Ein ganzer Ort steht Kopf

Von Volkmarsen bis Lorsch, von Bad Camberg bis Eiterfeld. Im Rahmen der Kampagne „Eintracht in der Region“ ziehen die Profiteams, die Traditionsmannschaft, die Fußballschule und das Eventteam durch ganz Hessen und begeistern die Eintracht-Fans. Rund 25.000 Zuschauer haben die bislang zwölf Spiele größtenteils auf Dorfsportplätzen besucht. Die Begeisterung der ausrichtenden Vereine und der Anhänger kannte keine Grenzen, es waren Festtage für ganze Orte und Städte. Die „Eintracht vom Main“-Redaktion war im osthessischen Wölf dabei und hat sich einen Tag „Eintracht in der Region“ angeschaut. 

Reportage: Michael Wiener
Fotos: Martin Ohnesorge

Es geht auf 22 Uhr zu an diesem Freitagabend in Wölf, einem 270-Einwohner-Ort im Osten Hessens. Im Hauptzelt, direkt am malerisch auf einer Anhöhe gelegenen Rasenplatz ein paar Meter entfernt von den Häusern, sitzt Lajos Detari auf einer Bierzeltbank, genießt ein Kaltgetränk und erfüllt noch den einen oder anderen Fotowunsch. Der Ungar, einst Siegtorschütze für die Eintracht im DFB-Pokalfinale 1988, hat sein Debüt für die Traditionsmannschaft gegeben, wie damals die Nummer zehn getragen und einen ganzen Ort elektrisiert – aufgrund eines kuriosen Videos, dazu später mehr. Detari, Slobodan Komljenovic, Mo Idrissou und Co. lassen den Abend ausklingen, während im Nachbarzelt gerade die Party erst begonnen hat. DJ Weili, als Schiedsrichter kreisweit bekannt und auch schon bei einem Eintracht-Tradispiel ein paar Orte weiter im Einsatz gewesen, heizt das partywillige Volk ein. Sicherlich noch ein paar Stunden lang, denn dieser Sommertag ist ein Festtag für Wölf gewesen. Die Eintracht zu Gast auf dem Land, das hat ungeahnte Kräfte beim Ausrichter freigesetzt. Es hat sich gelohnt.

14 Uhr
Rund acht Stunden zuvor herrscht auf dem Sportgelände auch schon reges Treiben. An allen Ecken und Enden wuseln Frauen und Männer in roten T-Shirts. Kuchen werden ins Vereinsheim gebracht, Stromleitungen überprüft, die bereits aufgebauten Bierzeltbänke an die richtige Stelle gerückt. Die Vorfreude über das, was hier in ein paar Stunden los sein wird, ist an allen Ecken zu spüren. Mittendrin steht Tobias Nophut. Das Vorstandsmitglied erzählt von den vergangenen Wochen, von Arbeitseinsätzen mit 30, 40 Mann auf dem Sportgelände am Wochenende, abends und immer, wenn etwas zu tun war. Das Sportfest über Pfingsten, an dem über vier Tage volles Programm mit Fuß- und Beachvolleyballturnieren auf dem Wölfer Sportgelände herrscht, sei schon kräftezehrend gewesen. „Aber die Vorbereitung auf dieses Event war nochmal eine andere Hausnummer“, sagt Nophut, der später im Tor der Alten Herren stehen wird. 700 Paletten wurden über einen privaten Kontakt auf das Sportgelände gekarrt, daraus wurden auf beiden langen Seiten kleine Tribünen errichtet. Im Hauptzelt wurde ein VIP-Bereich hergerichtet, mit Schals an den Wänden und festem Boden unter den Füßen. „Hier in Wölf packt jeder an. Dazu helfen die Nachbarvereine. Der Zusammenhalt bei uns ist extrem groß“, ist Nophut stolz auf den kleinen Ortsteil von Eiterfeld. 

In der Tat ist der SV Wölf ein sehr aktiver Verein. Der SVW hat mehr Mitglieder als Einwohner, stellt zwei eigenständige Männermannschaften im Spielbetrieb (A-/B-Klasse) und organisiert immer wieder herausragende Sportereignisse. „Unsere gut besuchten Feste ziehen die Jugend an. Damit punkten wir, Sportler aus den umliegenden kleineren Orten kommen gerne zu uns. Und in Wölf selbst zieht jeder mit, bei diesen Ereignissen ist der ganze Ort auf den Beinen“, erklärt Nophut. In drei Jahren wird der SV Wölf 100 Jahre alt.

15 Uhr
Noch vier Stunden bis zum Anpfiff, in 60 Minuten beginnt das Training der Fußballschule. Die Vorbereitungen neigen sich dem Ende zu. Eric Münter und sein Team von EMS Dienstleistungen aus Langen haben die Werbebanden mit Eintracht-Bannern überhängt, sie arbeiten im Auftrag von Christian Beisel aus dem Sales- und Marketingteam. Schon seit vielen Jahren ist er mit seiner Firma im Auftrag der Eintracht tätig. Auf der Wiese neben dem Hauptplatz ist seit dem Vormittag Florian Cosack vom Eventteam der Eintracht damit beschäftigt, die Fläche für das später startende Rahmenprogramm herzurichten. Pavillons, Speed-KickStation, Eintracht-Stand, ein riesiger Eintracht-Torbogen und vieles mehr muss aufgebaut und teilweise mit Strom versorgt werden, das Fanmobil muss an der richtigen Stelle stehen. Gleichzeitig bereiten Clemens Appel, Manuel Hiemenz und Ivan Stoyanov mit dem Team der Fußballschule die zweistündige Trainingseinheit mit 40 Kindern aus Wölf und der Jugendspielgemeinschaft vor. Die Beutel mit T-Shirt, Hose, Stutzen und Trinkflasche für jeden Teilnehmer, Leibchen, Hütchen, Fußballschulen-Banner, Pavillion, Minitore und Bälle – all das muss aus dem Bus geräumt werden. 

Diese Aufbauarbeiten verdeutlichen das Konzept von „Eintracht in der Region“: den Amateurvereinen in Hessen einen Eintracht-Tag anbieten mit Rahmenprogramm, Fußballschulentraining und einem Spiel, das die Profis (Frauen/Männer) oder die Traditionsmannschaft bestreiten. Eintracht Frankfurt, LOTTO Hessen und Medien-Partner HIT Radio FFH ermöglichen dies gemeinsam. Rund 25 Mitarbeiter der Eintracht und ein kleines FFH-Team um einen Moderator, der das rund einstündige Vorprogramm moderiert und dann als Stadionsprecher fungiert, sind an jedem Spieltag im Einsatz, LOTTO Hessen betreibt einen Stand mit Gewinnmöglichkeiten. Dazu kommt die jeweils im Einsatz befindliche Mannschaft inklusive Staff. Jeweils zwei Männer- (Nieder-Weisel/ Aschaffenburg) und Frauen-Partien (Langen/ Mainaschaff) haben bereits stattgefunden, dazu bisher acht von elf Spiele der Traditionsmannschaft. Auf diese konnte man sich bewerben, der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt. Der SV Rot-Weiß Wölf stellte den Freistoß von Lajos Detari zum DFB-Pokalsieg 1988 nach – und wurde mit der Anwesenheit des Ungarn und dessen ersten Einsatz bei der Traditionsmannschaft belohnt. Die zwölf Partien wurden bisher von fast 25.000 Zuschauern besucht – unter anderem über 6.000 bei den Profis in Aschaffenburg und 3.000 in Karben beim Duell der Tradi mit einer Auswahl an FFH-Hörern.

16 Uhr
Ivan Stoyanov hat das Wort. Der Campleiter der Fußballschule begrüßt die 40 Kinder zwischen sieben und 14 Jahren, stellt die heutigen Trainer Manni Binz, Alex Conrad, Norbert Nachtweih und Cezary Tobollik vor und teilt die vier Gruppen an die Stationen ein. „Lasst uns auf den Platz gehen, euch allen viel Spass“, schließt Stoyanov seine launige, aber zielgerichtete Ansprache. Funino, Torschuss, Technik und Spielform stehen an, zwei Stunden geht’s nun zur Sache. 

Seit 20 Jahren gibt es die Eintracht Frankfurt Fußballschule, damals wie heute unter der Leitung von Karl-Heinz Körbel. Über 50.000 Kids haben seither teilgenommen, an Spieltagen, in Frankfurt und „on tour“. Der Terminplan ist voll – in den hessischen, bayerischen und baden-württembergischen Ferien sowieso, aber auch an vielen Wochenenden. Ein Teil des Teams übernachtet an diesem Freitagabend in Eiterfeld, Samstag und Sonntag folgt das Wochenend-Camp im wenige Kilometer entfernten Philippsthal. Fußballschule und Traditionsmannschaft in Kombination an einem Tag, das ist ebenso neu wie „Eintracht in der Region“. Körbel, der auch die Traditionsmannschaft verantwortet, fasst zusammen: „Diese Ein - tracht-Tage machen sehr viel Spaß. Wir sehen, wie groß die Begeisterung für die Eintracht überall in Hessen ist. So können wir den Fans einiges zurückgeben, denn sie tragen auch zu unserem sportlichen Erfolg bei.“

16.30 Uhr
Der SV Wölf hat seine Heimkabine für die Eintracht geräumt, den Adlerträgern stehen beide Kabinen im Vereinsheim zur Verfügung. Clemens Appel, eben noch mit dem Aufbau für die Fußballschule beschäftigt, hat zwei große schwarze Sporttaschen auf dem Tisch platziert und bereitet nun alles vor. „Uwe hat heute wie - der die 14“, sagt er. Jeder Spieler hat seine feste Nummer, der langjährige Spieler Uwe Müller tritt diese aber an Alex Meier ab – wenn dieser im Kader steht, erstmals war dies zum Kampagnen-Auftakt in Gladenbach der Fall. Dort hat die Tradi übrigens das 300. Spiel seit der Wiederaufnahme 2007 bestritten, bei fast allen Spielen war Clemens Appel dabei. 

„Wir könnten jede Woche dreimal spielen“ - Clemens Appel

Wenn Appel zu einer Tradipartie fährt, kommt er mindestens das zweite Mal aufs Sportgelände. „Wir sind mindestens einmal vorher vor Ort, um organisatorische Dinge mit dem Veranstalter zu besprechen und uns die Anlage anzuschauen“, erzählt er, während er nochmal die Trikots zählt und mit seiner Liste abgleicht. „17 Spieler, passt.“ Die Anfragen übersteigen in diesen Tagen des großen sportlichen Erfolgs der Profis die Verfügbarkeit der Tradi um ein Vielfaches. „Wir könnten jede Woche dreimal spielen. Das trifft auch auf die Fußballschule zu“, sagt der Familienvater. In diesem Jahr ist der Plan ausgereizt, von Anfang Mai bis Mitte Oktober wird mit Ausnahme eines Großteils der Sommerferien fast wöchentlich gekickt.

17 Uhr
Herzstück des Kuchenbuffets ist die „Begegnungstorte“, die freilich von Lajos Detari angeschnitten werden soll. Karl-Heinz Körbel nutzt die Gelegenheit, um ein paar warme Worte an den Gastgeber zu richten, während seine Mannschaft wie üblich vor Tradispielen bei Kaffee und Kuchen untereinander und mit den Menschen vor Ort plaudert. „Ein Riesenkompliment an euch. Ein ganzes Dorf steht Kopf, das wird eine Riesensache nachher“, sagt Körbel, während sich Detari das Bewerbungsvideo der Wölfer anschaut und ein paar Augenblicke später für die Fotografen das Messer zur Torte führt. „Lajos, du musst kommen“, habe Körbel zu ihm gesagt, nachdem der SV Wölf als einer der Gewinner des Eintracht-Tags feststand. Gesagt, getan, aus Budapest war Detari nach Osthessen gekommen. 

Ideengeber für das Video war Andreas Spies. Der Familienvater fungiert an Spieltagen als einer der Stadionsprecher. „Für mich persönlich war das Erlebnis, warum ich Eintracht-Fan geworden bin, das Pokalfinale von 1988, Bochum gegen die Eintracht“, erzählt er.

18.30 Uhr
Der Sportplatz in Wölf liegt am namensgebenden Ringberg, einer kleinen Erhebung in nördlicher Richtung. Eben dort braut sich etwas zusammen eine halbe Stunde vor Spielbeginn. Immer mehr Menschen sind zu erkennen, Fahnen werden geschwenkt, Schals in die Luft gehalten. Plötzlich setzen sich die rund 150 Eintracht-Fans in Bewegung, laufen den Hang hinab und machen sich auch lautstark bemerkbar. Ein beeindruckendes Bild. 

Initiator dieses Fanmarschs ist Patrick Röder. Der Vorsitzende des EFC Eitratal Adler wohnt unweit von Wölf, in seinem Fanclub sind auch Mitglieder aus dem Spielort. „Ich habe einfach mal rumgefragt, ob wir eine Gaudifahrt zum Spiel machen wollen“, erzählt Röder. Das Interesse sei riesig gewesen. Der Verein, gegründet 2009, hat fast 400 Mitglieder, rund ein Viertel möchte dabei sein. Gründungsmitglied Röder mietet für 1.300 Euro zwei Reisebusse an, schließt sich noch mit den Mückenstürmern aus Bad Hersfeld und den Werrataladlern aus Philippsthal und organisiert knapp 150 Ein tracht-Fans. Die Busse sind über zwei Stunden unterwegs, fahren über 20 Haltestellen an, in Wölf sorgt der Fanmarsch für Aufmerksamkeit. Die Aktion wird ein großer Erfolg, das Wachstum der EFCs wird weitergehen. „Der sportliche Erfolg macht sich bei uns bemerkbar“, erzählt Röder, dessen Fanclub überall in großer Zahl vertreten ist. 120 Barcelona-Fahrer, nach Dortmund waren es mal drei Busse. Insgesamt zeigt sich nicht nur an der Dichte der Fanclubs und an der Besucherzahl in Wölf: Osthessen ist Eintracht-Land!

19 Uhr
Lajos Detari und Klublegende Josef Hahner führen den Anstoß durch, die Stimmung ist nicht nur in der Fankurve der Eitratal-Adler prächtig. Sie erreicht ungeahnte Höhen, als Marcus Weyer die Gastgeber in Führung bringt und später, kurz vor der Halbzeit, auf die Schlagdistanz von 3:5 verkürzt. Zwar können die Alten Herren des SV Rot-Weiß Wölf das Tempo nach der Pause nicht halten und die Niederlage fällt mit 3:15 am Ende deutlich aus, dennoch haben sie zu einem fantastischen Fußballabend beigetragen. 

Detari ist in diesen Tagen nicht der erste Debütant in der Traditionsmannschaft. Ioannis Amanatidis, Mo Idrissou, der sechsfache Wölf-Torschütze Michael Thurk, zum Auftakt von „Eintracht in der Region“ Alex Meier, zuletzt in Oberstdorf Ralph Gunesch, Nino Berndroth und Patric Klandt – die Liste an Debütanten ist lang. „Wir wollen und müssen uns verjüngen. Erstens wollen wir die Ex-Spieler weiter an uns binden, und zweitens wollen wir konkurrenzfähig bleiben“, sagt Karl-Heinz Körbel. Je nachdem, wie sich der Gegner aufstellt, sind drei, fünf oder manchmal noch mehr Spieler des Gegners nur etwa halb so alt wie der 67-Jährige. Bei den Regionsspielen machte sich das bislang noch nicht bemerkbar, die Bilanz ist makellos. Kommt aber ein Bundesligist mit einer jungen, dafür kaum bundesligaerfahrenen Truppe, setzt es auch mal eine deutliche Niederlage – wie beim 1:6 gegen Schalke in Oberstdorf kürzlich.

21.30 Uhr
Der an allen drei Toren beteiligte Marcus Weyer hat einigen Medien nach dem Schlusspfiff berichtet, „dass sich heute ein Kindheitstraum erfüllt“ habe. Die letzten Autogramme und Selfies werden ausgetauscht, kein Wunsch bleibt unerfüllt. Die meisten Zuschauer haben sich derweil vom Spielfeldrand in Richtung Vereinsheim begeben. Dort herrscht in und neben den Zelten weiterhin eine sehr gute Stimmung. Die Abbauarbeiten der Eintracht-Crew ist auf dem Platz an den Banden sowie auf der Eventfläche noch in vollem Gang, ohne Stärkung geht’s aber auch für Florian Cosack und Co. nicht nach Hause. Die Freude, vor der Sommerpause nochmal über 2.000 Menschen mobilisiert und einen mit dem SV Wölf einen Top-Ausrichter vorgefunden zu haben, ist den Eintracht-Verantwortlichen anzusehen. Und Lajos Detari? Freut sich, bald wieder bei der Eintracht zu sein. „Zu einem Heimspiel in der Champions League komme ich wieder.“ Den SV Rot-Weiß Wölf wird der Ungar auf jeden Fall in sehr guter Erinnerung behalten. 

Die nächsten Termine
› 24. September, 16 Uhr: SV Grün-Weiß Borken (Tradi)
› 3. Oktober, 16 Uhr: SV Geinsheim (Tradi) › 8./9. Oktober, 16 Uhr: VfR Volkmarsen (Tradi)