Ein Lebenstraum mit hoher Symbolkraft

Karl-Ludwig Icke hat es geschafft: Nach seiner Teilnahme am dritten Kurs von Fußballfans im Training (FFIT) hat der 63-Jährige sich mit der Besteigung des Kilimandscharos einen Lebenstraum erfüllt.

Text: Simeon Hofmann

Sonntag, 16. Januar 2022. Gegen Mitternacht setzt sich Karl-Ludwig Icke im afrikanischen Tansania in Bewegung, um den höchsten Punkt Afrikas zu besteigen. Die Stirnlampe erleuchtet den Weg, die letzten Kraftreserven werden aufgebraucht. Auf dem Boden sind nur die Füße des Vordermanns zu erkennen. Der Kopf ist ausgeschaltet, der Körper geht an seine Grenzen. Doch das große Ziel ist zum Greifen nahe. Der Sonnenaufgang über der afrikanischen Steppe, auf dem Gipfel des Kilimandscharos, er rückt näher.

Zehn Jahre zuvor. Karl-Ludwig Icke merkt, dass er etwas in seinem Leben verändern muss. Der heute 63-Jährige hat mit starkem Übergewicht zu kämpfen, ein Burnout reißt ihn aus dem Leben. Sein Hausarzt macht ihm deutlich, dass es so nicht weitergehen kann. Er macht sich als IT-Berater selbstständig und fängt mit dem Laufen an. Die Ernährung wird umgestellt, mit regelmäßigen Langzeitwanderungen hält sich Karl-Ludwig Icke, genannt Kalles, fit. Während dieser Zeit entsteht ein Traum, der im Januar 2022 in Erfüllung gehen sollte: Die Besteigung des Kilimandscharos. „Der Berg hat einen gewissen Zauber! Von oben schaust du beim Sonnenaufgang in die weite Steppe. Der Berg kann erlaufen werden, das macht ihn für jedermann zugänglich“, beschreibt Kalles seine Faszination. Doch bis dahin war es ein langer Weg, 2019 unternimmt Karl-Ludwig Icke bereits einen ersten Versuch. Fast zwei Wochen hält er damals durch, bis er kurz vor der letzten Etappe entkräftet aufgeben muss. Ein Magen-Darm-Infekt hatte ihn aufgehalten, der Traum vom Kilimandscharo war vorerst geplatzt. „Nach der gescheiterten Expedition war ich einige Tage ziemlich frustriert. Aber mit der Zeit habe ich die Einstellung entwickelt, dass ich das mit mehr Vorbereitung auch schaffen kann“, blickt Kalles heute zurück.

Gesagt, getan. Im Frühjahr 2020, kurz vor dem Ausbruch der Coronapandemie, meldet sich der 63-Jährige für die dritte Ausgabe von Fußballfans im Training an. Ein Angebot für übergewichtige Fans, die gemeinsam mit anderen Gleichgesinnten Pfunde verlieren wollen. In dem zwölfwöchigen Kurs von Fanabteilung und Fanbetreuung stehen Bewegung und Ernährung gleichermaßen auf einer Stufe, Kalles Startgewicht liegt bei 112 Kilogramm. Die Regelmäßigkeit habe ihm beim Abnehmen extrem geholfen, dazu sei der aktive Austausch mit anderen Gleichgesinnten gekommen. Von seinem Wohnort Bergen-Enkheim ist der IT-Berater zusätzlich zu den Trainingseinheiten die einfache Strecke von fünf Kilometern zum Riederwald gelaufen. Der Rückweg sei zwar oft sehr lange gewesen, aber als Tagesziel habe der Anreiseweg zusätzlich geholfen, die nötige Härte für die Besteigung des Kilimandscharos aufzubauen. Die Teilnehmer von Fußballfans im Training starteten nach dem Programm eine eigene Lauf- und Wandergruppe, die heute noch Bestand hat. Auch das habe dazu beigetragen, sich weiterhin fit zu halten und so mit reichlich Vorbereitung einen neuen Versuch zu starten. Der Traum vom Kilimandscharo, er lebte weiter.

Im Januar 2022 war es endlich so weit, am 5. Januar flog Kalles von Frankfurt nach Arusha/Tansania. Die Expedition musste aufgrund der Coronapandemie um ein Jahr verschoben werden, doch mit 95 Kilogramm Startgewicht sah er sich gut gewappnet. Mit der Hubert-Schwarz-Stiftung und 15 weiteren Mitstreitern begann Kalles sein zweites Abenteuer. Die erste Etappe der Expedition führte auf den Mount Meru, der auf schon beachtlichen 4.566 Metern Höhe liegt. Ein Einstieg, um Landschaft und Team langsam kennenzulernen. Der Aufstieg auf den Kilimandscharo sollte letztlich vier Tage in Anspruch nehmen, die letzte Etappe startete gegen Mitternacht: „Dort befindest du dich außerhalb jeglicher Komfortzone, der Kopf hat längst abgeschaltet. Trotzdem kannst du noch drei Stunden weiterlaufen, das ist ein außergewöhnliches Erlebnis“, beschreibt Kalles die letzte Etappe. Im Morgengrauen ist der etwa 2,5 Kilometer durchmessende Kraterrand erreicht, an dem der Berg als bestiegen gilt. Der Moment, in dem Karl-Ludwig Ickes Anspannung abgefallen ist. Der Traum, dessen Erfüllung er als langfristige Motivation über zehn Jahre aufgeschoben hatte, er war endlich Wirklichkeit geworden. In diesem Moment wusste Kalles, dass er es geschafft hat. Das Training, es hatte sich ausgezahlt. Das Wetter meinte es gut mit den Expeditionsteilnehmern, in der weiten Steppe Afrikas ging zeitgleich die Sonne auf. Die letzten Meter bis zum höchsten Punkt Afrikas wurden spielend gemeistert, zu Belohnung durfte vor dem Abstieg das obligatorische Gipfelfoto nicht fehlen. Auf stolzen 5.885 Metern über dem Meeresspiegel.

Beim Anblick dieses Fotos wird Karl-Ludwig Icke sentimental: „In diesem Foto steckt so viel Symbolik. Der DFB-Pokalsieg 2018 und die Besteigung des höchsten Bergs Afrikas mit 63 Jahren – das sind beides Erlebnisse, die in einem Leben wohl in dieser Form einmalig sind.“ Nicht die einzige Verbindung zwischen seinem Leben als Fan und dem Erlebnis während der Expedition. Immer wieder hebt der 63-Jährige den außerordentlichen Zusammenhalt während der Expedition hervor, den er auch im Stadion und bei Fußballfans im Training bereits erleben konnte. Andere ehemalige Teilnehmer hatten ihn für seine Idee dagegen belächelt: „Viele haben gesagt, dass das eine verrückte Aktion sei, die ich da unternehme. Aber ich habe allen gezeigt, dass man auch noch mit 63 Jahren außergewöhnliche Ziele erreichen kann!“ Mit dieser besonderen Erfahrung im Gepäck wird Kalles die nächste Wandertour in Angriff nehmen, um auch andere ehemalig Mitstreiter zu motivieren. Im Leben lohnt es sich zu kämpfen, das hat sich Karl-Ludwig Icke mit der Erfüllung seines Lebenstraums endgültig bewiesen.