Anker in einer schwierigen Zeit
Als
Leiterin CSR/Gesellschaftliche Verantwortung ist Gudrun „Gudi“ Backhaus unter
anderem für Schulprojekte wie die Eintracht Frankfurt Pausenliga zuständig. Im
Interview mit der EvM-Redaktion gibt sie Einblicke in die tägliche Arbeit mit
Schulen und Kindern und beschreibt die besonderen Herausforderungen der
vergangenen zwei Jahre.
Gudi,
seit nunmehr 15 Jahren ist die Pausenliga bei Eintracht Frankfurt nicht mehr
wegzudenken. Erinnerst du dich zum Jubiläum an besondere Erlebnisse?
Da gibt es viele
(lacht). Es ist immer wieder schön, die Reaktionen der Kids zu erleben, wenn
wir Profis oder auch unseren Präsidenten Peter Fischer mitbringen. Im ersten
Moment können die Kinder es oftmals gar nicht glauben, wen sie da vor sich
haben, und fragen, ob das denn auch wirklich die „echten“ seien. Wenn wir dies
dann glaubhaft versichert haben, brechen alle Dämme, alle wollen möglichst in
die Nähe von Stars und eine Gemengelage aus Ehrfurcht, Stolz und Glück ist
förmlich zu spüren.
Im
Jahr 2007 startete die Eintracht Frankfurt Pausenliga an zwei Schulen. Durch
die kürzlich vollzogene Erweiterung sind es nun 14. Wie kam die neuliche
Aufnahme zustande und wie ist die Nachfrage generell?
Zum ersten Teil deiner
Frage: Da wir seit einem Jahr auch im westlichen Teil der Stadt vertreten sind,
haben wir beschlossen, das Projekt auf die Grundschulen rund um unseren
Standort in Nied zu erweitern. Zur Nachfrage: Wir haben sehr lange Wartelisten,
zu der immer wieder neue Schulen dazu kommen. Die ursprüngliche Planung, alle
Schulen nach wenigen Jahren gegen neue auszutauschen, haben wir verworfen. Uns
sind das Vertrauensverhältnis und die nachhaltige Zusammenarbeit mit den
Schulen sehr wichtig. Auch wenn diese langfristig im Projekt bleiben, nehmen ja
in jedem Schuljahr neue Kinder an der Pausenliga teil. Wir bewegen im laufenden
Schuljahr rund 1.800 Grundschüler. Circa die Hälfte wechselt im Sommer in
weiterführende Schulen, die jüngeren Jahrgänge rücken mit Beginn der neuen
Saison nach.
Mit
der Panoramaschule und der Schule am Sommerhoffpark sind auch zwei
Förderschulen im Pausenliga-Repertoire. Gibt es Unterschiede oder angepasste
Regularien im Spielbetrieb?
Die Schule am Sommerhoffpark betreut hörgeschädigte Kinder. Hier ist eine
Gebärdendolmetscherin oder ein Gebärdendolmetscher dabei, die beziehungsweise
der den Kids die gleichen Spiel- sowie Verhaltensregeln erklärt, die auch an
den anderen Schulen gelten. In der Panoramaschule, unserer ersten Schule, in
der wir mit geistig behinderten Kindern zu tun haben, wussten wir zunächst
nicht, was uns erwarten würde. Ob die Kinder die Spiele verstehen, sich an die
Regeln halten und überhaupt Lust auf den Sport haben. Doch glücklicherweise
waren alle Kinder begeistert von der Pausenliga und es war von Beginn an ein
Spielbetrieb wie an den anderen Schulen möglich. Natürlich mit Abstrichen, aber
ein neues Konzept war nicht nötig, denn die Kinder spielten, als ob sie in
ihrem Leben noch nichts anderes gemacht hätten. Dadurch, dass die Pausenliga
den Kindern großen Spaß macht, verhalten sie sich super und es macht uns sehr
viel Freude, mit ihnen zu arbeite.
Der
Spielbetrieb an 14 Schulen ist natürlich nicht alleine zu bewerkstelligen.
Das ist richtig, wir arbeiten zum Beispiel mit jungen Menschen, die ihr Freiwilliges
Soziales Jahr bei uns ableisten. Sie können viele unterschiedliche Erfahrungen
sammeln und während dieser Zeit eine Trainerlizenz erwerben. Natürlich sind
auch ausgebildete Trainer vor Ort und seit November 2021 unterstützt uns eine
weitere festangestellte Mitarbeiterin bei der Organisation und Umsetzung des
Projekts.
Was
macht die Arbeit, die die Pausenliga mit sich bringt, so einzigartig?
Die Spiele der
Pausenliga sind so konzipiert, dass alle Kinder der teilnehmenden Klassen
mitspielen können, unabhängig von ihren sportlichen Fähigkeiten. Alle finden
eine Aufgabe und sind eingebunden. Zusätzlich zur Bewegung vermitteln wir Werte
wie Fairness und gegenseitigen Respekt, was sich je nach Verhalten auch auf dem
Punktekonto der Klassen widerspiegelt. So können die Kinder eine direkte
Auswirkung ihres Verhaltens sehen.
Wie
können wir uns einen typischen Tagesablauf vorstellen?
Vormittags sind wir in
den großen Pausen mit halbjährlich wechselnden Spielen vor Ort. Am Nachmittag
bieten wir mit der Eintracht Ballschule 90-minütige, sportartübergreifende
Trainingseinheiten im Rahmen der Schul-AGs an. Dazu kommen halbjährlich
stattfindende Siegerehrungen, bei denen alle Kinder mit Teilnahmeurkunden
gewürdigt werden und die Siegerklassen bis zum nächsten Halbjahresabschluss
einen Wanderpokal mitnehmen dürfen, der in dieser Zeit das Klassenzimmer ziert.
Inwieweit
war die Durchführung der Pausenliga in den letzten rund zwei Jahren überhaupt
möglich?
Unter Berücksichtigung der jeweiligen Vorgaben der Schulen und der
entsprechenden Anpassungen war es möglich, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten.
Die Pausenliga fand bis auf die Zeit des ersten Lockdowns durchgehend statt.
Einige Schulen pausierten zeitweise, andere profitierten davon, da wir
beispielsweise während der Zeit des Wechselunterrichts auch entsprechend
doppelte Einheiten umsetzen konnten. Die Rückmeldungen waren sehr positiv und
wir haben noch nie so viel Dankbarkeit vonseiten der Schulen erfahren wie in
den letzten zwei Jahren. Es war wichtig, dass die Pausenliga weiterhin
stattfinden konnte, denn sie sorgte nicht nur für Bewegung und Spaß, sondern
für ein bisschen Normalität und Ablenkung – Dinge, die in diesen unsicheren
Zeiten sehr wichtig waren. Die Pausenliga war für die Kinder eine Art Anker in
dieser sich ständig verändernden Zeit. Etwas Bekanntes und Verlässliches bei
all den wechselnden Bestimmungen und Verordnungen.
Inwiefern
musste das Konzept angepasst werden? Welche Unterschiede gab es zu den
Vorjahren?
Wir haben uns mit allen
Schulen individuell abgestimmt und immer wieder neue Lösungen gefunden.
Ausgesetzt hat unser Spielbetrieb seit August 2020 nicht mehr. Wir haben Masken
mit Pausenligalogo produzieren lassen. Die kamen bei den Kids sehr gut an. Als
wir nicht mehr in die Hallen durften, haben wir auf dem Schulhof weitergemacht.
Statt Bällen, die verspringen und wegrollen können, gab es Schaumstoffwürfel,
als Mittellinie haben wir zusammengeknotete Seile genommen und statt der
gewohnten Spiele wurden neue entwickelt und umgesetzt. Während des zweiten
Lockdowns haben wir den Kindern Übungen für eine Home Challenge
zusammengestellt. Mit Kindern der schulischen Notbetreuung haben wir die
Übungen vor Ort durchgeführt.
Gibt
es sichtbare Veränderungen bei den Kindern, die an der Pausenliga teilnehmen?
Auswirkungen, die ich
selbst innerhalb des Spielbetriebs bemerke, sind unter anderem das strategische
Denken, das sich im Laufe der Zeit verbessert. Auch halten sich die Kinder sehr
schnell an die Spielregeln, denn wer sich nicht an die Regeln hält, bekommt
Minuspunkte notiert, die der gegnerischen Mannschaft in Form von Pluspunkten
zugutekommen. Die Klassen lernen, als Team zu funktionieren. Sie können nur
gewinnen, wenn sie sich gegenseitig helfen – und das hat Auswirkungen auf das
gesamte Miteinander im Klassenzimmer.
Wirtschaftlich
und sozial schlechter gestellten Familien fehlt oftmals das Geld für
Mitgliedschaften in Sportvereinen. Kann die Pausenliga hier Abhilfe schaffen?
Alle Pausenliga-Kinder
haben die Möglichkeit, für die Dauer ihrer Teilnahme am Projekt – in der Regel
zwei Jahre – eine sogenannte Schnuppermitgliedschaft in Anspruch zu nehmen. Mit
diesem kostenlosen Angebot dürfen sie die zahlreichen Sportarten in unserem
Verein kennenlernen, oder an den vielfältigen Veranstaltungen der Junior Adler,
des Kids Clubs von Eintracht Frankfurt, teilnehmen.
Man
merkt sofort, dass dir die Pausenliga eine Herzensangelegenheit ist. Was ist
deine Motivation?
Wenn ich die Kinder in der Pause beobachte und sehe, mit wie viel Eifer und
Engagement sie bei der Sache sind, wie wichtig sie die Spiele nehmen und was es
ihnen bedeutet, den Adler von Eintracht Frankfurt auf ihrem Shirt zu haben,
weiß ich, warum ich so viel Energie in das Projekt stecke.