„…weil wir eine überragende Mannschaft hatten!“

Am 16. Juli 1983 wird Eintracht Frankfurt Deutscher A-Junioren-Meister. 10.300 Zuschauer sehen in Marburg den 2:0-Sieg gegen den 1. FC Köln. Vier Spieler der Meistermannschaft, alle auch 40 Jahre später noch sehr eng mit der Eintracht verbunden, erinnern sich. 

Text: Michael Wiener

Fotos: Archiv, imago images, Michael Wiener

Donnerstagmorgen im Frankfurter Stadtteil Bockenheim. Auf dem Hannelore-Elsner-Platz an der Bockenheimer Warte riecht es nach frischem Käse und Kaffee, die Stände des Wochenmarktes haben geöffnet. Manfred Binz und Alexander Conrad haben sich einen Platz im Schatten gesucht, zusammen mit weiteren Stammgästen sitzen sie wie jeden Donnerstag in gemütlicher Runde beisammen, fachsimpeln über Fußball und, wie der Frankfurter sagen würde, babbeln über die Themen des täglichen Lebens. Heute ist die Runde etwas erweitert, Holger Friz und Armin Kraaz kommen hinzu. Matthias Thoma hat aus dem Eintracht-Museum den Wimpel der Deutschen Meisterschaft und den seinerzeit vom 1. FC Köln überreichten Geißbock-Pokal zur Verfügung gestellt. Denn es sollen heute Erinnerungen ausgetauscht werden über den 16. Juli 1983. 

Das Datum liegt inmitten des goldenen Jahrzehnts des Eintracht-Nachwuchses. Zwischen 1977 und 1987 stehen die Adlerträger bei den A- und B-Junioren sagenhafte acht Mal im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, fünf Mal geht Eintracht Frankfurt als Sieger vom Platz. So auch an jenem Sonntag Mitte Juli vor 40 Jahren, als die Mannschaft von Klaus Mank in Marburg vor 10.300 Zuschauern an einem der heißesten Tage des Jahres den von Christoph Daum trainierten 1. FC Köln 2:0 besiegt. Bernhard Trares und Holger Friz sind die Torschützen, die beiden Treffer sollten in dieser Reihenfolge auch die Plätze eins und zwei bei der ARD- Wahl zum „Tor des Monats“ belegen. 

Im Gespräch mit dem Quartett an der Bockenheimer Warte bei einer Tasse Kaffee kommt der Redakteur kaum zu Wort. Anekdote um Anekdote aus der Saison 1982/83 wird zum Besten geben, es wird getüftelt, wie denn die Mannschaftsaufstellung war und warum es im entscheidenden Spiel der Landesligarunde gegen Kickers Offenbach zu Ausschreitungen gekommen war. Nicht nur hier wird das gute Gedächtnis von Klaus Mank vermisst. „Wenn ich an ihn denke, bekomme ich Gänsehaut“, sagt Holger Friz, der schon im Jahr zuvor unter Mank U19-Spieler war, als die Eintracht im Finale den VfB Stuttgart geschlagen hatte. 

Klaus Mank ist der Architekt einiger Frankfurter Meistermannschaften. „Er und Otto Müller kannten jeden guten Frankfurter Jugendspieler, sie haben uns schon in der D-Jugend beobachtet. Sie waren die ersten Scouts, wenn man so will“, erzählt Alexander Conrad. Das Duo habe die Sportplätze abgefahren und dann Spieler wie Armin Kraaz und Co. zur Eintracht geholt. Praunheim, Sachsenhausen, Eckenheim, Bockenheim, Niederrad – das waren die Wohnorte der Spieler aus der 1983er Mannschaft. „Wir hatten vielleicht drei, vier Spieler von außerhalb“, erinnert sich Armin Kraaz, der vom SV Viktoria Preußen 07 zur Eintracht gekommen war. 

Training auf dem Hartplatz, Klaus Mank als Architekt, Fast-Aus in der Hauptrunde 

Als ehemaliger Leiter des Nachwuchsleistungszentrums bei der Eintracht kann Kraaz bestens einschätzen, warum dieses System damals so gut funktionierte. „Frankfurt hatte ein gutes Einzugsgebiet und die genannten umtriebigen Personen. Viele Vereine haben damals noch keine gezielte Jugendarbeit betrieben. Hoffenheim, Wolfsburg, Leipzig, Freiburg, die Bayern – all diese Topjugendvereine von heute gab es nicht. Auch keine Internate. Wir hatten zwei, drei Jungs am Riederwald, unter schäbigen Bedingungen“. Dafür wurde jeden Tag gekickt, quasi vor der Haustür. Conrad: „Jeder hatte, so wie ich am Riederwald, einen Bolzplatz oder Käfig vor der Tür. Nach der Schule gab’s nur Fußball.“ Wie groß der Drang zum runden Leder war, zeigt auch Manfred Binz auf. „Manchmal haben wir nach den A-Jugendspielen am Sonntagmorgen mittags noch in der italienischen Mannschaft gespielt. Das ist heute alles unvorstellbar.“

Professionelle Scouts, Co-Trainer, Torwarttrainer, Videoanalysten – gibt’s alles nicht 1983. „Wir hatten Köln mal bei Turnieren gesehen, ansonsten kannte Klaus Mank die Stärken des FC und hat uns entsprechend eingestellt. Wir haben sowieso immer im 3-5-2-System gespielt“, meint Kraaz, und Friz ergänzt: „Der Rest lief über Einzelgespräche, wie am Finaltag im Hotel in Marburg.“ Adolf und Sylvia Katzenmeier pflegten die Muskeln der Spieler in ihrer Praxis in Niederrad, „auch mal um 22 Uhr, sie waren immer für uns da“, so Friz. Es gab ein paar Betreuer wie unter anderem den späteren Präsident Rolf Heller. Das war‘s an Trainerteam und Staff. 

Und die Trainingsbedingungen? „Hartplatz“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Am Riederwald waren damals inklusive Profis alle Fußballteams der Eintracht beheimatet, die Trainingszeiten auf den guten Rasenplätzen für die älteren Teams reserviert. „Entweder oben an der Schule oder unten an der Bahn“, beschreibt Binz die damaligen Umstände. Die Heimspiele der Endrunde wurden im Friedrichsdorfer Stadtteil Seulberg vor den Toren Frankfurts ausgetragen. „Klaus hat immer Sportplätze mit Atmosphäre rausgesucht. Das war wie gemacht für uns“, so Conrad. Die Zuschauerzahlen waren vierstellig, so war die Eintracht ab dem Achtelfinale eine Heimmacht. 

Steiniger war der Weg in der Hauptrunde der Landesliga Süd, Kickers Offenbach war durch einige Punktverluste der Eintracht – unter anderem 4:4 bei der SG Hoechst – schon enteilt. Am letzten Spieltag mussten die Adlerträger auf dem Hartplatz am Bieberer Berg gewinnen, um das Entscheidungsspiel um die Meisterschaft zu erreichen. Beim Stand von 1:1 verschoss Armin Kraaz einen Elfmeter gegen Oliver Reck, Dennis Rieth machte es wenige Minuten später besser und traf vom Punkt zum 2:1-Endstand. Das Entscheidungsspiel in Seckbach gewann die Eintracht ebenso wie das folgende Hessenfinale gegen Hessen Kassel. 

In der Endrunde trumpfte die Mannschaft auf und zeigte, warum es später acht Spieler in die Bundesliga schaffen sollten. „Der beste Spieler war aber Stefan Wöber“, ist sich das Quartett einig. „Einer wie Marc Stendera später. Etwas kleiner, technisch super, in der Endrunde brillant“, erinnert sich Kraaz. Wöber spielt 1983 an der Seite von Hans-Dieter Flick und Michael Skibbe bei der U18-EM, durchläuft bis dahin alle Nationalmannschaften. Den Sprung in die Bundesligamannschaft der Eintracht schafft er jedoch nicht, er spielt später unter anderem für Darmstadt im Unterhaus. 

„Wir waren als Gruppe top. Alles Frankfurter Jungs, Klaus Mank hatte uns super im Griff“ begründet Holger Friz, bester Torschütze der Mannschaft, den Höhenflug durch die Endrunde. Die Hitzeschlacht im Finale mit rund 9.000 Frankfurter Fans im Rücken beginnt zäh, ehe Bernhard Trares aus 25 Metern abzieht und das Leder im Winkel einschlägt. „Ein geiles Tor“, schwärmt Binz, der noch heute eng verbunden ist mit dem 1999er DFB-Pokalsieger Werder Bremen. Holger Friz („drei Mann ausgespielt und dann abgezogen“) sorgt für das 2:0 und großen Jubel. Gefeiert wird später im Grauen Bock in Sachsenhausen und im Vogue Club, einer der feinen Clubbing-Adressen seinerzeit in Frankfurt. 

40 Jahre später geht’s an diesem Donnerstag an der Bockenheimer Warte ruhiger zu als damals ein paar Kilometer weiter östlich in der Junghofstraße. Ein gemeinsames Foto noch, ehe die Gesprächsrunde beendet und der überdimensionale Meisterwimpel wieder eingepackt wird. „Schön, euch mal wieder gesehen zu haben“, wird Armin Kraaz wenig später in die gemeinsame WhatsApp-Gruppe, die zur Terminfindung installiert worden war, schreiben.