Vom launischen„Prinzen“ zum abgeklärten „Kaiser“ 

Makoto Hasebe hat kürzlich seinen Lizenzspielervertrag um ein Jahr verlängert, er könnte also im Alter von 40 Jahren noch für Eintracht Frankfurt spielen. Er gilt als Musterprofi, ist beliebt und hoch angesehen. Gemeinsam mit zwei langjährigen Beobachtern geht der Blick auf die Karriere des ewig jungen Japaners. 

Text: Stephan Weidemeyer 
Fotos: Bianca Jockel, Max Galys 

„Der Konkurrenzkampf gegen 22-Jährige macht mir Spaß!“ Das sagte Makoto Hasebe, 39 Jahre jung, vor wenigen Wochen nach dem Training. Dass Hasebe, im Januar 1984 im japanischen Fujieda geboren und seit 2014, also seit nunmehr fast zehn Jahren mit dem Adler auf der Brust, noch immer auf diesem Niveau spielen kann, mache ihn „total glücklich“. Es fußt auf seinem Charakter. Darauf, wie der Routinier tickt. 

Ein „Musterprofi, der alles dem Fußball und dem Erfolg unterordnet“, sagt Sachio Howoldt, der Hasebe als Auslandskorrespondent begleitete und inzwischen in der Deutschen Botschaft in Tokyo arbeitet. Anständig und bodenständig, aufrichtig, besonnen, hilfsbereit – Eigenschaften, die mit Japan allgemein, mit dem Frankfurter Defensivallrounder aus dem Land der aufgehenden Sonne aber ganz besonders in Verbindung gebracht werden. „Er ist dahingehend der ‚Über-Japaner‘, anständiger als anständig“, verrät Alexander Ostern, der als Journalist, unter anderem für das japanische Fernsehen, Hasebes Werdegang in Deutschland seit dessen Anfangstagen 2008 in Wolfsburg verfolgt. 

„Es gibt nichts Negatives über ihn zu sagen, so wird er auch in Japan gesehen“, ergänzt Ostern, und Howoldt stimmt ebenso mit ein: „Makoto ist auch als Mensch tadellos. Hinweise auf mögliche Skandale, die seine Person betreffen, sucht man vergeblich. Sein Stellenwert in Japan als Sportler und Mensch ist unglaublich hoch.“ 

„Dass er auch mit 39 nach wie vor hungrig ist und sich mit 22-Jährigen messen möchte, verwundert nicht“- Sachio Howoldt - 

Fragt man in Fernost, in Hasebes Heimat, wo er als Vorbild für alle gilt, nach, wie man den ewig jungen Fußballprofi umschreiben kann, wo das Geheimnis seines sportlichen Erfolgs liegt, so fallen zwei Begriffe. 一途, gesprochen Ichizu, steht für hingebungsvoll, zielstrebig und treu; 負け ず嫌い, gesprochen Makezugirai, heißt wörtlich ‚Es hassen, zu verlieren‘. 

„Dass er auch mit 39 nach wie vor ‚hungrig‘ ist und sich mit 22-Jährigen messen möchte, verwundert daher nicht“, sagt Howoldt, der auch Hasebes Ernsthaftigkeit und Seriosität hervorhebt und sogleich eine kleine Kuriosität preisgibt: „Diese mit ihm verbundene Charaktereigenschaft geht bisweilen so weit, dass sein Name für zu ernstes Gebaren steht und sich seine japanischen Mitspieler mitunter den Spaß erlauben, dahingehendes Verhalten der Kollegen mit ‚Mach mal nicht den Hasebe‘ zu quittieren.“ 

Bis er sich in Asien wie auch in Europa diesen Status erarbeitet hatte, bis 368 Bundesligaspiele, 279 Pflichtspiele für die Eintracht, eine Deutsche Meisterschaft, der DFB-Pokal und die UEFA Europa League zu Buche standen, war es jedoch ein langer Weg. Ein Weg, den man so anfangs nicht unbedingt erwartet hatte. „Zur Überraschung vieler hatte er gleich Erfolg“, erinnert sich Howoldt. 

Hasebe, vor seinem Schritt nach Deutschland vier Jahre in 215 Partien für die Urawa Red Diamonds am Ball, kam ursprünglich als Zehner mit einem Hang zu Dribblings und Steckpässen zum VfL Wolfsburg. „Er hatte in Wolfsburg aber große Konkurrenz auf dieser Position und auch selbst gemerkt, dass es auf dieser Position in der Bundesliga noch nicht reicht. Diese Selbstreflexion ist eine wichtige Eigenschaft – bis heute. Felix Magath [Trainer; Anm. d. Red.] versetzte ihn in die Verteidigung, und Makoto sagte damals ‚Wenn die Mannschaft mich hier braucht, dann werde ich mein Bestes geben‘“, beschreibt Ostern die Anfangstage Hasebes in Deutschlands Beletage. 

So ruhig und besonnen, wie der Adlerträger inzwischen auftritt, war er zu Beginn seiner Karriere nicht. „Als Jungspieler bei den Urawa Reds durchlebte er durchaus auch eine ‚wilde‘ Zeit. Erst mit dem Schritt ins Ausland, so heißt es, fand bei ihm ein Reifeprozess statt, der ihn vom ‚launischen Prinzen‘ zum abgeklärten ‚Kaiser‘, wie ihn japanische Printmedien in Anlehnung an Franz Beckenbauer teilweise betiteln, werden ließ“, sagt Howoldt. Er habe mit der Zeit, so Ostern ergänzend, „seine Balance gefunden“ – und erinnert an Hasebes Buch „Die Ordnung der Seele. 56 Gewohnheiten, um den Sieg zu erringen“. 

Die Siege kamen, der Erfolg stellte sich ein, seit 2020 ist er asiatischer Rekordspieler in der Bundesliga. Und zugleich Türöffner. „Er hat den Weg aufgemacht. Auch durch sein Verhalten als der ‚typische Japaner‘“, wie Ostern findet. „In gewisser Weise ist Hasebe zum Wegbereiter für zahlreiche japanische Profis geworden, die auch ohne große Länderspielerfahrung den Weg ins Ausland bzw. in die Bundesliga suchen“, meint Howoldt, betont aber im selben Atemzug: „Damit brüsten würde er sich jedoch sicherlich nicht“. 

Es spricht für ihn. Eine Eigenschaft, gepaart mit vielen anderen, auf die man bei der Eintracht auch künftig nicht verzichten möchte und nicht muss. Hasebe, stets streng mit sich in der Selbstreflexion, sucht weiter das Kräftemessen auf höchstem Niveau. Im Herzen von Europa bis 2024. „Dafür, dass er mit 39 noch bei der Eintracht unter Vertrag steht und auch regelmäßig spielt, zollen ihm alle in Japan großen Respekt. Wie ein Spieler in diesem Alter noch solch eine Leistung bringen kann, wie etwa im DFB-Pokal- sowie Europapokalfinale oder in der Champions League gegen Tottenham“, sagt Ostern über Japans Rekordkapitän – den Captain, der in 114 Länderspielen dem japanischen Spiel seinen Stempel aufgedrückt hat. 

Das Spiel der Eintracht wird er noch ein weiteres Jahr bereichern. Makoto Hasebe, „ein absolutes Vorbild und über die Landesgrenzen hinaus ein Botschafter für Eintracht Frankfurt und den deutschen Fußball“, lobt Sportvorstand Markus Krösche ohne Übertreibung.