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Sieben Geschichten über den Neuzugang Mario Götze, die einen staunen lassen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Nummer 27 aus der Adlerperspektive

Text: Daniel Grawe
Bilder: Bianca Jockel, imago images, privat

Mario Götze hat sich erst wenige Stunden im ProfiCamp im Deutsche Bank Park eingefunden, als er gegenüber EintrachtTV keinen Zweifel daran ließ, dass seine Entscheidung, nach zwei Jahren bei der PSV Eindhoven in die Bundesliga zurückzukehren und einen Dreijahresvertrag bei Eintracht Frankfurt zu unterschreiben, wohldurchdacht war. „Wenn man ein paar Jährchen zurückblickt, ist hier ein stetiges positives Wachstum und eine Entwicklung gewesen, die nicht nur in Deutschland, sondern generell in Europa wahrgenommen wurde. Natürlich sind Trophäen wie der DFB-Pokal oder die Europa League schön. Aber es ist auch wichtig, was hinter den Kulissen passiert, wie sich der Verein aufstellt und wie er wahrgenommen wird. Das war über einen längeren Zeitraum durchweg positiv. Deshalb vermittelt Eintracht Frankfurt dieses Bild nicht nur in Deutschland.“ Was die wenigsten wissen: Erste Berührungspunkte mit den Hessen hatte der 30-Jährige erstmals vor über 18 Jahren – mit bis heute bleibendem Eindruck.

„Es ist auch wichtig, was hinter den Kulissen passiert, wie sich der Verein aufstellt und wie er wahrgenommen wird. Das war über einen längeren Zeitraum durchweg positiv“

2004 – Budenzauber in Aarbergen
Zur Winterpause im Januar 2004 traten die D-Junioren der Eintracht beim damals prestigeträchtigen Nachwuchsturnier in Aarbergen im Rheingau-Taunus-Kreis an. Karl Rotter befand sich in seinem ersten von später 15 Jahren als U13-Chefcoach und wartet dieser Tage mit einer Story auf, die wirklich nur der Fußball schreibt. 

„Wir hatten wegen Glatteis Verspätung, kamen erst fünf Minuten vor unserem ersten Spiel an, haben, ohne uns aufgewärmt zu haben, Ajax Amsterdam 4:1 weggehauen und sind anschließend durch die Gruppenphase spaziert“, erinnert sich der Koordinator Lernhilfe des Nachwuchsleistungszentrums. Noch heute würde er von damals Beteiligten angesprochen, dass nach der Vorrunde jeder der Meinung war, die Eintracht würde das Turnier gewinnen. Bis zur letzten Partie der Zwischenrunde sah es stark danach aus. 5:0 gegen Casino Salzburg, 2:1 gegen Hertha BSC, 2:0-Führung gegen Borussia Dortmund. Ein Remis hätte fürs Halbfinale gereicht. Eine Minute vor Schluss steht es 2:2, die Jungadler vergeben mit drei Mann alleine vor dem Torhüter den Lucky Punch, der Bumerang landet bei einem Schwarz-Gelben – 2:3. Der Name des Torschützen, der Rotter nach eigener Aussage dazu gebracht habe, in der Kabine einen Rekord im Eisbeutelweitwurf zu brechen: Mario Götze …

2013 – Kabinenbegegnung am Riederwald
Dass den Hessen dadurch die Aussicht auf den Hauptgewinn eines neuen Handys durch die Lappen ging, nagte lange. Um genau zu sein, fast ein Jahrzehnt. Im März 2013 schlug die Deutsche Nationalmannschaft im Rahmen eines WM-Qualifikationsspiels zu einer Trainingseinheit am Riederwald auf, um auf Kunstrasen üben zu können. In den Kabinengängen kreuzten sich zufällig die Wege von Rotter und Götze. „Wir haben uns begrüßt und ich habe ihm gesagt, ich sei immer noch sauer. Er hat gelacht und konnte sich sogar noch erinnern“, erzählt Rotter vom Wiedersehen mit dem seinerzeitigen Newcomer. „Als er uns dann im Jahr darauf zum Weltmeistertitel geschossen hat, habe ich ihm aber endgültig verziehen“, meint er schmunzelnd. 

2014 – Große Geste in Rio
Was acht Jahre nach dem vierten Stern immer mehr verblasst, ist Götzes Geste bei der Siegerehrung. Kurz nach dem Schlusspfiff schnappte sich der Finalheld das Nationaltrikot mit der Nummer 21 seines Spezis aus Dortmunder Tagen Marco Reus und hielt es im Moment, als seine Kollegen den Pokal in die Höhe reckten, in den Nachthimmel Rio de Janeiros. Mit ähnlich großen Gesten ließ sich schon in der Eintracht-Historie punkten. Die Übergabe des UEFA-Cups 1980 an Jürgen Grabowski und 2018 an Alex Meier, beide damals verletzte Kapitäne, durch ihre Vertreter Bernd Hölzenbein und David Abraham sind die besten Beispiele. 

2020 – Verdienstorden für soziales Engagement
Der Spitzeltreffer in der 113. Minute gegen Argentinien sollte auch auf anderer Ebene – indirekt – zu höchsten Weihen führen. Der goldene Schuh brachte bei einer Spendengala zwei Millionen Euro für wohltätige Zwecke ein. Nur die Spitze des sozialen Engagements des gebürtigen Memmingers, der sich unter anderem für mehrere Initiativen zum Bau von Schulen einbringt, ein Fußballprojekt für Mädchen in Brasilien fördert und sich um Patenkinder in Kambodscha, im Senegal und in Vietnam kümmert. Der Lohn: der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen 2020. Auch in dieser Hinsicht ist er „Im Herzen von Europa 1“ buchstäblich an der richtigen Adresse. 

2021 – Tracking-Rekord in Eindhoven
Im selben Jahr verließ der seit 2009 in der Bundesliga aktive Götze erstmals sein Heimatland und wechselte zur PSV Eindhoven in die Niederlande. Dass er dort nicht nur zu früherer Leichtigkeit, sondern zur möglicherweise körperlich stabilsten Verfassung seiner Karriere gefunden hat, verifizierte nicht nur der Medizincheck. Denn neben 51 Pflichtspielen in der vergangenen Saison knackte der 1,76-Meter-Mann am 16. September unter dem Radar der Öffentlichkeit auch einen Rekord. Dass der Offensivkünstler beim Europa-League-Spiel gegen Real Sociedad San Sebastian ein Tor erzielte und in 90 Minuten zwölf Kilometer abspulte, geriet für die Analysten des Eredivisie-Klubs zur Nebensache, als sie bei ihrer Auswertung feststellten, dass ihr Akteur davon 4,3 Kilometer – also 36 Prozent – mit über 14 Kilometern pro Stunde lief, was unter die Kategorie „hohe Intensität“ fällt. Seit Anbruch des Tracking-Zeitalters hatte kein PSVler einen so hohen Wert aufgewiesen. Voraussetzungen wie gemacht für den Eintracht-Fußball unter Oliver Glasner. 

2022 – Wiedersehen mit alten Bekannten
Zwei, die bereits von den Qualitäten des Edeltechnikers profitieren durften, sitzen ab sofort neben Götze in der Kabine. „Ich kenne Kevin Trapp von der Nationalmannschaft und habe mit Seppl Rode bei Dortmund und Bayern gespielt. Wir haben geschrieben und kurz gesprochen. Ich habe verfolgt, wie sie vergangene Saison gespielt haben. Dadurch habe ich mich mehr mit dem Thema beschäftigt und mit beiden ausgetauscht“, verrät Götze bei EintrachtTV, zuvor Kontakt zu seinen neuen alten Teamkollegen aufgenommen zu haben. 

And now…
Angesprochen auf seine Ambitionen in der Mainmetropole hat Götze klare Vorstellungen. „Ich möchte meine fußballerische Qualität auf den Platz bringen, aber generell auch meine Erfahrung einbringen und dem Verein helfen, ein Puzzleteil sein für die Mannschaft, den Verein und das Trainerteam. Ich will meinen Beitrag leisten, dass die beachtliche Entwicklung weitergeht.“ Markus Krösche schlägt in dieselbe Kerbe. „Mario bringt sehr viele Fähigkeiten mit, die wir benötigen, um unsere Ziele zu erreichen. Er ist torgefährlich, in der Lage, den letzten Ball zu spielen, und bringt unheimlich viel Erfahrung mit. Das brauchen wir“, skizziert der Sportvorstand das Anforderungsprofil mit Blick auf anstehende Herausforderungen wie tief verteidigende Gegner.