Antreiberin auf Mission Titelverteidigung 

In der 2. Frauen-Bundesliga wurde sie mit 15 Jahren zur Stammkraft, mit dem deutschen U17-Nationalteam startet die Abwehrspielerin Mitte Mai als Titelverteidigerin in ihre zweite Europameisterschaft: SGE-U20-Spielerin Emily Wallrabenstein im Porträt. 

Fragt man Emily Wallrabenstein nach ihrem Highlight im Eintracht-Dress, könnte die Antwort kaum weiter von Titeln, Siegen und Erfolgen entfernt sein: „Ich erinnere mich gerne an eine unserer Trainingseinheiten, da war der Platz durch das Wetter voller Schlamm. Wir sind hin und her gerutscht“, erzählt die Abwehrspielerin mit einem Lachen. „Aber wir hatten als Team einfach so einen Spaß dabei, das werde ich nicht vergessen!“ 

16 Jahre ist Emily alt, spielt mal Innen-, mal Außenverteidigerin in der 2. Frauen-Bundesliga für die Eintracht, ist Deutsche Meisterin in der B-Juniorinnen-Bundesliga und obendrauf mit dem deutschen U17-Nationalteam amtierende Europameisterin und WM-Vierte. Erst Anfang April ist die gebürtige Norddeutsche aus Portugal zurückgekehrt. Im Gepäck: die Qualifikation zur Europameisterschaft im Mai 2023 in Estland und jede Menge Euphorie für das nächste Großturnier. Das dritte in der jungen Karriere Wallrabensteins: „Wir haben ein richtig gutes Feeling, einen klasse Vibe in der Mannschaft. Die Vorfreude auf die EM ist riesig, wir wollen auch da etwas reißen.“ 

Schon vor einem Jahr war Emily bei der U17-EM dabei, neu ist es für sie also nicht. Doch damals war die Schülerin gerade erst frisch aus der U16 in die U17 hochgezogen worden, war erst bei zwei Vorbereitungslehrgängen dabei. „Dann stand ich plötzlich bei einer EM in der Startelf“, erinnert sich die Verteidigerin zurück. Damals sei alles „sehr viel und sehr schnell“ gewesen, mit der Krönung des Titelgewinns. „Jetzt habe ich schon eine gewisse Erfahrung, kenne die Abläufe und kann den anderen Spielerinnen helfen und Sicherheit geben“, blickt Emily deshalb mit besonderer Vorfreude auf den 14. Mai, wenn es zum nächsten Großturnier nach Estland geht. Dort wird sie wie in der Qualifikation voraussichtlich als Kapitänin das Team führen. „Ich bin gerne eine, die vorangeht, war schon immer relativ laut auf und neben dem Platz. Ich habe selbst gemerkt, wie wichtig es ist zu wissen, dass man jemanden hinter sich stehen hat. Jetzt kann ich selbst jemand sein, der andere unterstützt. Das ist ein tolles Gefühl!“ 

Rund zwölf Jahre vor Deutschen Meisterschaften, EM-Titeln und Zweitliga-Spielen, in ihrem Heimatort Travenbrück, einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein, fand diese Begeisterung ihren Anfang, „als plötzlich ein Fußballfieber im Kindergarten entfacht ist“, erinnert sich Emily. Direkt neben dem Kindergarten habe sich ein Fußballplatz befunden, von dort hätten sie den älteren Jungs beim Spielen zugesehen. „Meine Eltern haben gesagt, ich sei noch zu jung zum Spielen.“ Doch schon damals, mit nicht einmal Emily durchzusetzen. „Ich habe einen Jungen, der auf dem Platz gespielt hat, gefragt, wie alt er ist, weil er noch so jung aussah. Als er mir sagte, dass er fünf Jahre alt ist, hatten meine Eltern kein Gegenargument mehr.“ Kurze Zeit später war der Anmeldeantrag beim Tralauer SV ausgefüllt. 

Über den VfL Oldesloe einen Ort weiter kam Emily, die zu der Zeit schon in den Landesauswahlen auf sich aufmerksam machte, schließlich zu den U15-Junioren des SV Eichede. Gleichzeitig begann sie durch ein Zweitspielrecht in ihrem ersten Mädchenteam, den U17-Juniorinnen des Hamburger SV in der B-Juniorinnen-Bundesliga aufzulaufen. Ab dann ging es steil bergauf: Debüt in der U16-Nationalmannschaft, EM-Titel mit der U17 und die Deutsche B-Juniorinnen-Meisterschaft mit dem HSV – inklusive Finalsieg über ausgerechnet jenen Verein, zu dem sie im gleichen Sommer wechseln sollte: Eintracht Frankfurt. „In meinen ersten Wochen in Frankfurt gab es natürlich ein paar Sprüche von meinen neuen Teamkolleginnen, nach dem Motto: Du bist doch die, die uns geschlagen und den Titel genommen hat. Aber das war natürlich nur aus Spaß. Es hat nicht lange gedauert, da war ich einfach eine von ihnen.“ 

Tatsächlich hätte die Eingewöhnung bei der Eintracht kaum besser laufen können. In den ersten drei Saisonspielen stand die Schülerin direkt in der Startelf und setzte sich danach, auch wenn sie mehrfach durch Lehrgänge der U17 im Training fehlte, als Stammkraft in der Abwehrkette fest. „Damit hätte ich nicht gerechnet und ich schätze mich sehr glücklich, so viele Minuten in der 2. Liga sammeln zu dürfen“, sagt Emily. „Die Umstellung vom Mädchen- zum Frauenfußball ist schon groß, die Körperlichkeit und Robustheit ist eine ganz andere. Umso dankbarer bin ich, so viel lernen zu dürfen.“ Auch der Umzug für sie als Norddeutsche ins Rhein-Main-Gebiet sei kein großes Problem gewesen. „Natürlich ist es zuerst komisch, so weit von der Familie weg zu wohnen. Aber die Mädels im Sportinternat haben mich super aufgenommen. Wir sind jetzt wie eine zweite Familie, können über alles reden.“ 

Sie sei dadurch nicht nur selbstständiger geworden, sondern habe sich in ihrem ersten Dreivierteljahr in der 2. Liga auch schon spielerisch weiterentwickeln können. „Ich bin definitiv zweikampf- und kopfballstärker geworden. Vor allem aber habe ich gelernt, besser mit Fehlern umzugehen. Man hat hier viel weniger Zeit für Entscheidungen und Pässe als in der B-Juniorinnen-Bundesliga, da passieren natürlich mehr Fehler. Umso wichtiger ist es, sie richtig wegzustecken und daraus zu lernen.“ 

Ziele für ihren weiteren Weg hat Emily als ehrgeizige Spielerin natürlich auch schon: „Der Traum ist, Profifußballerin zu werden, es ins Bundesligateam der Eintracht zu schaffen und A-Nationalmannschaft zu spielen.“ Bis dahin stünden aber erstmal kurzfristigere Schritte an: „Vielleicht schaffen wir es ja in dieser Saison noch, beste U20 der 2. Liga zu werden. Noch ist alles drin, wir werden alles reinwerfen.“ Und ganz nebenbei steht da auch noch eine Europameisterschaft an, bei der vielleicht der nächste Titel für die 16-Jährige möglich ist ...

Text: Marie Huhn
Fotos: Carlotta Erler, FIFA