Auf Spurensuche in München und Dachau 

Im Rahmen des dritten Teils der Spurensuche führte die Abschlussfahrt von Frankfurt über München nach Dachau in die Gedenkstätte des einstigen Konzentrationslagers. 

Nach „Frankfurt – Theresienstadt – Eine Spurensuche“ und „Verantwortung innerhalb des Vereins“ widmete sich das dritte Spurensuche-Projekt, organisiert von dem Museum und der Fanbetreuung von Eintracht Frankfurt, dem Thema „Arisierung jüdischen Vermögens“. Die im August gestartete Veranstaltungsreihe, die Vorträge, Diskussionsrunden, eine Filmvorführung und einen Rundgang durchs Gallusviertel auf den Spuren des „Schlappeschneider“ beinhaltete, mündete am letzten Januarwochenende in einer Bildungsreise nach München und Dachau. 

Anlässlich des von „!NieWieder“ initiierten 19. Erinnerungstags im deutschen Fußball am 27. Januar, der an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und die Opfer des Nationalsozialismus erinnern soll, begaben sich 40 Adlerträger nach Bayern, wo neben historischen Stadtgebieten, dem FC Bayern Museum und dem Bundesligaspiel der Fußballer am Sonntag die Gedenkstätte des einstigen Konzentrationslagers in Dachau den Abschluss bildete. Ein Erfahrungsbericht. 

Knapp 40 Eintrachtler, darunter Vizepräsident Stefan Minden, begaben sich am winterkalten Vormittag des 27. Januar, dem 78. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, auf die rund 400 Kilometer lange Reise. Begleitet hatte sie Sabine Harant- Kasumov, die Großnichte von Emanuel Rothschild, welcher als einer von ganz wenigen Juden die Verfolgung und den Krieg in Frankfurt überlebt hatte und nach Kriegsende maßgeblich für die Wiedererlangung der Lizenz der Eintracht verantwortlich zeichnete. Rothschild wurde nach der Pogromnacht am 9. November 1938 nach Dachau deportiert und verblieb in der dortigen Hölle bis zum 18. Februar 1939. Anschließend kehrte er nach Frankfurt zurück. 

Das Programm der Reisegruppe sah am Ankunftstag zunächst einen Vortrag im FC Bayern Museum in der Allianz Arena über die jüdische Historie des FC Bayern vor, dem ein Rundgang durch das Museum folgen sollte. Für den zweiten Tag war ein Spaziergang durch München auf den Spuren der FCB-Geschichte geplant, am Abend die Visite des Spiels der Eintracht beim Spitzenreiter. Sonntags stand zum Abschluss der Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau bevor. 

Armin Radtke vom Bayern-Museum nahm die Frankfurter an der Allianz Arena in Empfang und schilderte die frühen Jahre des FC Bayern, der am 27. Februar 1900 von 17 Männern, darunter dem in Dortmund geborenen jüdischen Künstler Bruno Elkan, in der Gaststätte Gisela gegründet worden war und dessen Spieler zunächst in blauen Trikots und weißen Hosen aufliefen. Benno Elkan, der ab 1919 in Frankfurt lebte und 1934 nach London emigrierte, überlebte die NS-Zeit und schuf zwischen 1949 und 1956 eine fünf Meter hohe Bronzemenora, die heute vor der Knesset in Israel steht. Auch in der Frankfurter Gallusanlage ist ein Denkmal von ihm zu finden. Mit dem Freiburger Josef Pollack zählt ein weiterer Jude zu den Gründungsmitgliedern der Bayern. 

Nach einem Rundgang durch das Museum, das unter anderem sehr viele Meisterschalen und DFB-Pokale präsentiert (wobei der von 2018 fehlt ...), machte sich die Frankfurter Reisegruppe auf den Weg ins Hotel und nach dem Einchecken über dunkle Wege in ein Restaurant. Alle waren sich einig, wie präzise doch das Eintracht-Museum, obschon viel kleiner, sich und die eigene Vereinshistorie abbildet. 

Am folgenden Morgen brachte die U2 die Spurensucher zum Sendlinger Tor, ein kurzer Fußmarsch führte sie von dort durch die Fußgängerzone an den Marienplatz. Hier wurden sie schon von Alexa Gattinger erwartet. Die Mitarbeiterin des Bayern Museums führte die Gruppe fachkundig an Orte der Bayern-Geschichte im Münchner Stadtgebiet – vom Marienplatz zu der schon damals schicken einstigen Geschäftsstelle bis hin zum Gründungsort der Bayern, wobei von der historischen Gaststätte Gisela nichts mehr zu sehen ist. 

An der heute noch existierenden Feldherrnhalle, ein paar Schritte entfernt, wurde 1923 der Hitler-Putsch gestoppt – leider nicht nachhaltig genug. 7.000 Juden lebten Anfang 1933 in München, rund 100 von ihnen waren Mitglied beim FC Bayern, immerhin zehn Prozent aller Vereinsmitglieder. Darunter auch der stellvertretende Jugendleiter Otto Beer, der 1941 nach Kaunas deportiert und dort ermordet wurde. 

Ebenso nachdenklich wie durchgefroren wanderten die Besucher aus Frankfurt anschließend ins Münchner Hofbräuhaus, in dem es zumindest im oberen Stockwerk recht gesittet zuging. Abends trotzte die Eintracht vor den Augen der Gruppe dem Gastgeber ein 1:1 ab. Vor Anpfiff hatte der Stadionsprecher im Rahmen des Erinnerungstages des deutschen Fußballs an die Befreiung von Auschwitz erinnert. 

Sonntag früh kam der Bus mit der Reisegruppe an der Gedenkstätte des einstigen KZs Dachau an. Nur wenige Meter außerhalb liegt ein Wohngebiet, ein Fußballplatz grenzt unmittelbar an das Gelände an, ein fürwahr eigenartiges Bild. Klaus Schultz, ehemaliger Diakon der in der Gedenkstätte befindlichen evangelischen Versöhnungskirche, welcher 2004 die Gedenkinitiative „!Nie wieder“ vor Ort mitgründete, und Andreas Wittner nahmen die Gruppe in Empfang. 

Sie führten die Gäste aus dem Herzen von Europa gemeinsam über die Gedenkstätte des einstigen Konzentrationslagers, welches nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 als eines der ersten seiner Art auf dem Gelände einer stillgelegten Pulver- und Munitionsfabrik errichtet und zwischen 1937 und 1939 vergrößert worden war. 

Erst zwölf Jahre später, am 29. April 1945, wurde das Lager von der US-Armee befreit. Im Eingangstor zum KZ ist wie in fast jedem Lager der Satz „Arbeit macht frei“ zu lesen. Auf dem dahinterliegenden Appellplatz mussten die Gefangenen bei klirrender Kälte oder glühender Hitze teils stundenlang stillstehen. Doch auch Fußball wurde hier gespielt, meist sonntags. Veröffentlichte Bilder dienten der Propaganda. Doch wer spielen durfte, konnte zumindest für Augenblicke die Zeit vergessen, wie der Überlebende Ferdinand Hackl später berichtete. 

„Ihr seid rechtlos, ehrlos und wehrlos. Ihr seid ein Haufen Scheiße. Und so werdet ihr behandelt“, brüllte der Schutzhaftlagerführer Josef Jarolin die neuen Häftlinge im KZ Dachau an. Über 200.000 Menschen durchlitten das KZ und dessen Außenlager, 41.500 überlebten die mörderischen Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht, darunter Alfred Strauß, der als erstes Mitglied des FC Bayern am 24. Mai 1933 in Dachau „auf der Flucht erschossen wurde“. An den Füßen trug er Hausschuhe. 

Auch Kurt Landauer, der große Bayernpräsident, wurde nach der Pogromnacht 1938 in Dachau inhaftiert, konnte das KZ aber verlassen und in die Schweiz emigrieren. Er verbrachte seine Zeit in der Baracke 8, die wie alle 34 errichteten heute nicht mehr existent ist. Nur wenige Meter dahinter, in der Baracke 20, darbte der Häftling mit der Nummer 24278, der ebenfalls nach dem 9. November nach Dachau verschleppt worden war. 

Sein Name: Emanuel Rothschild, Mitglied der Frankfurter Eintracht, der das KZ und den Krieg überlebte und anschließend den Verein neu gründete, dessen Ehrenmitglied er später wurde. Als Rothschild 1975 verstarb, ehrte ihn die Eintracht mit einer Gedenkminute im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach. Sabine Harant-Kasumov stand 85 Jahre später an der gleichen Stelle, an der ihr Großonkel einst gequält wurde. Ihr Blick schweift über die Steine, die den Grundriss der einstigen Baracke nachbilden. Es wurde still. Sehr still. 

Text: Axel Hoffmann 
Bilder: privat