Nun Hammer die Hammers
Halbfinale gegen West Ham United. Die Londoner sind der dritte Verein aus Englands Hauptstadt in den vergangenen drei Europapokalkampagnen der Eintracht. 2019 ging’s innerhalb von fünf Monaten zum Chelsea FC (Halbfinale 2018/19) und Arsenal FC (Gruppenphase 2019/20). Die „Eintracht vom Main“-Redaktion hat sieben kuriose und wissenswerte Punkte über die Hammers zusammengestellt.
London Stadium – Das Fremdelnde Herz
Seit der Saison 2016/17 spielen die Hammers nicht mehr in
ihrem geliebten Boleyn Ground, der 112 Jahre die Heimat des Klubs war.
Heimstätte ist heute das moderne Olympiastadion, welches ursprünglich für die
Olympischen Spiele 2012 gebaut wurde und heute London Stadium heißt. Das innere
und äußere Erscheinungsbild wurde in mehreren Schritten verändert, um aus dem
Leichtathletik- ein Fußballstadion zu machen. Alle baulichen
Begleiterscheinungen konnte man unterdessen nicht ausmerzen, etwa die durch die
einstige Laufbahn bedingte Distanz der Fans zum Spielfeld. Nicht nur deshalb
fremdeln nach wie vor einige Fans mit der eigentlich nicht mehr ganz so neuen
Heimat. Man vermisst nicht nur den engen Hexenkessel im geliebten Upton Park,
sondern auch dessen so identitätsstiftende Geschichte und die
nachbarschaftliche Lage an der Green Street im Osten Londons.
Mark Noble – Mr. West Ham
Mark Noble kam bereits im Jahr 2000 in die
Nachwuchsabteilung des Klubs, seit 2004 gehört er zur Profimannschaft. Seitdem
hat sich der „One Club Man“ zum Rekordspieler der Hammers aufgeschwungen, steht
bei knapp 550 Einsätzen in Claret and Blue und ist der amtierende
vereinstreueste Spieler in den europäischen Topligen. Abgesehen von zwei in
England durchaus üblichen kurzen Leihen als Jungprofi trug Noble nur das Trikot
des Vereins, den er bereits als Schuljunge von den Rängen des Boleyn Ground aus
unterstützte. Das Karriereende im Sommer 2021 wurde nun noch mal um ein Jahr
nach hinten verschoben, denn die lebende Klublegende sollte standesgemäß und
nicht vor Coronabedingt leeren Rängen verabschiedet werden. Kurios: Wie auch
nach Ligaspielen kehrte der Kapitän auch nach dem Viertelfinalsieg in Lyon
höchstpersönlich die Gästekabine und sorgte nach den Feierlichkeiten
eigenhändig für Ordnung – als Zeichen des Respekts an den jeweiligen Heimverein
und dessen Reinigungspersonal. Ein echter Gentleman eben.
David Moes – Liebe auf den zweiten Blick
Für Trainer David Moyes ist es die zweite Amtszeit bei
United. Bevor er kurz nach Weihnachten 2019 zum Nachfolger seines Nachfolgers
Manuel Pellegrini (heute Real Betis) wurde, coachte der Schotte West Ham
bereits in der Saison 2017/18. Mit dem Ziel Klassenerhalt im November gekommen,
hielt Moyes die Mannschaft mit arg biederem Fußball zwar letztlich im Oberhaus,
so recht zufrieden waren beide Seiten dennoch nicht, sodass der Vertrag am
Saisonende nicht verlängert wurde. Nun ist Moyes zurück und nach anfänglicher
Skepsis und dem erneuten Klassenerhalt 2019/20 ist der einstige Cheftrainer von
Manchester United gerade nicht nur mit seinen Mannen ins Halbfinale der Europa
League eingezogen, sondern auch drauf und dran, sein Team erneut über die Liga
in den internationalen Wettbewerb zu führen. Eine bemerkenswerte Leistung
angesichts der nationalen Konkurrenz.
Schnee und Seifenblasen – Pretty bubbles in the sky
Was dem Eintracht-Fan „Schwarz-Weiß wie Schnee“ ist, ist dem
West-Ham-Anhänger „I’m forever blowing bubbles“. Die Hymne der Hammers ist
allerdings deutlich älter als die der SGE und wurde bereits 1919 am New Yorker
Broadway präsentiert. Von den Fans in London wird das Lied wohl seit fast 100
Jahren gesungen, ganz genau bestimmen lässt sich der Zeitpunkt heute allerdings
genauso wenig wie der Weg des Songs von New York in den Upton Park. Das mit den
Seifenblasen nehmen sie bei West Ham United übrigens seit vielen Jahren
wörtlich, denn seit 1999, als 24.000 Fans im Boleyn Ground einen neuen
Weltrekord im Seifenblasenblasen aufstellten, gehört dieses Ritual zu jedem
Heimspiel. Mittlerweile sorgt man allerdings maschinell für das einzigartige
Meer aus Seifenblasen beim Einlaufen der Mannschaften.
Das Hammer-NLZ – The Academy of football
Auch wenn die Hammers selbst gar keinen so prall gefüllten
Trophäenschrank haben, sind die Ostlondoner trotzdem für ihre gute
Nachwuchsarbeit bekannt, die ihnen in England den Spitznamen „The Academy of
Football“ eingebracht hat. So entstammen unter anderem so illustre Namen wie
Frank Lampard (Vater Frank senior spielte 1976 gegen die Eintracht), Rio
Ferdinand oder ganz aktuell Declan Rice dem Nachwuchs der Irons. Genauso wie
mit Geoff Hurst (drei Finaltore), Martin Peters (ein Finaltor) und Bobby Moore
(Kapitän) drei absolute Säulen bei Englands WM-Triumph 1966. Neben dem WM-Pokal
holte Moore mit „seinem“ United auch noch den englischen Pokal, Supercup,
gewann 1965 den Europapokal der Pokalsieger im Finale gegen 1860 München (war
gegen die Eintracht 1964 DFB-Pokalsieger geworden) und ist bis heute die alles
überstrahlende Ikone des Traditionsvereins. Seit 2008, 15 Jahre nach seinem
krankheitsbedingt frühen Tod, wird Moores Rückennummer 6 zudem bei West Ham
nicht mehr vergeben. Bemerkenswert: Sowohl vor dem Stadion der Hammers als auch
vor dem Wembley-Stadion, der Heimat der „Three Lions“, wird einem der besten
englischen Verteidiger aller Zeiten mit einer Statue gedacht.
Halbfinale 1976 – Endstation East End
Elf Jahre nach dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger,
dem bis heute größten Triumph in der Geschichte von United, stand West Ham 1976
im gleichen Wettbewerb erneut vor dem großen Wurf, verlor das Finale aber
letztlich mit 2:4 gegen den RSC Anderlecht. Der Weg in dieses Endspiel führte
die Engländer damals im Halbfinale auch nach Frankfurt. Dort gewann die SGE das
Hinspiel mit 2:1 und hatte die Tür zum Endspiel schon einen Spalt weit
geöffnet, bevor man nach einer 1:3-Niederlage im ausverkauften Boleyn Ground
doch noch ausschied.
Aktuelle Form – Wundertüte United
In dieser Saison ist West Ham United vor allem eines:
unberechenbar. An einem guten Tag können die Hammers, die nicht nur stark gegen
den Ball sind, sondern auch ein Viertel ihrer Tore nach ruhenden Bällen
erzielen, nahezu jeden Gegner schlagen. So wie im November, als man vor
heimischer Kulisse mit 3:2 gegen Liverpool gewinnen konnte. Eine von nur zwei
(!) Liganiederlagen der Reds überhaupt in dieser Saison. Im League Cup war für
beide Premier-League-Klubs aus Manchester Endstation gegen West Ham, bevor
diese erst am Lokalrivalen Tottenham scheiterten. In der Europa League
schaltete man mit dem FC Sevilla und Olympique Lyonnais zwei europäische
Schwergewichte aus. Auf der anderen Seite wäre man im FA Cup um ein Haar an
Sechstligist Kidderminster Harriers gescheitert und tut sich in der Liga vor
allem gegen die Teams ganz oben und ganz unten schwer. Bester Scorer ist bei
Redaktionsschluss Jarrod Bowen.