„Dem Terror keine Chance geben“
Anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus und seiner Auszeichnung mit der Buber-Rosenzweig-Medaille hat die EvM-Redaktion mit Eintracht-Präsident Peter Fischer über die Bedeutung von Haltung, aber ebenso die Wichtigkeit, klare Kante auch im Sport zu zeigen, gesprochen.
Du wurdest am 6. März mit der Buber-Rosenzweig-Medaille
durch die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ausgezeichnet.
Was bedeutet diese Auszeichnung für dich?
Ich bin unglaublich stolz auf die Auszeichnung und es ist
für mich eine große Ehre, diese entgegennehmen zu dürfen. Persönlich geht es
mir jedoch nicht um das Lametta oder mich damit zu schmücken. Es ist mir
vielmehr wichtig, Dinge zu verändern und etwas bewirken zu können. Dennoch
erfüllt sie mich mit großem Stolz.
Du hast mehrmals Eintracht Frankfurt bei
Stolpersteinverlegungen vertreten, zuletzt im September 2021 für Bertha
Bodenheimer und ihre Familie. Wie erlebst du solche Momente?
Die Stolpersteinverlegungen sind schon sehr emotionale
Momente. Durch sie wird an das Unrecht und das unendliche Leid erinnert, das
zahlreichen Mitgliedern von Eintracht Frankfurt im Nationalsozialismus angetan
wurde. Das sind keine einfachen Veranstaltungen, sondern schwere Kost.
Gleichzeitig sind diese aber unglaublich wichtig, um nicht zu vergessen und aus
der Geschichte zu lernen. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je,
zu schauen, was passiert, und unsere demokratischen Werte gegen andere
Strömungen zu verteidigen.
Eintracht-Fan und -Mitglied Helmut „Sonny“ Sonneberg hat
den Holocaust überlebt, Ende 2019 hast du ihm die lebenslange Mitgliedschaft
übergeben. Wie erlebst du die Begegnungen mit ihm?
Sonny und ich haben zahlreiche Begegnungen innerhalb unserer
großen Eintracht-Familie. Für seine mittlerweile 90 Jahren ist er noch
erstaunlich fit und hat ein sehr großes Eintracht-Herz. Für mich ist jede
einzelne Begegnung immer wieder aufs Neue sehr beeindruckend und bewegend!
Trotz seiner schlimmen Erlebnisse ist er ein so positiver Mensch und versprüht
eine unglaubliche Lebensfreude. Sonny ist ein wichtiger Zeitzeuge für die
Eintracht und die Gesellschaft. Von ihnen gibt es leider nicht mehr viele. Bei
all den Begegnungen gibt es jedoch einen Satz aus Sonnys Mund, der mich
besonders beeindruckt hat: „Bei allem unendlichen Leid, das ich erlebt habe,
hat mich meine Eintracht-Familie nie fallengelassen. Man hat mich bei meinem
Verein nie ausgegrenzt. Nein, man hat mich aufgefangen.“ Auch in diesem
Zusammenhang zeigt sich die besondere Bedeutung der Werte, für die unsere
Eintracht steht.
Wir hören immer wieder von Sportfunktionären und
Experten, dass man Sport und Politik voneinander trennen müsse. Warum muss
Sport ganz klar politisch sein und Kante zeigen?
Warum sollte man seine exponierte Stellung und Reichweite
nicht dafür einsetzen, um seine Stimme gegen gesellschaftliche
Fehlentwicklungen zu erheben, wenn es angebracht und notwendig ist?! Das gilt
nicht nur für den Sport, sondern auch für andere große Organisationen mit
entsprechender Reichweite. Vereine sind Bürgerinitiativen. Wir machen das, was
der Staat nicht leisten kann. Bei Eintracht Frankfurt vereinen wir über 98.000
Mitglieder aus allen Gesellschaftsschichten. Ein kleiner Teil des Vereinslebens
dreht sich um den Sport, alles Weitere sind gesellschaftliche Themen. Hier
dreht es sich um Menschen mit all ihren Nöten und ihren Freuden. Deshalb sind
Klubs wie Eintracht Frankfurt heute auch ein Fieberthermometer der
Gesellschaft. Und als einer der größten und bedeutendsten Vereine in
Deutschland müssen wir bereit sein, klare Kante zu zeigen und Position zu
beziehen.
Eintracht Frankfurt ist in diesem Jahr Botschafter der
Internationalen UN-Wochen gegen Rassismus [14.-27. März; Anm. d. Red.].
„Haltung zeigen“ lautet das diesjährige Motto der Aktionswochen. Was bedeutet
Haltung – auch im Zusammenhang mit Eintracht Frankfurt – für dich?
Wir leben in einer außergewöhnlichen Zeit, die niemand in
unserer Generation bisher erlebt hat. Die Coronakrise und mit der fürchterliche
Krieg in der Ukraine zeigen wie im Brennglas, wie zerrissen unsere Gesellschaft
ist, wie weit diese auseinandergedriftet ist, wie viel Hass, Antisemitismus,
Rassismus, Spaltung, Ausgrenzung und Verschwörungstheorien es gibt. Dies alles
stellt unsere Gesellschaft vor eine große Zerreißprobe. Es ist wichtiger denn
je, klarzumachen, für welche Werte unsere Eintracht-Familie steht, und Haltung
zu beweisen. Haltung dafür, dass wir eine große Solidarität zeigen, dass wir
bunt sind und dass wir dem Terror keine Chance geben!