Abiturient mit großen Zielen

Emil Köhler ist schon seit seiner Kindheit treuer Fan von Eintracht Frankfurt. In der eSports-Abteilung gehört er zum FIFA-Profi-Team und verwirklicht sich seit drei Jahren seinen Traum, fester Bestandteil der Eintracht-Familie zu sein. Im Gespräch mit der EvM-Redaktion berichtet das Eigengewächs von der Balance zwischen Schule und eSports davon, wann es legitim ist, acht Stunden an der Konsole zu verbringen, und wie Constant Djakpa, Ex-Fußballprofi der Eintracht, für ein einschneidendes Fan-Erlebnis gesorgt hat.

Für viele Abiturientinnen und Abiturienten stehen in naher Zukunft intensive Wochen an. Mehr als ein Jahrzehnt Schulzeit wird mit den Abschlussprüfungen und dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife beendet, konkrete Zukunftspläne hat längst nicht jede Person. Während dieser Gedanke allein viele schon beunruhigen mag, hat Emil Köhler zusätzlich etwas anderes im Blick. Der 19-jährige eSportler geht mit Eintracht Frankfurt in den kommenden Wochen in den Saisonendspurt der Virtual Bundesliga Club Championship (VBL CC). Dabei geht es immerhin um die Qualifikation für die Deutsche Einzel- und Clubmeisterschaft. Doch Emil wirkt cool und gelassen. Wohlwissend, dass „ich einerseits vom Verein überhaupt keinen Druck verspüre, was meine Leistung betrifft, weil ich mich auf die Schule konzentrieren soll“, andererseits aber auch, „weil ich weiß, was in solchen Situationen entscheidend ist: mein Mindset“.

Höchste Konzentration, voller Fokus auf das Spiel und keinerlei Ablenkungen sind zentrale Voraussetzungen vor der Konsole. Ähnlich wie auch im realen Fußballspiel können geringe Unachtsamkeiten und Unkonzentriertheiten fatale Folgen für den Spielverlauf haben. Doch Emil bringt mittlerweile auch jahrelange Erfahrung mit, denn seine eSports-Karriere nahm schon früh in der Kindheit Formen an. „Ich habe einen großen Bruder, der elf Jahre älter ist als ich und in seiner Jugend relativ viel gespielt hat. Dabei habe ich ihm damals immer zugeschaut“, erklärt er sein Interesse für Videospiele. Im Fokus standen schon damals die Fußballsimulationen FIFA und Pro Evolution Soccer. Bereits als er etwa zwölf Jahre alt war, habe er gemerkt, dass er schon etwas besser als sein älterer Bruder sei. „Mit der Zeit haben wir auch Turniere untereinander gespielt, in denen ich mich mit anderen gemessen habe, um zu schauen, wo ich stehe. So kam auch der Gedanke zum eSports auf“, schildert Emil.

Den ersten Kontakt zum eSports gab es bereits vor vier Jahren. Die Eintracht hat damals erstmalig zwei Spieler für die „virtuelle Bundesliga“ (den Vorgänger der Virtual Bundesliga) gesucht und dafür ein Turnier im Deutsche Bank Park veranstaltet. „Ich habe mich für das Turnier qualifiziert. Das Problem war aber, dass dieses Turnier ab 16 und ich damals noch 14 Jahre alt war. Die Eintracht hat mich aber trotzdem eingeladen. So konnte ich schon einige Leute kennenlernen“, berichtet Emil. Seit 2019 – dem Gründungsjahr der eSports-Abteilung – spielt Emil bei der Eintracht auf professioneller Ebene. Zunächst noch als Nachwuchsspieler, bevor er im vergangenen Jahr mit einem Profivertrag bei den Adlerträgern ausgestattet wurde.

Um die erste Saison als Profi mit den schulischen Anforderungen für das Abitur unter einen Hut zu bringen, verfolgt er einen klaren Plan. „Zurzeit ist es so, dass wir mittwochs Spieltag haben. Dann nehme ich mir am Donnerstag und Freitag ausschließlich für die Schule Zeit und gewinne so auch wieder ein bisschen Abstand.“ Diese Pausen seien notwendig, um sich nicht zu überspielen und die Freude am Spiel nicht zu verlieren. Zudem führt er an, dass die Schule derzeit ohnehin Priorität genieße und über dem eSports stehe. Doch mit dem Wochenende begibt sich Emil direkt wieder in den Trainingsmodus. „Dieses Gleichgewicht zwischen eSports und Schule aufrechtzuerhalten, funktioniert super.“

„Ich freue mich jede Woche, mit dem Adler auf der Brust am Riederwald anzukommen, denn man fühlt sich wie ein fester Bestandteil dieses Vereins und dieser Familie“

Doch wie kann man sich ein Trainingsprogramm im eSports überhaupt vorstellen? „Das Training sieht meistens so aus, dass wir uns gemeinsam mit Profis von anderen Vereinen verabreden und gegen diese trainieren. Mittlerweile kennt man sich untereinander und hat auch ein paar Freunde, die auf einem ähnlichen Niveau sind und mit denen man sich austauschen und trainieren kann“, erklärt der 19-Jährige. Die Länge einer Trainingssession variiert dabei je nach Zeitpunkt in der Saison. Während es mitten in der Saison ausreicht, knapp drei Stunden vor der Konsole zu verbringen, sieht das kurz nach Veröffentlichung des Spiels schon anders aus: „Wenn es gerade neu erschienen ist, muss man es kennenlernen. Da sitzt man schon bestimmt bis zu acht Stunden am Tag dran“, beschreibt Emil.

Das zeitintensive Training zahlt sich aus, Emil ist ein wichtiger Bestandteil des FIFA-Teams von Eintracht Frankfurt. Die Verbundenheit zu den Adlern kommt für den gebürtigen Hainburger einerseits durch die lokale Nähe und andererseits durch seine Familie, die ebenfalls aus fußballbegeisterten Eintracht-Fans besteht. Entsprechend stolz ist Emil, für die Mannschaft aus der Mainmetropole zu spielen. „Das ist für mich natürlich eine Ehre, den Verein zu vertreten, von dem ich seit Kind auf Fan bin. Ich freue mich jede Woche, mit dem Adler auf der Brust am Riederwald anzukommen, denn man fühlt sich wie ein fester Bestandteil dieses Vereins und dieser Familie.“

Leidenschaft und Tradition sind in seinen Augen zentrale Bestandteile der Frankfurter Philosophie, auch in das Stadion begibt sich Emil, sooft es nur geht. Seine bedeutendste Erinnerung stammt allerdings nicht aus dem Deutsche Bank Park. „Im Nachbardorf hatte die Spvgg Hainstadt ein Testspiel gegen die Eintracht und ich war da. Knapp zehn Sekunden, bevor der Schiedsrichter abgepfiffen hat, bin ich auf das Feld zu Constant Djakpa gerannt und habe mit ganz zittriger Stimme gefragt, ob ich sein Trikot bekommen kann. Er hat mich hochgehoben und meinte: „Klar!“. Ich habe wahrscheinlich eine Woche lang gestrahlt“, berichtet Emil.

Auch im eSports hat Emil schon einige unvergessliche Momente erlebt, allen voran den im vergangenen Jahr, als er seinen Profivertrag unterschreiben durfte. In der Zukunft sollen weitere besondere Momente folgen, auch wenn der Fokus ganz klar zunächst auf der Schule liegt. „Mein Hauptziel ist jetzt erstmal mein Abitur. Danach möchte ich meine eSports-Karriere bei der Eintracht weiter durchziehen, mich steigern und verbessern. Ein großer Traum ist der Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Einzel in den kommenden Jahren“, betont Emil. Auch die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft wäre verlockend, wobei ihm bewusst ist, wie schwer die Qualifikation hierfür ist. Eine Sache ist aber klar: Mit dem richtigen Mindset sollte den gesetzten Zielen nichts im Wege stehen.