„Es wartet ein spannendes Jahr auf uns“

Seit 101 Jahren gibt es Boxen unter den Flügeln des Adlers, bereits seit September 2011 ist Azzedine El Karouia Abteilungsleiter Boxen. Wie Azze, so sein Spitzname, überhaupt zum Boxen kam, wie sich die Abteilung in den vergangenen elf Jahren entwickelt hat und welche Träume er mit der Abteilung verfolgt, darüber hat sich die EvM-Redaktion mit ihm unterhalten.

Wann hast du mit dem Boxen angefangen und wie bist du dazu gekommen?
Ich habe als kleiner Junge bei der Eintracht geturnt, dadurch wusste ich, dass bei der Eintracht auch Boxen angeboten wird. So habe ich als 14-Jähriger parallel zum Fußballspielen zusammen mit einem Freund mit dem Boxen angefangen. Hinsichtlich meiner Fitness für den Fußball war das ein sehr gutes Ergänzungstraining. Mein Bruder hat einige Wochen später ebenso angefangen und mit ihm bin ich bis heute in der Boxabteilung aktiv. 

Wie hat sich die Boxabteilung verändert, seit ihr damals angefangen habt?
Die Boxabteilung von damals ist mit der heutigen nicht mehr zu vergleichen. Es gab kaum Mitglieder, an Wettkämpfe geschweige denn Meisterschaften war gar nicht zu denken. Als ich 2011 die Abteilungsleitung übernommen habe, waren wir ungefähr 20 bis 30 Mitglieder. Mit der Übernahme des Postens kamen ehemalige Sportler wieder zu uns, mit denen wir früher trainiert haben. Weitere Gründe für den Mitgliederzuwachs sind die Nutzung der sozialen Netzwerke, der professionelle Trainerstab und unsere großen Räumlichkeiten. Insbesondere durch den Umzug in unsere eigene Halle nach Fechenheim ist die Zahl der Sportlerinnen und Sportler nochmals gestiegen, denn hier haben wir ein größeres Einzugsgebiet. Dies umfasst neben Fechenheim auch den Riederwald, Ostend, Maintal und Offenbach. Aus diesen Gebieten stammt der Großteil unserer Mitglieder. Heute ist die Boxabteilung so erfolgreich wie nie zuvor, wir peilen die 300-Mitglieder-Marke an und die Eintracht ist regelmäßig mit unseren Athleten auf den Hessischen und Deutschen Meisterschaften vertreten, einer möglicherweise in diesem Jahr sogar beim World Cup. 

Aus wie vielen Trainern besteht euer Team?
Unser Trainerteam besteht derzeit aus über zehn Trainern. Das sind alles ehemalige Aktive, die sportlich auch was vorzuweisen haben. 

Wie sind dabei eure Trainingsgruppen eingeteilt?
Im Anfänger- beziehungsweise Hobbybereich haben wir Unterteilungen: Es gibt die Kinder- und Jugendgruppe bis 17 Jahre, Fitness - und Frauenboxen ist ohne Wettkampfambitionen. Bei diesen Gruppen steht das Lernen der Grundlagen im Vordergrund. Hieraus kann man sich bis zur Wettkampfgruppe weiterentwickeln. Diese wiederum besteht tatsächlich nur aus Leistungssportlern. Deshalb haben wir sowohl Trainer für den Breitensport als auch für den Leistungssport, damit deren Trainingspensum erfüllt werden kann und wir gezielt arbeiten können. Innerhalb der Wettkampfgruppe gibt es keine Altersklassengruppierung. Der Jüngste ist elf, der Älteste 26. Wir trainieren gleichermaßen miteinander. Der Respekt steht bei uns über allem und deshalb soll der 26-Jährige den elfjährigen Knirps genauso als Kamerad ansehen wie einen Gleichaltrigen. 

Wenn alle Altersklassen in der Wettkampfgruppe zusammen trainieren, spürst du bei den Jüngeren eine besondere Motivation, dass sie sich die älteren, bereits erfolgreichen Leistungssportlern zum Vorbild nehmen, um eines Tages vielleicht auch dahin zu kommen?
Ja, sie nehmen die Sportler als Vorbild. Deshalb ist es auch so wichtig, dass sie gemeinsam trainieren. Das pusht sie natürlich, weil die Jüngeren aufschauen und das Training der „Großen“ mit eigenen Augen sehen. Gerade im Nachwuchsbereich haben wir viele Talente, und wenn die am Ball bleiben, haben sie großes Potenzial. 

Sprechen wir über Erfolge. Nenne uns doch mal die größeren sportlichen Erfolge der Abteilung in der jüngeren Vergangenheit.
Obwohl wir 2020 wegen des Lockdowns nicht trainieren konnten, wurden zwei Sportler im Jahr 2021 Hessenmeister und einer Vize-Hessenmeister. Das war bei vier gemeldeten Sportlern eine sehr gute Leistung. Individuelle Auszeichnungen wie „Bester Techniker“ oder „Bester Kämpfer“ konnten wir auch vereinzelt verbuchen. Dieses Jahr wurde mit dem Gewinn der Bronzemedaille von Alexander Okafor bei der EM erfolgreich eröffnet. Die nächsten Meisterschaften stehen uns noch bevor, bei denen wir hoffen, zahlreich vertreten und erfolgreich zu sein. 

Welche Meisterschaften sind das?
Die EM ist das größte Highlight in diesem Jahr. Im Juni stehen die Hessenmeisterschaften bevor, die Deutschen Meisterschaften 2021, die vom letzten Jahr nachgeholt werden, folgen im August. Der World Cup in Köln, bei dem Alex mit von der Partie sein wird, steht im Oktober auf dem Programm. Und das Jahr endet im Dezember mit den Deutschen Meisterschaften 2022. 

Wie viele Sportler der Eintracht werden voraussichtlich bei den Deutschen Meisterschaften teilnehmen?
Die Nominierung unserer Sportler erfolgt durch den Hessischen Boxverband. Dies geschieht durch einen Sichtungslehrgang, wenn sie den Boxer nicht schon im Kampf gesehen haben. Ich bin sicher: 2022 wird für uns ein tolles Jahr und ich hoffe, dass wir fünf Boxer bei den Meisterschaften stellen können – so viele Sportler gab es noch nie bei den Deutschen Meisterschaften in der Vereinsgeschichte des Boxens! Je nach Leistung können daraus Nominierungen für den World Cup entstehen oder die Berufung in den Kader für die Olympischen Spiele 2024. Es wartet also ein spannendes Jahr auf uns. 

„Mir liegt das Frauenboxen am Herzen“ 

Wir haben knapp 20 Prozent Frauen in der Boxabteilung. Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Als du angefangen hast, gab es eine oder zwei Frauen …
Das Lob gebührt an dieser Stelle unseren zwei Trainerinnen, die das Training wirklich wunderbar leiten. Als ich als Abteilungsleiter das Boxtraining übernommen habe, gab es noch keine Unterteilung in Männer und Frauen. Die Frauen, die damals zum Training kamen und ausschließlich mit Männern trainiert haben, waren oftmals eingeschüchtert und kamen nicht wieder. Das ist dann eben doch nochmal etwas anderes, wenn ein 16-jähriges Mädchen in die Halle kommt und fünf Schwergewichtler auf den Sandsack eindreschen und ein 175- Kilo-Boxer 200 Liegestütze abreißt (lacht). Sobald aber mehrere Frauen beim Training waren, sind sie wiedergekommen. Das ist mir schon früh aufgefallen. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, eine reine Frauen-Boxgruppe zu trainieren. Meike, die schon lange Mitglied war, hat diese dann übernommen. Mir liegt das Frauenboxen am Herzen. Ich finde es cool, wenn auch Frauen sich trauen, die Boxhandschuhe anzuziehen, und ich bin überzeugt davon, dass wir hier noch Potenzial haben. 

Wo liegt beim Frauenboxen bei der Eintracht der Schwerpunkt, wenn nicht auf Wettkämpfen?
Der Schwerpunkt liegt auf der technischen Ausbildung, also dem Erlernen der Grundlagen des Boxens. Auch der Fitnessaspekt wird berücksichtigt. Das Training ist dabei immer unterschiedlich aufgebaut und es variiert, ob Schattenboxen, Sandsackboxen oder Ausdauer auf dem Programm steht. Manche Mädels wollen ebenso mal Sparring, also einen Trainingskampf, ausprobieren. Das dürfen sie dann natürlich auch gerne. 

Frauenboxen liegt dir am Herzen. Welche weiteren Ziele verfolgst du?
Wir würden uns gerne räumlich vergrößern. Wir halten jederzeit die Augen offen, ob sich vielleicht irgendwo eine Möglichkeit ergibt, größere Räumlichkeiten anzumieten. Außerdem möchten wir bei den nationalen Meisterschaften mit mehreren Teilnehmern am Start sein und abliefern. Das oberste Ziel, das eigentlich für 2020 angesetzt war, ist, mit der Boxabteilung von Eintracht Frankfurt in der Bundesliga zu boxen. Aktuell sind wir dran, diesen Traum im nächsten Jahr in die Tat umzusetzen. 

Würdest du sagen, dass der Boxsport verschiedene Kulturen verbindet?
Auf jeden Fall! Wir haben in unserer Abteilung Marokkaner, Türken, Kroaten, Serben, Bosnier, Polen, Russen, aktuell im Wettkampftraining zwei Jungs aus der Ukraine und viele Nationen mehr. Zu Streitigkeiten oder Diskussionen kommt es dabei nicht. 

Welche Werte werden durch den Boxsport den Sportlerinnen und Sportlern vermittelt?
Respekt ist das A und O, doch auch Disziplin wird durch den Boxsport vermittelt. Als Boxer ist es absolut wichtig, auf sein Gewicht zu achten, um in seiner Gewichtsklasse zu bleiben. Die Sportler haben sowohl dem Verein als auch sich gegenüber die Pflicht, diszipliniert zu bleiben. Man lernt aber neben den Grundpfeilern Respekt, mentale Stärke und Disziplin auch, Verantwortung zu übernehmen. Schon ich habe als 15-Jähriger beispielsweise das Aufwärmtraining für die Gruppe übernommen – und das setzen wir auch heute noch um. Im Wechsel übernehmen die einzelnen Sportler das Aufwärmtraining oder ordnen die Wettkampfkleidung den Boxern zu. Das hilft nicht nur, selbstbewusster und selbstständiger zu werden, sondern auch, dass sie Teil des Ganzen werden, mithelfen können und nicht nur als Sportler agieren. Dabei ist es egal, ob derjenige erst elf oder 25, Superschwergewicht oder Leichtgewicht ist. Für uns sind in der Wettkampfgruppe alle gleich, jeder hat dasselbe Recht und dieselbe Daseinsberechtigung.