„Jens Petter muss die Balance finden“
Landsmann Jan Aage Fjörtoft, Markenbotschafter der Eintracht, über den Werdegang von Jens Petter Hauge, Kritik von außen an ihm und den Konkurrenzkampf in Eintrachts Offensive.
Vom beschaulichen Bodø/Glimt bis zum Europapokalsieger.
War dieser steile Karriereweg für Jens Petter Hauge aus deiner Sicht absehbar?
Man sieht auf jeden Fall, dass es nicht nur ein Klischee
ist, dass es im Fußball manchmal schnell gehen kann. Als junger Profi ging es
für ihn leihweise zu Aales und in die Zweite norwegische Liga, wo er nicht
wirklich eine Rolle spielte. Doch als er zurückkam, gelang ihm ein bisschen aus
dem Nichts der große Durchbruch. Plötzlich war er einer der wichtigsten Spieler
bei Bodø/Glimt.
Nur ein Jahr später ging es weiter nach Italien.
Der Schritt von Norwegen zum AC Milan war schon groß. Da
musste er erst einmal lernen, außerhalb der Heimat in einem fremden Land zu
leben. Er erlebte zum ersten Mal, was es heißt, eine internationale Karriere zu
haben. Ein Jahr später ging es weiter nach Frankfurt, wieder in ein neues
Umfeld. Da kann man dann schwer abschätzen, wie lange es dauert, bis man
vollends angekommen ist. Auch Jesper Lindström hatte im ersten halben Jahr so
seine Probleme, startete dann in der Rückrunde durch und wurde Stammspieler.
Jens Petter wartet hingegen noch auf den Durchbruch und
sah sich zuletzt auch mal mit kritischen Stimmen konfrontiert. Wie schätzt du
deinen Landsmann nach seiner ersten Saison bei der SGE ein?
Ich sehe einen Spieler, der immer noch mitten in seiner
Entwicklung ist. Gleichzeitig ist das auch ein junger Mensch, der noch seinen
Weg sucht. Das wird oft vergessen. Du verlässt deine Komfortzone in Bodø, gehst
nach Mailand, dann nach Frankfurt. Das ist für jeden eine Herausforderung,
gerade mit Anfang 20. In seiner ersten Saison hat er vielleicht noch nicht den
kompletten Durchbruch geschafft, aber trotzdem steht er am Ende der Spielzeit
als Europa-League-Sieger da. Das ist eine tolle Belohnung und ein
Karrierehöhepunkt. Viele gute Spieler holen nie einen Titel, schon gar keinen
internationalen. Zu diesem Erfolg hat auch er seinen Beitrag geleistet, sei es
mit dem Siegtreffer in Piräus oder der Roten Karte gegen Aaron Cresswell im
Rückspiel gegen West Ham United, der ihn nur per Notbremse stoppen konnte.
Wenn es mal nicht optimal läuft, spekulieren Fans und
Medien gerne darüber, dass die kolportierte Ablöse für manche Spieler eine
gewisse Bürde darstellt. Ist da etwas dran?
Das Umfeld macht sich ziemlich sicher mehr Gedanken über
solche Dinge als die Spieler. Ablösesummen und diese Fixiertheit von Fans und
Medien auf Zahlen sind Teil unseres Geschäfts. Aber Hauge hat als Spieler
keinen Einfluss darauf, welches Preisschild man ihm umhängt oder was sein
Verein für ihn bezahlt hat. In seiner Macht liegt es nur, alles zu geben und im
richtigen Moment seine Leistung abzurufen. Wichtig ist die Balance zwischen „es
wollen“ und „zu viel wollen“, genau die muss er für sich finden. Er wird
sicherlich sich und allen anderen beweisen wollen, dass er es in Frankfurt
schaffen kann. Das wird ihn mehr beschäftigen als irgendwelche Zahlen.
Also kommt die Kritik aus deiner Sicht zu früh?
Profifußball ist natürlich auch ein brutales Geschäft. Es
gibt nur elf Startplätze und bei vielen Topklubs bist du schnell weg vom
Fenster. Die Eintracht gibt ihren Spielern aber etwas mehr Zeit, das ist ein
Vertrauensvorschuss. Ein großer Unterschied zwischen Spitzensport und
„normalen“ Berufen ist, dass du immer sehr schnell und sehr direkt Feedback für
deine Leistung bekommst. In alltäglichen Jobs kann es passieren, dass du
jahrelang vor dich hinarbeitest und deine Leistung nie bewertet wird. Das ist
bei Fußballern anders, da bekommst du sofort eine Reaktion. Vom Trainer, den
Zuschauern, den Medien – alle bewerten deine Leistung. So ist das Geschäft.
Hauge bleibt in meinen Augen einer der Herausforderer, der in der kommenden
Spielzeit mehr Minuten auf dem Platz stehen will als in der vergangenen. Die
Konkurrenz ist gewaltig, aber wie ich Oliver Glasner einschätze, müssen sich
auch die anderen anstrengen. Niemand wird seinen Platz sicher haben. Jens
Petter wird also hart für seine Chance arbeiten müssen, genau wie alle anderen.
Man sieht schon jetzt während der Vorbereitung, dass der
Konkurrenzkampf noch mal zugenommen hat. Offensiv sind unter anderem Mario
Götze, Lucas Alario und Randal Kolo Muani dazugekommen.
Mit Mario Götze hat man einen Spieler geholt, der eine
Symbolfigur und dessen Verpflichtung ein absolutes Ausrufezeichen ist. Seine
Karriere und seine großen Titel kennt jeder, nicht nur seinen Siegtreffer in
Rio 2014. Er ist allerdings auch ein Spieler, dessen Karriere Höhen und Tiefen
hatte und der trotzdem immer weiter seinen Weg gegangen ist. Er hätte es sich
auch einfacher machen können und nicht zurück in die Bundesliga wechseln
müssen. Aber er stellt sich der Herausforderung, die in dieser starken
Frankfurter Mannschaft sicher größer ist als bei manch anderem Ver - ein oder
in einer kleineren Liga. Damit ist er für alle anderen, auch Jens Petter, eine
große Inspiration. Denn es zeigt, dass man nie aufgeben oder nachlassen sollte
und seinen Weg weitergehen muss. Auch wenn es mal holprig wird und vielleicht
nicht nach Plan läuft.
Interview: Markus Rutten