„Hier versteht sich jede mit jeder“

Kurz nach ihrem Wechsel im Sommer 2021 von Essen nach Frankfurt noch durch eine Knieverletzung ausgebremst, ist Stürmerin Nicole Anyomi mittlerweile zurück auf dem Platz und mischt mit ihrer Dynamik die gegnerischen Strafräume auf. In der „Eintracht vom Main“- Podcastfolge 35 spricht die 22-Jährige mit Marc Hindelang über den besonderen Teamgeist der Eintracht Frauen, ihren Umgang mit Konkurrenz und ihre Ziele in der Nationalmannschaft. Hier ein Auszug aus dem Interview.

Interview: Marc Hindelang
Bilder: Bianca Jockel

Im Sommer kamst du nach Frankfurt, musstest wegen einer langwierigen Knieverletzung aber erst einmal Geduld beweisen. Wie schwer ist dir das gefallen?
Es war ein sehr schwieriger Anfang für mich, weil Geduld definitiv nicht meine Stärke ist. Ich wollte hier bei der Eintracht sofort loslegen und Vollgas geben, wurde durch meine Verletzung aber erstmal komplett ausgebremst. Jetzt bin ich zum Glück endlich zurück auf dem Platz und sehr froh darüber, wieder fit zu sein. 

Du bist im Team sehr eng mit Shekiera Martinez befreundet. Ist es manchmal schwierig, dass ihr als Stürmerinnen um denselben Platz kämpft?
Wir kannten uns noch gar nicht so lange durch die U-Nationalmannschaften und waren direkt auf einer Wellenlänge. Natürlich ist der Konkurrenzkampf bei uns ein Thema, aber so ist es eben im Fußball. Ich verstehe mich auch sehr gut mit Laura Freigang und Lara Prasnikar. Auch wenn wir in gewisser Weise Konkurrentinnen sind, steht das nicht zwischen unserer Freundschaft. 

Du giltst genauso wie Shekiera als fröhliche und lockere Person. Hilft euch eine solche Stimmung, auch bessere Leistung zu bringen?
Jemanden wie Shekiera im Team zu haben, die jeden Tag gute Laune verbreitet und einen zum Lachen bringt, tut nicht nur mir, sondern der ganzen Mannschaft gut. Das spiegelt sich auch in unserer Leistung wider. Wir halten zusammen, sind fröhlich und kämpfen füreinander. Das ist super wichtig. 

Dein Trainer Niko Arnautis sagte zuletzt über dich: Nici weiß gar nicht, wie gut sie ist. Ist das so?
Das höre ich tatsächlich immer wieder. Ich bin grundsätzlich sehr selbstkritisch und perfektionistisch. Ich will in jedem Spiel mein Bestes zeigen und Tore erzielen. Wenn das mal nicht klappt, lasse ich schnell den Kopf hängen. Aber meine Mitspielerinnen unterstützen mich in solchen Situationen, indem sie mich pushen und wiederaufbauen. Unglückliche Situationen passieren, aber es geht weiter. Ich glaube, ich muss mir einfach immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass ich gut bin. Vielleicht sogar so gut, wie viele sagen. 

Du zeichnest dich auf dem Platz durch deine Dynamik, Schnelligkeit und durchaus auch dein Ungestüm aus. Ist es vielleicht manchmal zu wild?
Meine Brüder würden jetzt sagen, ich sei zu wild. Aber so bin ich nun mal einfach. Ich will unbedingt alles auf dem Platz geben und meine ganze Schnelligkeit und Dynamik reinwerfen. 

Wie schaffst du es, trotzdem vor dem Tor die nötige Ruhe zu bewahren?
Ich erinnere mich an das Spiel gegen Potsdam, in dem ich alleine auf die Torhüterin zugelaufen bin. Ich habe gemerkt, wie schnell mein Herz geschlagen und wie das Stadion schon geschrien hat. In dem Moment dachte ich nur: Ich mache den jetzt rein. Das hat zum Glück geklappt. 

„Meine Brüder haben als Kinder immer im Garten Fußball gespielt. Als einziges Mädchen in der Familie musste ich mitspielen“

Du hast in der Kindheit auf dem Bolzplatz mit dem Spielen begonnen. Würdest du dich auch heute noch als Straßenfußballerin bezeichnen?
Meine Brüder haben als Kinder immer im Garten Fußball gespielt. Als einziges Mädchen in der Familie musste ich mitspielen. Zuerst stand ich nur im Tor, aber irgendwann haben sie gemerkt, dass ich auch was kann. Von da an habe ich bei jeder Gelegenheit Fußball gespielt. In der Schule, auf der Straße oder auf dem Bolzplatz. Diese Zeit vermisse ich schon etwas. Wenn ich heute immer noch die Bolzplätze aufmischen würde, wäre Niko nicht so begeistert (lacht). 

Du hast kürzlich dein Comeback in der Nationalmannschaft gegeben. Wie groß ist deine Hoffnung, bei der Europameisterschaft im Sommer dabei zu sein?
Ich habe alle U-Nationalmannschaften seit der U15 durchlaufen, mich immer wieder reingekämpft und es zuletzt auch in die A-Nationalmannschaft geschafft. Ich will unbedingt mit zur EM, egal wie. Bis zum Sommer werde ich alles geben, um mich von meiner besten Seite zu zeigen. Aber: Die Konkurrenz ist groß. 

Innerhalb des Teams gab es zuletzt sehr viele Vertragsverlängerungen, das Team bleibt zusammen. Wie siehst du dadurch kurz- und langfristig eure Perspektiven?
Es freut mich sehr, dass wir als Team größtenteils zusammenbleiben, und ich glaube, dass uns das langfristig auf jeden Fall nach vorne bringt. Ich habe es noch nie in einem Verein in dieser Form erlebt, dass sich jede mit jeder versteht. 

Du bist immer noch am Anfang deiner Karriere. Könntest du dir vorstellen, in Zukunft auch mal ins Ausland zu gehen?
Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich bin ja noch jung, also würde ich es nicht ausschließen. Aber aktuell bin ich einfach froh, hier in Frankfurt bei der Eintracht zu sein, und möchte mit dem Verein meine Ziele erreichen. 

Zum Schluss noch eine Schnellfragerunde mit fünf Fragen: Was war dein erstes Fußballtrikot?
Ein Trikot von Real Madrid mit der Nummer 7 von Cristiano Ronaldo. 

Wer ist die beste Spielerin auf deiner Position weltweit?
Ich (lacht). Nein, Quatsch. Es gibt einige sehr gute Spielerinnen auf der Position, zum Beispiel Vivianne Miedema vom Arsenal FC. 

Wo machst du gerne Urlaub?
Ich habe kein Lieblingsreiseziel. Ich würde aber gerne mal in die Heimat meiner Eltern. Meine Mutter kommt aus Ghana, mein Vater aus Togo. 

Was war dein Berufswunsch als Kind?
Polizistin. 

In welcher Musikgruppe wärst du gut aufgehoben?
Ich hätte gerne mit Michael Jackson zusammengearbeitet. Er war ein super Sänger und Tänzer. Den Moonwalk übe ich dann noch ein bisschen, vielleicht wäre das ja auch was für den nächsten Torjubel.