„Für die Geschichtsbücher“
Jan Aage Fjörtoft über die Festtage gegen den FC Barcelona und die Chancen auf weitere internationale Abende in der kommenden Saison.
Im Viertelfinale der Europa League hatte die Eintracht das große Privileg, gegen den FC Barcelona anzutreten, dessen „natürlicher Lebensraum“ eigentlich die Königsklasse ist. Auch losgelöst von den Ergebnissen ein absoluter Festtag für Frankfurt und die SGE, oder?
Für die Fans war vor allem das Heimspiel gegen Barca eine Belohnung für die lange Wartezeit. Endlich wieder ein internationales Heimspiel mit voller Auslastung, dann auch noch so ein Gegner. Man hätte es sich im Vorfeld kaum besser ausmalen können. Nach zwei Jahren Pandemie – die natürlich noch nicht vorbei ist – und so vielen Entbehrungen sind beide Spiele ein absolutes Geschenk gewesen. Solche Tage muss man einfach nur in sich aufsaugen und so gut es geht genießen. Die Eintracht hat eine stolze Geschichte, aber auf den FC Barcelona ist man vorher noch nie in einem Pflichtspiel getroffen. Von daher war dieses Duell im Stadtwald sicher eines der größten Spiele der Vereinsgeschichte. Vielleicht das größte seit dem Finale im Landesmeisterpokal 1960 gegen die Jahrhundertelf von Real Madrid. Schlichtweg ein Abend für die Geschichtsbücher!
Was nimmt man mit von so einem Abend?
Auch in vielen Jahren werden die Fans, die dabei sein konnten, sagen „Weißt du noch damals, als wir es mit Barca aufgenommen haben?“, und dann wird jeder eine persönliche Geschichte zu diesem Tag parat haben. Vielleicht ein bisschen wie zu unserem 5:1 gegen Kaiserslautern damals. Zu diesem Tag haben ich über die Jahre so viele Geschichten von Fans gehört, man könnte meinen, es wären 600.000 und nicht 60.000 Leute im Waldstadion gewesen (lacht). Natürlich ist das auch für die Spieler ein besonderes Highlight in ihrer Karriere, wenn man gegen den FC Barcelona spielen darf. Dann auch noch mit jemandem wie Xavi auf der Bank, der mit den Katalanen an der Seite von Messi und Iniesta als aktiver Spieler eine Ära geprägt hat, als Barca unter Pep Guardiola die aufregendste Mannschaft Europas war. Genau wie manche Stars im Team der Katalanen kannte man ihn als Frankfurter vor allem aus dem Fernsehen oder auch von der PlayStation. So was ist alles andere als alltäglich. Gleichzeitig sieht man so, dass sich solche Träume auch bei einem Verein wie Eintracht Frankfurt verwirklichen lassen können.
Du konntest diesmal auch selbst beim Heimspiel dabei sein.
Das Rückspiel gegen Real Betis in Frankfurt habe ich leider verpasst. Das Duell habe ich damals stattdessen nur im Liveticker verfolgt, selbst das war schon nichts für schwache Nerven. Diese Partie war Drama pur mit den zwei Last-Minute-Toren nach 90 und 120 Minuten. Hinterher habe ich mir natürlich die Highlights angeschaut und selbst da konnte man sehen, wie eng diese Begegnung war. Gegen Barca war die Atmosphäre mit endlich wieder vollen Rängen dann noch spezieller, als dann auch die komplette Fanszene wieder im Stadion war. Europapokal und Frankfurt ist und bleibt eine besondere Liebesbeziehung, so etwas gibt es nicht oft im Fußball. Die Mannschaft musste ja nur einen Einwurf oder einen Zweikampf in Barcas Hälfte gewinnen und schon sind die Zuschauer komplett Bananas gegangen (lacht).
Für das Spiel in Barcelona gab es rund 5.000 Gästetickets. Eigentlich war schon mit der Auslosung klar, dass es eine hessische Völkerwanderung nach Katalonien geben würde, oder?
Am liebsten wäre ich auch selbst auswärts im Camp Nou dabei gewesen, aber ich habe meiner Familie schon vor einiger Zeit versprochen, dass wir gemeinsam in den Osterurlaub fahren. Und weil ich ohnehin schon immer sehr viel für den Fußball unterwegs bin, habe ich mein Wort natürlich gehalten. Obwohl ich kurz überlegt habe, ob meine Familie nicht vielleicht gerne mal Urlaub in Barcelona machen würde. Die Stadt soll im April ja wunderschön sein (lacht). Aber ernsthaft: Ein Pflichtspiel der Eintracht in Barcelona, im Camp Nou, dazu diese tolle Stadt – viel besser geht‘s nicht. Von daher mehr als verständlich, dass da jeder Eintracht-Fan am liebsten dabei gewesen wäre.
Lass uns noch einen kurzen Blick auf die Bundesliga werfen. Dort steht man im gehobenen Mittelfeld, hat aber insbesondere in den Heimspielen im neuen Jahr wichtige Zähler liegen lassen. Wie siehst du die Lage vor Ostern?
Ich glaube, wir haben leider nur noch eine Außenseiterchance. Aber man sollte trotzdem bis zum Schluss alles versuchen, um das Rennen um Europa so lange wie möglich offen zu gestalten, falls sich doch noch eine Gelegenheit ergibt. Wenn nicht, ist das auch okay, denn wir können als Eintracht nicht einfach davon ausgehen, dass wir in jeder Saison unter die ersten Sechs kommen. Nach Bayern, Dortmund und Leipzig kommen immer vier, fünf Mannschaften für die restlichen Plätze in Frage. Da muss die Eintracht versuchen, auch kommende Saison ihren Platz zu behaupten.
Interview: Markus Rutten
Das Interview musste aus Termingründen vor dem Viertelfinalrückspiel in der Europa League geführt werden.
Jan Aage Flörtoft, 55, hat die Eintracht 1999 zum Klassenerhalt geschossen und genießt bei den Fans nicht nur daher Kultstatus. Er ist ein fußballerischer Weltenbummler, meinungsstark, immer auf dem Laufenden, ein gefragter Experte und nicht zuletzt unserer Eintracht nach wie vor tief verbunden. Das sind Gründe genug für eine regelmäßige Interview-Kolumne mit dem Norweger.