„Schon immer ein bisschen Frankfurt-Fan“

Früher fieberte sie mit ihren U-Natio-Kolleginnen Sophia Kleinherne und Sjoeke Nüsken von der Tribüne aus mit, mittlerweile hat Anna Aehling selbst den Weg von Gütersloh über Indiana nach Frankfurt gefunden. Als junges Abwehrtalent will die 21-Jährige nun nach ihrem Traum-Bundesligadebüt jede Menge lernen und mit der SGE Großes erreichen.

Text: Marie Huhn
Fotos: Carlotta Erler

Hätte sich Anna Aehling ihr Traumdebüt in der Bundesliga wünschen können, hätte es wohl genauso ausgesehen wie ihr erster Einsatz gegen die TSG Hoffenheim Anfang März. Reinkommen, Tor machen, Heimsieg feiern. „Seitdem kribbelt es in den Beinen, die nächsten Minuten zu sammeln“, verrät die 21-Jährige. Aufgrund muskulärer Probleme musste die junge Verteidigerin zuletzt pausieren, so schnell wie möglich möchte die gebürtige Coesfelderin (Münsterland) aber wieder auf dem Platz stehen, Vollgas geben und ihrer Leidenschaft nachgehen.

Wann sie das Fußballfieber zum ersten Mal gepackt hat, daran erinnert sich Aehling noch ganz genau: „Bei der Männer-WM 2006 haben mein Bruder und ich zusammen die Spiele geschaut, mitgefiebert und in der Halbzeit selbst gekickt.“ Kaum war die Weltmeisterschaft im eigenen Land vorbei, meldeten sich die Fünfjährige und der drei Jahre ältere Bruder im heimischen Fußballverein, der DJK Coesfeld, an. „Mit meinen Freunden auf dem Platz zu stehen, zu kicken und als Team zusammenzuhalten, hat mich von Anfang an begeistert. Aber auch der Wettkampfgedanke, sich mit anderen messen zu können, hat mich gereizt“, blickt Aehling zurück. Also blieb sie dran, wechselte mit zwölf Jahren zu den Jungs der SG Coesfeld und mit 15 schließlich auf das Mädchenfußballinternat zur Eliteförderung im etwa eine Autostunde entfernten westfälischen Kamen-Kaiserau.

„Aus meiner Zeit bei den Jungs habe ich gelernt, mich durchzusetzen, und viel an Zweikampfhärte und Schnelligkeit mitgenommen. Auf dem Internat konnte ich mich individuell enorm weiterentwickeln“, erzählt die heute 21-Jährige. Mit ihren Freunden zur Schule zu gehen und Fußball zu spielen, gleichzeitig aber auch zu lernen, auf eigenen Füßen zu stehen – die Internatszeit sei für sie nicht nur sehr prägend gewesen, sagt Aehling, sondern es seien auch „mit die schönsten vier Jahre meines Lebens“ gewesen. Dass aus der Freude zum Sport irgendwann mal ihr Beruf werden sollte, daran habe sie zu dem Zeitpunkt noch nicht gedacht. „Ich habe nur gewusst, dass der Fußball das ist, was ich liebe. Dann kam eines zum anderen. Jetzt bin ich hier bei der Eintracht und kann mein Hobby zum Beruf machen.“

Ganz so einfach war das natürlich nicht. Gerade in den Länderauswahlen und deutschen U-Nationalmannschaften machte Aehling in jungen Jahren zuvor auf sich aufmerksam. 2016 holte sie mit der Westfalen-Auswahl den Länderpokal, mit der U17 2018 und mit der U19 ein Jahr darauf wurde sie Vizeeuropameisterin. „Ich habe mich jedes Mal tierisch auf die Länderspiele gefreut. Sich weltweit mit den besten Teams in der eigenen Altersklasse messen zu können, ist eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde.“ Ganz nebenbei lernte sie dabei auch schon einige ihrer zukünftigen Mitspielerinnen kennen, wie Nicole Anyomi, Leonie Köster und Shekiera Martinez. Zu Sophia Kleinherne und Sjoeke Nüsken entstand eine enge Freundschaft – und später eine erste Verbindung zu Frankfurt.

„Durch Sjoeke und Soffe war ich immer schon ein bisschen Frankfurt-Fan, regelmäßig bei ihren Spielen und habe dadurch schon eine kleine Liebe zum Verein aufgebaut“, erzählt Aehling mit ihrer offenen Art. Bevor sie aber selbst die rot-schwarz-weißen Farben tragen sollte, machte sie zunächst in Gütersloh ihre ersten Schritte in der Zweiten Frauen-Bundesliga, in der sie 49 Mal auflief, und wagte 2021 schließlich für ein Jahr den Sprung über den großen Teich. „Ich hatte Lust, eine andere Kultur und Sprache kennenzulernen, mal komplett aus allen Gewohnheiten rauszukommen und etwas auszuprobieren.“ Also ging die junge Abiturientin mit 19 Jahren für ein Jahr an die Indiana University in den USA und begann gleichzeitig, für die Indiana Hoosiers in der höchsten College Division zu spielen. „Es war das typische Collegeleben, wie man es aus Filmen kennt: gemeinsam zum Basketball, Baseball und Football gehen, im Collegetown zusammenleben und als Uni zusammenhalten. Die Zeit hat echt super viel Spaß gemacht“, erzählt sie mit einem Lachen in der Stimme. Sie habe aber auch fußballerisch dort weitere Fortschritte machen können. „Es wurde viel mit Videoanalyse gearbeitet, aber auch auf den taktischen und athletischen Bereich wurde großer Wert gelegt.“ Und so fühlte sich die Münsterländerin nach einem Jahr bereit, auch in ihrem Heimatland die nächsten Schritte zu gehen.

„Der Verein bietet top Strukturen. Ich wusste sofort: Hier will ich hin!“

„Ich hatte auch mit anderen Trainern Gespräche. Als Niko auf mich zukam, konnte ich mich aber sofort mit dem Konzept von Eintracht Frankfurt identifizieren. Der Verein bietet top Strukturen. Ich wusste sofort: Hier will ich hin, mich weiterentwickeln und der Mannschaft helfen, ihre Ziele zu erreichen. Es hat einfach alles gestimmt“, blickt Aehling auf den Anfang des laufenden Jahres und die Entscheidung, zur Rückrunde zu Eintracht Frankfurt zu wechseln, zurück. Dass sie sich so schnell eingelebt habe, hätten die vielen bekannten Gesichter im Team natürlich einfacher gemacht. Und auch die Stadt habe sie, so erzählt sie, längst lieben gelernt. „Frankfurt hat total viele schöne Cafés und Restaurants.“ Manchmal lege sie sich aber auch einfach mit einer Hängematte und einem Buch in einen Park, mache eine Fahrradtour mit Freunden oder lade zu Spieleabenden ein. „Hauptsache, ich habe Familie und Freunde um mich herum.“ Anfang April hat nun auch ihr Studium der Erziehungswissenschaften begonnen, ab dem Wintersemester möchte sie in Frankfurt ein Sportwissenschaftsstudium beginnen.

Auch sportlich hat Aehling nach ihrem Bundesligadebüt im März klare Ziele: „Ich möchte mich von Woche zu Woche steigern und in jedem Training Vollgas geben, um hoffentlich immer wieder Minuten zu bekommen.“ Als junge Spielerin wolle sie vor allem aber auch jede Menge bei der Eintracht lernen. „Ich möchte so viel mitnehmen, wie es geht. Wir haben einen super Kader, in dem man von jeder Spielerin ganz viel lernen kann.“ Doch nicht nur mit dem Frankfurter Adler auf der Brust, auch im Nationalmannschaftstrikot hat Aehling Ziele: „Dafür, zur A-Nationalmannschaft eingeladen zu werden, arbeitet man als Fußballerin jeden Tag. Das wäre definitiv ein Traum von mir. Ich bin davon überzeugt, dass ich hier in Frankfurt mit dieser Mannschaft die optimalen Bedingungen habe, um diesem Ziel näherzukommen.“ Mit ihrem Debüt in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga ist der erste Schritt definitiv gemacht.