen?
Es ist schön zu sehen, dass sich immer mehr professionelle Strukturen
im eSports auch auf nationaler Ebene bilden. Gerade wenn man sieht, dass
durchschnittlich 7.000 Zuschauer bereits heute in der Prime League in der 2.
Liga einschalten. Dann zeigt das gut auf, welchen Stellenwert eSports in dem
Leben vieler jungen Menschen bereits heute hat. Ich würde mir wünschen, dass
wir in der Breite noch bessere Wettbewerbsstrukturen vorfinden würden.
Insbesondere in FIFA haben wir zu wenige Möglichkeiten, unseren Spielern
Spielpraxis zu geben und damit ihre Leidenschaft auf einem Breitensportniveau
ausleben zu lassen.
Welche Rolle nimmt eSports in Deutschland ein?
Meiner Meinung nach nimmt eSports bereits heute eine
wichtige Rolle, insbesondere bei jungen Menschen, im Alltag ein. Es ist kein
Nischenthema mehr, welches sich verstecken muss. Mittlerweile hat sich eine
Kultur um dieses Thema gebildet und man sollte diese ernst nehmen. Gleichzeitig
ist es wichtig, dass wir uns als Teil dieser Kultur bewusst sind. Wenn wir
ernstgenommen werden wollen, müssen wir auch entsprechend mit den
Herausforderungen bewusst umgehen. Man darf nicht die Augen verschließen vor
den Problemen.
Wie wird sich eSports in Zukunft entwickeln?
Diese Frage bekomme ich oft gestellt, aber ich kann
natürlich auch nicht in die Glaskugel schauen. Das Schöne am eSports ist, dass
man sich noch immer in solch einer Aufbruchstimmung befindet. Ich denke nicht,
dass der eSports in irgendeiner Form wieder verschwinden wird – ganz im
Gegenteil. Es wird fester Bestandteil unseres Alltags, ähnlich wie andere Sportarten
es auch sind. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir einen besseren
Dialog zwischen dem klassischen Sport und dem eSports wünschen.
Sucht in Videospielen ist ein präsentes Thema in
Deutschland. Wie steuert die Eintracht präventiv dagegen?
Wir sind uns den Herausforderungen im eSports bewusst.
Insbesondere durch unseren Breitensportansatz möchten wir nicht nur die Spitze
über mögliche Risiken aufklären, sondern in der Breite ansetzen. Wir haben
verschiedene Präventionsmaßnahmen, welche wir in den Alltag einfließen lassen.
Wir fördern das Miteinander und den bewussten Umgang mit eSports. Unser größter
Hebel hierbei sind unsere Trainer. Jeder Trainer bei uns erhält eine
entsprechende Schulung, um nicht nur die Mitglieder sportlich, sondern auch auf
einer Vielzahl von anderen Ebenen betreuen zu können.
Welche Ziele verfolgt die Eintracht?
Das größte Ziel für dieses Jahr ist der Aufstieg in die 1.
Division der Prime League mit unserem League-of-Legends-Team. Wir würden uns
außerdem freuen, wenn wir uns erneut mit einem Spieler für das Grand Final der
Virtual Bundesliga qualifizieren können, wie wir dies bereits im vergangenen
Jahr mit Andi Gube geschafft haben. Mein übergeordnetes Ziel ist es, nach
Corona gemeinsam mit unseren Mitgliedern und Spielern ein Offline-Event zu
besuchen beziehungsweise daran teilzunehmen. Es würde mich sehr freuen, wenn
das in naher Zukunft wieder möglich wäre.