„Sport verbindet einfach“

Zwei Triathleten der Eintracht haben im Februar ein Projekt angestoßen, um neue Guideläuferinnen und -läufer für blinde oder seheinschränkte Menschen zu werben: Uwe Wittemeier, der selbst blind ist, sowie sein Freund und Guide bei zahllosen Läufen, Triathlons und Radfahrten, Alexandros „Aleco“ Tamtelen. Uwe berichtet. 

„Alles begann eigentlich beim Berlin-Marathon im Jahr 2017, als Aleco ungefähr bei Kilometer 23 spontan als Laufguide für einen blinden Läufer einsprang, dessen Guide Ablösung benötigte. Darüber kamen wir in Kontakt zum „Guidenetzwerk Deutschland“, einer Organisation, die bundesweit Guideläuferinnen und -läufer ausbildet und vermittelt. Anfang 2022 fragte das Guidenetzwerk bei uns an, ob sich bei der Eintracht weitere Mitglieder finden ließen, die Läuferinnen und Läufer mit Seheinschränkung bei Training und Wettkampf unterstützen würden. Daraufhin kamen wir auf die Idee, das alles auf breitere Füße zu stellen.

Im Februar informierten wir über unser Intranet unsere Triathlon- und Radsportkolleginnen und -kollegen über unser Anliegen und luden zu einer Videokonferenz ein. Dort berichteten Aleco und ich aus der Sicht eines Guides und eines blinden Läufers über Möglichkeiten und Herausforderungen gemeinsamen Laufens. Uns ging es zuallererst darum, Berührungsängste und Unsicherheiten abzubauen und über die Anforderungen beim Guidelaufen zu informieren. Es ist nachvollziehbar, wenn unerfahrene Menschen erst einmal Sorgen haben, wie es mit Unfallrisiken und Gefahren aussieht. Bei dieser ersten Runde kamen bereits um die zwanzig Interessierte zusammen. Wichtig war uns die Botschaft, dass Guidelaufen nicht schwierig ist, sondern in erster Linie Kommunikation erfordert.

Neun Mutige meldeten sich für den nächsten Schritt an: ein gemeinsames Lauftraining mit Jaqueline und Niklas, beide Menschen mit Seheinschränkung, die nach Guides suchten. Dieses fand im März im Frankfurter Ostpark statt. Schon bei der Vorbereitung stießen wir auf die ersten praktischen Herausforderungen: Wie kommt ein Mensch mit Seheinschränkung zu unserem Treffpunkt, dem Kiosk im Ostpark? Für sehende Menschen kaum der Rede wert, für Nichtsehende ein fast unlösbares Problem: Wie finde ich mein Ziel, wenn ich mich mit einem Taststock orientiere? Keine Leitstreifen, keine Orientierungspunkte, nichts davon in einem Park, der zur Erholung und Entspannung da sein sollte. So bestand der erste Schritt darin, dass die Sehenden die Nichtsehenden an der U-Bahn abholten.

Dann gaben Aleco und ich ein paar praktische Einführungen, ein weiteres Führungsband wurde geknüpft und die Paarungen wurden aufgeteilt: zuerst immer ein erfahrener Guide wie meine Frau Patricia oder Aleco mit Jaqueline und Niklas, dazu ich als erfahrener blinder Läufer mit einem neuen Guide. So liefen wir einige Runden im Ostpark, wechselten durch. Die neuen Guides lernten einiges über Hindernisse ansagen, lockeres nebeneinander laufen und am Arm greifen, wenn es darum geht, Hindernissen oder anderen Menschen auszuweichen. Die Basics waren bald vermittelt und zwei Stunden schnell vorbei. Soweit alles easy – doch zum Abschluss verabredeten wir uns zu einem ersten gemeinsamen Wettkampf: dem 9. Inklusionslauf der Lebenshilfe Gelnhausen!

Dieser Lauf beinhaltet Walking- und Laufstrecken über verschiedene Distanzen von fünf bis 20 Kilometer. Die Strecke ist überwiegend flach und asphaltiert und auch für Rollstuhlfahrer geeignet, also perfekt für eine Gruppe wie unsere. So trafen wir uns am Morgen des 24. April mit insgesamt sechs Menschen, davon zwei mit Seheinschränkung. Schnell waren die Paarungen aufgeteilt: Jaqueline wollte mit Caro auf die Walkingstrecke über fünf Kilometer, ich hatte mich für die Laufstrecke über zehn Kilometer mit Peter und Sarah als Guides entschieden.

Der Start war für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam angesetzt. Wir versammelten uns auf der Tartanbahn im Stadion, und dann ging es auch schon los! Erst mit etwas Gedränge und danach immer lockerer, als sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Tempo sortierten und das Feld sich langsam auseinanderzog. Der Rundkurs ist 2,5 Kilometer lang, sodass wir ihn viermal laufen mussten. Die erste Runde war noch etwas holperig, bis sich alle an die neue Herausforderung gewöhnt hatten – Laufen im Park ist doch etwas anderes als ein Wettkampf mit vielen Menschen. Mehrfach begegneten wir Jaqueline und Caro; immer wieder die Gelegenheit für ein paar aufmunternde Worte, ein Lächeln oder ein kurzes Winken.

Jaqueline beendete ihren ersten Wettkampf auf Platz zwei bei den Walkerinnen mit Seheinschränkung und ich meinen Lauf mit leicht verbesserter Jahresbestzeit. Alles in allem ein erfreuliches Ergebnis; eine Wiederholung im nächsten Jahr ist zu erwarten. Unser besonderer Dank geht an die Lebenshilfe Gelnhausen für die hervorragende Vorbereitung und Durchführung des Laufes.“