„Die besten Spieler noch besser machen“
In der Anfang Juni erschienenen Ausgabe des Podcasts „Eintracht vom Main“ spricht Alexander Richter, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ), über seine ersten Wochen am Riederwald, abgeschlossene Saisonplanungen, Zukunftsvisionen und Ziele.
Als neuer NLZ-Leiter bist du maßgeblich für die Zukunft
von Eintracht Frankfurt mitverantwortlich. Herzlich willkommen, Alexander
Richter.
Hallo und vielen Dank! Ich habe jetzt etwa die ersten zwei
Monate hinter mir und mittlerweile auch meine Wohnung bezogen. Es ist alles
sehr umfangreich. Ich habe bereits viele tolle Leute kennengelernt und freue
mich weiterhin sehr auf die Aufgabe.
Man hört es aus dem Dialekt unschwer heraus: Unser neuer
NLZ-Leiter ist ein Ruhrpottler und waschechter Bochumer.
So ist es, das kann ich nicht verhehlen und der Dialekt geht
wohl auch nicht mehr weg. Ich bin in Bochum geboren, dort aufgewachsen, zur
Schule gegangen und hab dort studiert. Aber jetzt bin ich hier und freue mich
auf den Job. Ich kann ein paar Parallelen erkennen, wie zum Beispiel die
Kioske. Die Kultur des Kiosks gibt es im Ruhrgebiet auch – aber hier heißt das
ja „Wasserhäuschen“, wie ich gelernt habe. ich habe bislang keine Zeit gehabt,
eines zu besuchen. Sobald ich eines entdeckt habe, bin ich sicherlich dort ab
und an anzutreffen.
Und was kaufst du dir dann?
Ich bin ja hier, um Neues kennenzulernen. Ebbelwoi habe ich
schon getrunken. Ist gewöhnungsbedürftig, aber so ab dem dritten fängt es an zu
schmecken (lacht). Auch die Grüne Soße hat mir richtig gut geschmeckt.
Lass uns ein paar kulturelle Themen aufgreifen. Die
Currywurst in Bochum?
Currywurst habe ich für meinen Einstand versprochen,
ich bin aber leider noch nicht dazu gekommen. Die werde ich für die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im NLZ mitbringen. Da legen wir dann die
Würste auf und ich bringe die originale Sauce vom Dönninghaus mit.
Du bist über Jahrzehnte an der Castroper groß geworden,
hast dort große Erfolge gfeiert und bist nun nach Frankfurt gekommen: Wie
schwer ist dir der Abschied als Ur-VfLer gefallen?
Es war ein langer Prozess vom ersten Kontakt im letzten
Jahr, als ich mit Markus [Krösche; Anm. d. Red.] telefoniert habe, bis jetzt.
Ich habe viel überlegt, mit Frau, Familie und den Kindern gesprochen. Viele
Gedanken kamen auf. Darüber, welche beruflichen Konsequenzen sich ergeben, aber
auch wie sich der Job auf mein Privatleben auswirken und wie oft ich meine
Kinder sehen würde. Aber seit ich hier bin, ist die Entscheidung für mich
gefallen. Ich konzentriere mich zu 100 Prozent auf den Job und ich finde es bis
jetzt richtig gut.
Du hast von 2008 bis 2022 die Nachwuchsabteilung des VfL
Bochum geleitet und dabei unter anderem Leon Goretzka entdeckt und gefördert.
Was bringst du aus Bochum mit, wie würdest du deine Arbeit dort erklären?
Es ging damals und
auch jetzt bei der Eintracht darum, die Jungs zu fördern, sie weitzubringen, an
ihren Stärken zu arbeiten und Potenziale auszuschöpfen. Aber auch auf eine
vernünftige Art mit den Eltern umzugehen. So interpretiere ich den Job, welcher
sehr intensiv und umfangreich ist, wenn man bedenkt, wie viele Fachbereiche an
einem Spieler mitwirken. Bereiche wie die Sportpsychologie, die Athletik und
der pädagogisch-schulische Bereich. Quasi eine qualitativ hochwertige
Talentbegleitung über die ganze Ausbildungszeit hinweg. Das habe ich in Bochum
versucht und es ist mir für die dortigen Bedingungen, denke ich, auch gut
gelungen. Diesen Ansatz wollen wir jetzt auch hier anwenden. Ziel ist es, die
Jungs aus unserem eigenen Jugendbereich irgendwann in unserem Stadion spielen
zu sehen. Deswegen bin ich hier.
Wie willst du das große Ziel, zukünftig auch mehr Spieler
der Eintracht-Jugend für die Bundesliga zu entwickeln, angehen?
Das ist tatsächlich die oberste Priorität. Wie viele Spieler
wir tatsächlich bis in die Bundesliga bringen können, werden wir noch sehen.
Jedes NLZ braucht grundlegend ein vernünftiges Arbeits- und Lernklima. Wenn du
„oben“ Spieler rausbringen möchtest, musst du „unten“ alle mitnehmen. Egal ob
es dabei um den Fahrdienst geht oder um die Athletiktrainer, die
Physiotherapeuten oder den Cheftrainer. Das Ziel ist es, die ganze Abteilung
mit einer hohen Qualität auszustatten und gleichzeitig Zusammenhalt zu
schaffen. Ich bin mir sicher, dass in diesem NLZ sehr viel Potenzial steckt –
man muss nur an den richtigen Schrauben drehen.
An anderer Stelle hast du kürzlich von einem
„rollierenden System“ gesprochen. Was ist damit gemeint?
Das System soll in Trainerfragen für Planungssicherheit und
ein gewisses Maß an Kontinuität sorgen. So rollieren zum Beispiel die Trainer
der U10 und der U11 miteinander: Der Trainer der U10 begleitet seine Mannschaft
im nächsten Jahr in die U11 und wechselt dann im Folgejahr zurück zu einer
neuen U10. Das Gleiche passiert in der U12 und U13, U14 und U15 sowie der U16
und U17. In der U19 und der U21 wird dieses System dann nicht mehr greifen,
ebenso nicht in der U9.
„Ich bin mir sicher, dass in diesem NLZ sehr viel Potenzial steckt – man muss nur an den richtigen Schrauben drehen“
Du hast die U21 gerade kurz erwähnt. Die U21 ist hier in
Frankfurt ein großes Thema, denn diese Mannschaft ist neu entwickelt worden und
künftig am Standort Dreieich angesiedelt. Wie soll denn die Struktur dieser
Mannschaft zukünftig aussehen?
Zunächst wurde vereinbart, Spieler von Hessen Dreieich in
die U21 mit einzubinden. Patrick Ochs [Sportlicher Leiter U16-U21; Anm. d.
Red.] hat daraufhin gemeinsam mit mir die Kaderplanung und Trainerfrage
vorangetrieben – gerade in der Kaderplanung bestand einiges an Nachholbedarf.
Wir waren eigentlich viel zu spät dran damit, eigentlich wird das drei bis vier
Monate früher gemacht. Die Zusammenarbeit mit ihm macht sehr viel Spaß und wir
haben gemeinsam einen guten Kader auf die Beine gestellt bekommen. Wir werden neben
den Spielern vom SC Hessen Dreieich Spieler des Jahrgangs 2004 aus unserem NLZ
in den Kader integrieren, die eigentlich noch in der U19 spielen könnten. So
haben sich für die U21 sehr junge Strukturen ergeben. Allerdings wird es ein
Prozess sein, den Kader in Zukunft vielleicht sogar hauptsächlich mit
Altjahrgängen aus der A-Jugend zu besetzen. Nächste Saison werden wir sehen,
wie es wird und wo wir landen.
Kristjan Glibo wird diese Mannschaft trainieren. Ein
junger Trainer, der zuletzt schon erfolgreich gewesen ist. Was bringt er mit?
Kristjan bringt, wie ich festgestellt habe, ganz viel
Eintracht in seiner Vita und seinem Herzen mit. Er ist ein sehr akribischer
Trainer, der gleichzeitig sehr viel Begeisterung vermitteln und dich mit seiner
Art packen kann. In Worms hat er mit vielen jungen Leuten eine richtig gute
Saison gespielt, war gleichzeitig noch Scout und in Teilen sogar sportlicher
Leiter. Im Grunde genommen hat er dort viele Dinge in sich vereint. Ich freue
mich sehr darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten, und im ersten Jahr die neue U21
mit ihm aufzubauen.
Dann ist noch Alex Meier als Co-Trainer dabei. Wie
wichtig ist es, Legenden wie ihn an den Klub zu binden und miteinzubeziehen?
Das sollten wir immer an den Stellen machen, an denen es
Sinn ergibt. Wir haben vereinbart, ihn auch in den kommenden drei Jahren zu
unterstützen und seine Entwicklung zu beobachten. Das hängt ebenso davon ab,
wann er seine erste Lizenz machen darf. Beim DFB gibt es ein neues
Credit-Point-System, das dazu führt, dass er aktuell nicht in den Lehrgang
kommt. Das ist ein bisschen ärgerlich, denn du darfst eine Mannschaft nur
trainieren, wenn du diese Lizenz besitzt. Ich bin überzeugt davon, dass er sich
als Trainer weiterentwickeln kann. Er ist grundsätzlich ein überragender Typ
und sehr positiv.
Vergangene Saison haben wir es tatsächlich geschafft, den
Europapokal zu gewinnen. Das bedeutet auch für die U19 einen hohen Aufwand,
denn: Die Youth League steht an. Was kommt da auf euch zu?
Zunächst einmal bedeutet das ganz viel Neuland, denn
Eintracht Frankfurt war mit der U19 noch nie in der Youth League vertreten. Das
wird auf jeden Fall kein Zuckerschlecken und viel wird davon abhängig sein,
welcher Gruppe wir zugelost werden. Hinzu kommt, dass für die Heimspiele noch eine
Spielstätte gefunden werden muss, die den Anforderungen der UEFA entspricht.
Das Ganze wird zudem Auswirkungen auf die Belastung der Spieler haben, die
nicht nur Bundesliga spielen müssen, sondern auch in der Youth League antreten.
Da werden wir ebenfalls schauen müssen, was wir mit den Spielern des
2004er-Jahrgangs machen, die zwar noch U19 spielen dürfen, aber auch in der U21
auflaufen sollen. Das müssen wir dann sehr individuell steuern.
Das wird spannend zu beobachten sein und natürlich
spielen auf diesem Weg auch die Trainer eine wichtige Rolle. Damir Agovic
übernimmt zur kommenden Saison die U19, wahrscheinlich auch, weil er genau das
verkörpert, was du gerade angesprochen hast.
Genau. Damir Agovic hat schon in unseren Gesprächen sehr
überzeugt. Er brennt auf diese Aufgabe und hat zudem einen sehr interessanten
Lebensweg. Wir haben sehr viele Gespräche geführt, auch mit Trainern für die
U21, und die beiden [Damir Agovic und Kristjan Glibo; Anm. d. Red.] sind
einfach hervorgestochen, haben uns begeistert und gehen diesen Weg zu 100
Prozent mit uns.
Apropos Trainer: Schaust du ebenso darauf, unsere
Nachwuchstrainer für potenzielle höhere Aufgaben im Profibereich auszubilden?
Ich finde, ein NLZ muss es leisten können, Trainer zu
entwickeln. Auch die Trainer bekommen viel Feedback, wir gehen mit in die
Kabine, hören uns an, wie Ansprachen gehalten werden und wie gecoacht wird.
Wenn du als junger Trainer so einen Weg gehst, bin ich mir ziemlich sicher,
dass wir irgendwann einen oder zwei dabeihaben werden, die wir für die Profis
anbieten können.
Worauf legst du sonst noch Wert im Jugendfußball?
Möchtest du in Zukunft einen klaren Spielstil implementieren?
Zunächst geht es darum, für Durchlässigkeit zu sorgen.
Allerdings ist nicht das Ziel, schon in den Jugendmannschaften so zu spielen
wie die Profis, sondern vielmehr in allen Jahrgängen Ausbildungsprinzipien zu
installieren, die aufeinander aufbauen. Dabei geht es um Prinzipien in
Ballbesitz, der Arbeit gegen den Ball, dem Umschaltspiel und in Standardsituationen,
die eingehalten und umgesetzt werden müssen. In ihrem Spielsystem sind die
Trainer vollkommen frei, aber die Spielphilosophie muss zu Eintracht Frankfurt
passen. Zu den Werten, die hier vorherrschen, der Disziplin, die herrscht, der
Ehrlichkeit, die die Einwohner und Fans von Frankfurt mitbringen. All das muss
auf dem Platz verkörpert werden und das möchte ich zukünftig in jedem Jahrgang
sehen: Dass die Spieler lebendig sind und Bock auf Fußball haben. Auf diesem
Weg können wir, denke ich, gute Jungs hervorbringen.
Ralph Gunesch ist als Übergangstrainer auch mit im Team.
Übergangstrainer – was heißt das konkret?
Er wird nicht nur für die zuständig sein, die hin- und
herpendeln. Als Leistungszentrum ist es unsere Aufgabe, die besten Spieler, die
da sind, noch besser zu machen. Ralph soll diese Spieler in verschiedenen
Trainingseinheiten individuell weiterbringen und trainieren. Das geschieht auch
in Abstimmung mit Markus Krösche und Oliver Glasner. Nach Videoanalysen werden
dann eingehend Inhalte festgelegt, die mit diesen Spielern geübt werden. Das
kann mal eine Zweiergruppe sein, aber auch mal eine Gruppe von zehn Spielern.
In der Regel werden wir aber genau festlegen, was mit welchem Spieler gemacht
wird. Du musst schon sehr detailliert arbeiten, um die Jungs oben
rauszubringen. Das wird die Aufgabe von Ralph sein. Wir haben außerdem
verabredet, dass er sich auch außerhalb des Platzes um die Spieler kümmert, um
auch die soziale Komponente mitzunehmen.
„Meiner Meinung nach ist die Kabine en Ort, an dem Handys durchaus mal ausgeschaltet bleiben könnten“
Du hast betont, dass dir das Thema Disziplin sehr wichtig
ist. Sowohl im Profi- als auch Jugendfußball sind Handy und Kopfhörer immer
dabei. Wie hinderlich kann das für eine Karriere sein?
Mir ist wichtig, dass wir auch neben dem Platz ein bisschen
Disziplin und Ordnung reinbringen. Die Spieler müssen und sollen auch
untereinander Gespräche führen, sich miteinander beschäftigen und wissen, wie
ihre Mitspieler ticken. Ich finde, dass die Kabine den Spielern und Trainern
gehört. Von dort sollte nichts gepostet werden, dort sollte man keine Fotos
machen. Meiner Meinung nach ist das ein Ort, an dem Handys durchaus mal
ausgeschaltet bleiben könnten. Ich kann als junger Spieler nicht sagen, dass ich
gerne Fußballprofi werden möchte, und auf der anderen Seite fünf Minuten vor
dem Training damit beschäftigt sein, zu telefonieren oder etwas auf Instagram
zu posten. Es geht nicht darum, den Spielern etwas zu verbieten, sondern darum,
ihnen zu erklären, was der Karriere guttut und was nicht. Ich glaube, da habe
ich auch ganz gute Ansichten. Man übt das natürlich auch zu Hause mit den
eigenen Kindern.
Zum Abschluss steuern wir noch einmal in Richtung
Saisonstart. Wie sieht bei der U21 der nächste Schritt aus?
Die Sommervorbereitung beginnt bald, das heißt, der Kader
ist fertig zusammengestellt? Wir stehen jetzt kurz vor dem Abschluss der
Kaderplanung. Aktuell gucken wir noch nach einem Stürmer. Ansonsten sind wir
aber gut besetzt und werden Ende Juni in die Vorbereitung starten. Und dann
freuen wir uns auf die Saison.
Interview: Jan Martin Strasheim
Bilder: Martin Ohnesorge