Fan-Abteilung trifft…
… Kristian Lossner
Bunt ist sie, die Eintracht-Welt, voller Geschichten und Erlebnisse – nicht nur auf dem Platz, sondern vor allem auch abseits des Spielfelds. Getragen werden diese Geschichten durch die Fans und Mitglieder der Eintracht. Einer davon ist Kristian Lossner.
In den ersten Jahren seines Lebens war Klein-Kristian, der in Kiel das Licht der Welt erblickte, aufgrund der beruflichen Situation seines Vaters schon schwer in der Weltgeschichte unterwegs, ehe die Familie 1986 in Frankfurt-Kalbach heimisch wurde. Eines schönen Samstagmorgens im November 1987 saß Vater Lossner in Kalbach auf der Couch und las die Rundschau: „Heute spielt die Eintracht gegen Schalke, da gehen wir hin“, sprach er und hielt Wort. Es sollte ein historischer Tag werden. Einerseits erlebte Kristian sein erstes Spiel der Eintracht vor Ort, andererseits stand erstmals Uli Stein im Tor der Frankfurter. Gemeinsam feierten sie einen 2:0-Sieg unserer Diva, während auf Schalker Seite Torhüter Toni Schumacher geschlagen vom Feld schlich. „Ich war damals völlig fasziniert, die Fans schlugen auf das Dach des Spielertunnels und machten einen Höllenlärm, während die Schalker Uli Stein beschimpften“, erinnert er sich an das erste Stadionerlebnis – dem bis zum jetzigen Tag noch viele folgen sollten. Das nächste gleich ein paar Wochen später. Unter Flutlicht besiegte die Eintracht die Bayern.
Kristian begann selbst im Verein zu spielen und kickte bis 2002 als Mittelstürmer beim FC Kalbach, wo er als „Bomber von Kalbach“ seinen Platz in der Geschichte des Vereins finden sollte. Zuweilen überschnitten sich die Termine mit denen der Eintracht – und Kristian macht keinen Hehl daraus, dass er dann die Eintracht vorzog. „Gerre war mein Erzieher damals, mit ihm und Buffo durfte ich ins Stadion. Denn Gerre war „seriös“, wie selbst meine Mutter bestätigte“, lacht er. Mit ihm und seinen Freunden standen sie damals im Block F. In der Otto-Hahn-Schule in Nieder-Eschbach machte er die Bekanntschaft mit Daniel Gunkel und Jermaine Jones, die beide bei der Eintracht kickten – die Freundschaft mit Jones hält bis heute an. Und um die Ecke der Schule wohnte seinerzeit Jürgen Klopp, der sich am Kiosk morgens die Zeitung besorgte und von den Jungs immer mal angequatscht wurde. „Ob er sich allerdings noch daran erinnert, ist fraglich“, sinniert Kristian, der seit 1996 eine Dauerkarte besitzt. Seine Heimat im Stadion ist seither auf der Gegentribüne. Dort sitzt er mit seinem Vater und dem jüngeren Bruder sowie ein paar Freunden und konzentriert sich auf das Spiel. „Quatschen und trinken kann ich auch noch nach Abpfiff“, sagt er bestimmt.
Anfang der 90er Jahre begann auch das Interesse an Auswärtsspielen zu wachsen. Noch 1992 verbot ihm die Mutter die Reise nach Rostock. Kristian hockte in seinem Zimmer und heulte wie ein Schlosshund. Die erste große europäische Auswärtsfahrt führte ihn und seinen Kumpel Caio (!) mit 15 Jahren 1995 zum UI-Cup-Spiel nach Bordeaux. 11.000 Zuschau- er waren vor Ort, darunter 50 Frankfurter. Die Jungs stürzten sich ohne Geld und Ticket mit der Bahn ins große Abenteuer und landeten wohlbehalten wieder in Frankfurt. Andreas „Pferd“ Hornung hatte den Buben noch Tickets organisiert und bestand natürlich auf die Rückzahlung von jeweils fünf Mark, die sie wenig später auch reumütig im damaligen Fanshop in der Bethmannstraße ablieferten. Und wenn Kristian seinen Vater im Ausland besuchte, dann versuchte er – egal wo – zumindest die Spiele im Radio zu verfolgen, „In Niger musste ich mit der Antenne in der Hand auf einen Berg steigen, um überhaupt etwas empfangen zu können. Aber ich habe das Spiel gegen Leverkusen auch dort letztlich noch verfolgen können,“ grinst er.
2002 verschlug es Kristian zum Jura-Studium nach Göttingen – seiner Eintracht aber blieb er treu und fuhr an den Wochenenden regelmäßig nach Frankfurt und ging ins Stadion. 2006 kehrte er endgültig an den Main zurück und lebt seither in Bockenheim. „Das ist praktisch, mit dem Rad bin ich nach dem Spiel schnell wieder zu Hause bei meiner Familie, bei meiner Freundin Hristina und bei den mittlerweile drei Töchtern, von denen sich die beiden älteren selbst zu großen Eintracht-Fans entwickelt haben und Nachzüglerin Ella auch schon erste Anzeichen von Vereinsliebe zeigt.“ Die Jüngste ist, wenn man so will, das tollste Souvenir aus Lissabon. „Auf dem Hinweg zum Europa- cup-Spiel bei Benfica war sie noch nicht dabei“, grinst er verschmitzt. Fragt man Kristian nach seinem Highlight mit der Eintracht, so fallen ihm nach so vielen Jahren viele ein – aber das Spiel in Barcelona im Viertelfinale der Europa League 2022 nimmt trotz des Pokalendspiels 2018 und dem Finale in Sevilla eine Sonderstellung ein. „Wir waren mit der ganzen Familie vor Ort, mein Vater, mein Bruder und die bei- den großen Töchter reisten mit. Schon 1998 absolvierte ich bei der Abi-Abschlussfahrt nach Barcelona eine Stadiontour. Einmal mit der Eintracht hier spielen – das wäre ein Traum, dachte ich damals. Und an jenem Mittwochabend wurde dieser Traum Wirklichkeit. Und wie. Wir haben dem großen FC Barcelona die Ehre genommen und die des Fußballs für einen Moment gewonnen. Und die Familie hat es gemeinsam erlebt – das war großartig“, schwärmt er mit leuchtenden Augen von jener magischen Nacht im Camp Nou. Natürlich ist er auch bei den Champions-League-Spielen regelmäßig vor Ort, radelt nach Sachsenhausen, trifft sich dort mit seinem Daddy, trinkt mit den Kumpels später ein Bierchen am Fantreff und freut sich wie all die Jahre auf das Spiel seiner Eintracht. Mögen noch viele folgen.
Text: Axel Hoffmann