Ziel: Olympische Spiele 2028 in LA

Seit 2020 leitet Michael Krichbaum die Leichtathletikabteilung. Seither hat sich einiges getan – auch im Wurfbereich, der sehr erfolgreich ist. Die EvM-Redaktion hat mit Krichbaum über die Entwicklung, Strukturen, Erfolge und auch Ziele im Wurfbereich gesprochen.

Wie war der Status quo im Wurfbereich, als du angefangen hast?
Nach dem Karriereende von unseren Weltklasseathleten Betty Heidler 2016 und Kathrin Klaas 2018 gab es drei, vier Jahre eine kleine Durststrecke, obwohl wir durchaus immer wieder gute, talentierte Nachwuchsathleten hatten – insbesondere im Speerwurf. Der Hammerwurf dagegen ist mehr oder weniger zum Erliegen gekommen, gerade auch dann, als Michael Deyhle als Nationaltrainer nach China gewechselt ist. Zu dem Zeitpunkt, als wir uns 2020 im Vorstand neu aufgestellt haben, befanden sich die Wurfdisziplinen aber bereits im Aufbau. 

Wie ging es dann weiter? 
Wir wollten den Aufbau weiter vorantreiben. Zunächst haben wir strategische Überlegungen angestellt, welche Disziplingruppen zukünftig die Schwerpunkte sein sollten. Wir haben uns die Frage gestellt: Wenn wir internationalen Erfolg haben möchten, wo wird dieser möglich sein? Die Antwort ist: In den Disziplingruppen, in denen es nicht zwingend um genetische Vorteile geht wie beispielsweise im Ausdauersport oder Sprint, sondern eher in den technisch anspruchsvollen Sportarten. So liegen unsere Schwerpunkte auf Wurf, dem Mehrkampf und den Sprungdisziplinen im weitesten Sinne. 

Inzwischen ist auch der Hammerwurf bei Eintracht Frankfurt wieder ins Rampenlicht zurückgekehrt. Mit Samantha Borutta und Sören Klose stellt der Verein die aktuellen Deutschen Meister. Wie kam es zu dieser Entwicklung? 
Nach den Olympischen Spielen in Tokio 2021 hat Michael Deyhle sein Engagement in China beendet und ist nach Frankfurt beziehungsweise in seinen Wohnort Fränkisch-Crumbach zurückgekehrt. Er hatte sich angeboten, eine Trainingsgruppe mit zwei, drei Athleten, die konkretes Interesse bekundet hatten, zu trainieren. So hatte sich für uns die Möglichkeit ergeben, Michael und auch das Thema Hammerwurf zu reaktivieren. Hinzu kam, dass mit Sören Klose sich damals noch ein weiterer sehr talentierter Jugendlicher der Trainingsgruppe von Michael anschloss. Bereits seine Eltern Kirsten Münchow und Holger Klose haben eine Eintracht-Vergangenheit und hatten unter Michael Deyhle ihre erfolgreichsten Zeiten. Eine ebenso glückliche Fügung war, dass Samantha Borutta zur Eintracht wechselte. Samantha und Sören holten sich Anfang Juli die Deutsche Meisterschaft – Samantha bereits zum dritten Mal. Wir sind stolz darauf, sie beide in unseren Reihen zu wissen. 

Auch die ehemalige Weltklasseathletin Kathrin Klaas kehrte als Hammerwurftrainerin zur Eintracht zurück ...
Das stimmt, Kathrin Klaas hatte das Nachwuchstalent Lucie Holzapfel übernommen. Was zunächst ein Interimstandem war, hat sich in den vergangenen zwei Jahren so gut weiterentwickelt, dass mit Larissa Rollberg eine weitere Athletin zu Kathrins Trainingsgruppe dazugestoßen ist. 

Im Bereich Diskus/Kugel hat sich ebenfalls einiges getan ...
In diesen beiden Sparten hatten wir zwischenzeitlich ebenfalls eine Lücke, aber gleichzeitig mit Curly Brown und Marius Karges zwei Riesentalente auf der Matte stehen. Gemeinsam mit dem Hessischen Leichtathletik-Verband [HLV; Anm. d. Red.] haben wir nach einer Lösung gesucht. Eher zufällig stießen wir auf Bastian Otto, der aus einer völlig anderen Sportart – dem Gewichtheben – kommt, der aber im Kraftsport und als Sportwissenschaftler seine Kompetenzen hat. Nach mehreren Gesprächen traute er sich zu, die beiden Talente zu übernehmen und den Block Diskus sowie Kugel weiterzuentwickeln. So stieg er als Landestrainer Wurf für den HLV ein – und stellte sich für uns als großer Glücksgriff heraus. 

Weiterhin zum Trainerteam zählt Friedrich Schneider, der bereits seit über 20 Jahren in dieser Position tätig ist. Welche Rolle spielt er in dieser Struktur? 
Friedrich Schneider leistet im Nachwuchsbereich unglaublich wertvolle Arbeit, er bildet auch unsere aktiven Mehrkämpfer wie Andreas Bechmann und Jannis Wolff im Bereich Kugel und Diskus aus. So sind in den letzten Jahren gute Strukturen entstanden. Wir können auf zahlreiche Kompetenzen und auf ein breit aufgestelltes Trainerteam, das wir gemeinsam mit dem HLV aufgebaut haben, zurückgreifen.

„Wir haben uns die schnellen Erfolge gewünscht, erhofft nicht wirklich und daran geglaubt schon mal gar nicht“ – Michael Kirchbaum –

Im Speerwurf gestaltet sich die Situation etwas schwieriger. Die Top-Nachwuchstalente Jana Lowka, Lilly Urban und Robin Rieß trainieren aktuell an anderen Bundesstützpunkten, um die bestmögliche Förderung zu erhalten. Sind gute Trainer im Speerwurf ein generelles Problem in Deutschland?
In diesem Bereich haben wir einen Fachkräftemangel. Es gibt nicht viele Trainer für den Speerwurf in Deutschland – und vor allem nicht viele gute. Deshalb muss man sich gegebenenfalls auch dahin orientieren, wo dann die Toptrainer sind – und die sind bedauerlicherweise nicht in Frankfurt. Alle drei haben deshalb sehr gute Trainer außerhalb Hessens. Robin absolviert das Krafttraining weiterhin in Frankfurt bei Bastian Otto. Es ist wichtig, dass die Athleten die bestmögliche Förderung für eine bestmögliche Entwicklung erhalten. Wir sind stolz darauf, dass sie weiterhin für Eintracht Frankfurt starten und wir bei Veranstaltungen oder als Repräsentanten jederzeit auf sie zurückgreifen können. Aber klar ist auch, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern und dem HLV versuchen müssen, diese Situation zu ändern. Dazu muss zunächst einmal eine gute Personalie gefunden werden. 

Hättet ihr bei eurem Amtsantritt daran geglaubt, dass sich die Erfolge so schnell einstellen würden?
Gewünscht haben wir es uns, erhofft nicht wirklich und daran geglaubt schon mal gar nicht. Dass Basti Otto mit seinen Talenten so einschlägt, ihm von den Athleten so viel Vertrauen entgegengebracht wird und das dann so schnell zu solchen Erfolgen führt, hat uns alle schon sehr überrascht. Auf der anderen Seite wurde er auch überall mit offenen Armen empfangen, zu Hospitationen eingeladen und durfte den besten Trainern in Deutschland jederzeit über die Schulter schauen. Dass Curly und Marius solch einen Riesenschritt machen und auf den Punkt ihre Leistung abrufen, damit konnte man auch nicht rechnen. Wir wissen aber auch: Vom Nachwuchsbereich der U23 und U20 bis zur Weltspitze bei den Aktiven ist noch ein weiter Weg. Bei Michael Deyhle ist es etwas anders. Was er anfasst, wird wohl zu Gold (lacht). Er hat in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass er ein gutes Händchen und einen Blick für Talente hat, auch die richtige Ansprache trifft und Sportlerinnen und Sportler in die absolute Weltspitze führen kann. In dieser Geschwindigkeit waren die Erfolge dennoch nicht zu erwarten. 

Welche Ziele habt ihr euch in den Bereichen Struktur und Strategie gesetzt?
Im U23- und U20-Bereich haben wir den Anschluss geschafft und sind auch im Trainerteam schon gut aufgestellt. Für die nächsten zwei, drei Jahre muss das Ziel sein, auch im U16- und U14-Bereich mehr Kompetenzen sowie Kapazitäten aufzubauen und stärker zu werden. Hier sind wir in der Breite noch nicht optimal aufgestellt. Gemeinsam mit dem HLV wollen wir versuchen, diese Lücke zu schließen. Wie vorhin schon angesprochen, müssen wir uns im Bereich Speer eine Lösung erarbeiten – ob intern oder mit einem Quereinsteiger, der den Trainerberuf ergreifen möchte. 

Und sportlich? 
Bei den Weltmeisterschaften in Budapest dieses Jahr möchten wir Eintracht Frankfurt gut vertreten. Auch wenn es nicht einfach werden wird, wollen wir bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris dabei sein, anschließend ebenso bei den Europameisterschaften 2024 in Rom und 2026 in Birmingham, nationale und internationale Erfolge feiern. Vor allem aber ist das große Ziel, mit aktuellen Nachwuchstalenten 2028 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles antreten zu können. Und wer weiß, vielleicht dürfen wir eines Tages auch mal wieder einen Olympiasieg in Frankfurt feiern.