Rafael, du wurdest in Barranquilla, der viertgrößten Stadt des Landes im Norden am Meer, geboren, bist aber etwa 300 Kilo- meter weiter ins Landesinnere nach Valle- dupar gezogen, als du fünf Jahre alt warst. Erinnerst du dich an die Zeit, in der du dich in den Fußball verliebt hast? Mein Vater nahm mich damals mit in die Fuß- ballschule, damit ich mit den anderen Kindern zusammen spielen konnte. Aber zu diesem Zeitpunkt war es nur ein Spiel, ein Zeitvertreib. Ich habe damals mit meinen Freunden barfuß auf der Straße gespielt, in meiner Nachbar- schaft, einfach um Spaß zu haben. Besonders erinnere ich mich aber an meinen Onkel, der Fußball liebte und diese Liebe Jahr für Jahr an mich weitergab. Wir haben auf der Terrasse zu Hause immer gekickt. Wie alt waren die Kinder aus den anderen Vierteln, als sie anfingen, sich vor deinen fußballerischen Fähigkeiten zu fürchten? Ich glaube, das geschah, als ich zehn oder elf Jahre alt war. In diesem Alter begannen meine Familie, meine Nachbarn und meine Eltern zu glauben, dass ich mich von anderen abheben würde. Sie hielten mich nicht für einen zukünf- tigen Profispieler, aber ich fing an, unter den Kindern, die mit mir spielten, hervorzuste- chen. Wenn es in unserer Nachbarschaft ein Kind gab, das sehr gut war, nahm man es mit, um gegen ältere Kinder zu spielen. Auf diese Weise konnte getestet werden, ob man gut genug für diese Art von Herausforderung war. Es hat mir immer Spaß gemacht, gegen Ältere zu spielen. Wie war die Situation, bevor du entschie- den hast, nach Deportivo Cali zu gehen? Es war sehr schwer, denn ich war zwölf oder 13 Jahre alt und musste meine Eltern verlas- sen. Ich bin in Barranquilla aufgewachsen, und Deportivo Cali wollte mich in die Stadt Cali bringen, damit ich in der Akademie mitspielen kann. Natürlich ist es für Eltern nicht einfach, von ihrem Kind getrennt zu sein, vor allem, wenn es noch so jung ist. Ich denke, es war eine schwere Entscheidung, aber andererseits war es das, was ich tun wollte, was mir gefiel. Man munkelt, dass du als Kind ein großer Torwart warst. Ja, mein erstes Idol war Óscar Córdoba. Er war ein Torhüter, der eine große Karriere bei uns in Kolumbien hatte, und ich habe ihn lange Zeit verfolgt, weil ich mich mit seinem Charak- ter und seiner Persönlichkeit identifizieren konnte. Natürlich hat sich der Fußball für mich dann verändert, als ich die Position wechselte. Das hat meine Sichtweise auf das Spiel ein we- nig verändert, und so habe ich mich natürlich auch für andere Spieler interessiert. Ich habe mich sehr mit Radamel Falcao und Robin van Persie identifiziert. Sie sind die beiden Stür- mer, die ich während meiner gesamten Kar- riere verfolgt habe. Ich bewundere sie schon so lange, wie ich Fußball spiele. Was bedeutet es, Kolumbianer zu sein, mit den Rhythmen und Ideen des Landes auf- zuwachsen und von seiner Geburtsstadt beeinflusst zu werden? Barranquilla ist eine sehr fröhliche Stadt, sie ist sehr dynamisch, die Menschen dort sind voller Emotionen und Energie. Das ist etwas, was oft viel wert ist, wenn die schlechten Mo- mente kommen. Es gibt dir die Fähigkeit, die Dinge gut zu nehmen. Wenn es mal nicht gut läuft, mache ich weiter und gebe mein Bestes. Ich denke, die Mentalität und Kultur meiner Heimat haben mir geholfen, viele Hindernisse zu überwinden. Kolumbianisch zu sein bedeu- tet Freude zu haben, hart zu arbeiten und im- mer das Beste für sich und seine Familie zu wollen. Warum ist der Fußball in Kolumbien so tief in den Seelen der Menschen verwurzelt? Die Menschen in Kolumbien sind natürlich sehr leidenschaftlich, sie sind mit ganzem Her- zen dabei und verfolgen den Fußball sehr ge- nau. Meiner Meinung nach sind sie jedoch sehr schnell demotiviert, wenn die Dinge schlecht laufen. In Kolumbien müssen wir et- was geduldiger sein, was die Abläufe angeht. Ich glaube, wir sind so leidenschaftlich, dass wir uns oft, wenn etwas nicht auf Anhieb funk- tioniert, komplett gegen diese Dinge wenden. Ich hatte das Glück, vier Jahre in Argentinien zu verbringen, wo Fußball für viele Menschen eine Religion oder eine Lebenseinstellung ist. Ihre Tagesstimmung hängt davon ab, ob ihre Mannschaft gewinnt oder verliert, ob sie gut oder schlecht ist. Sie kann von einer Woche zur nächsten völlig anders sein. Was ich in Argen- tinien erlebt habe, hat mir gezeigt, mit welcher Leidenschaft und Liebe die Menschen für den Fußball und ihre Vereine leben. Die Anfänge: Rafael im Trikot von Deportivo Cali in seinem Heimatland Kolumbien. „In diesem Alter [zehn, elf Jahre] begannen meine Familie, meine Nachbarn und meine Eltern zu glauben, dass ich mich von anderen abheben würde“ Eintracht vom Main 25