Dinos Dreieck

Zum neuen Trainerteam um Dino Toppmöller zählen seit dieser Saison Erwin Bradasch, Stefan Buck und Nélson Morgado. Ihre Aufgaben, Spezialgebiete, ihr Werdegang, was sie eint, auch unterscheidet, und wie sie zusammenfanden, hat „Eintracht vom Main“ in Erfahrung gebracht.

Text: Daniel Grawe
Bilder: Max Galys, Bianca Jockel, Jan Hübner

Eine solche Achse hätte doch was: Ein Torhüter wie Jan Zimmermann zwischen den Pfosten, ein Manndecker wie Stefan Buck in der Verteidigung, ein Denker wie Nélson Morgado auf der Sechs, davor ein Spielgestalter à la Erwin Bradasch und ganz vorne vollendet Strafraumstürmer Dino Toppmöller. Gewiss eine charmante Vorstellung der gleichaltrigen oder maximal sechs Jahre auseinanderliegenden ehemaligen Fußballer, aber anno 2023 nicht mehr im Bereich des Realistischen. Zumindest als Aktive. Denn genau diese fünf Namen bilden seit diesem Sommer das Trainerteam der Lizenzmannschaft bei Eintracht Frankfurt.

Während Urgestein Zimbo noch zu Torwartzeiten im September 2017 das „Eintracht vom Main“-Cover zierte und der neue Chefcoach Dino Toppmöller in der vorherigen Ausgabe ausführlich zu Wort kam, hielt sich der Bekanntheitsgrad des Assistenztrios im Herzen von Europa vor deren Verpflichtung im Juni und Juli weitgehend in Grenzen. Das hätte mit ein paar kleinen Schicksalsschlenkern auch anders aussehen können.

Von der Mosel an den Main

Beispiel Bradasch. „Ich bin in Darmstadt geboren und in Pfungstadt aufgewachsen. In der Jugend wäre ich fast mal zur Eintracht gewechselt, mein Bruder [Daniel; Anm. d. Red.] war hier auch ein paar Jahre im Nachwuchs“, verriet der 42-Jährige unlängst im gleichnamigen Podcast „Eintracht vom Main“ während der Sommervorbereitung in Oberösterreich. Überhaupt habe es nach seiner Ankunft im Profi-Camp im Deutsche Bank Park schnell „schöne Wiedersehen nach all den Jahren“ gegeben. Etwa mit Christoph Preuß, dem Leiter der Lizenzspielerabteilung, stand Bradasch einst im Aufgebot der Hessenauswahl. Die ganz große Bühne blieb dem einstigen Juniorennationalspieler auch wegen eines Wadenbeinbruchs mit 27 Jahren zwar versagt. Zunächst wohlgemerkt. Denn ausgerechnet im Spätherbst seines Kicker-Daseins traf Bradasch beim rheinland-pfälzischen Oberligisten SV Mehring im Januar 2013 auf einen Teamkollegen, der ihm zehn Jahre später den Weg zurück ins heimische Bundesland ebnen sollte.

Die Rede ist von Dino Toppmöller, seinerzeit spielender Co-Trainer. Bradasch, „über die Jahre vom Zehner zurück zum Achter und am Ende auf der Sechs gelandet“, hielt dem Stürmer den Rücken frei – und fungierte ein Vierteljahr später an dessen Seite als Trainertandem. Aus der Zufalls- wurde eine Dauerlösung, nach drei erfolgreichen Jahren beim F91 Düdelingen in Luxemburg und der Zusammenarbeit bei Royal Excelsior Virton „war uns klar: das harmoniert“, erklärt Bradasch. Doch die Wege trennten sich erst einmal, weil Toppmöller das Interesse von Bundesligist Leipzig geweckt hatte. „Das hat für Dino gepasst. Dennoch waren wir die ganze Zeit in Kontakt. Wir haben gesagt, dass wir wieder zusammenarbeiten, wenn sich die Möglichkeit ergibt.“

Während also Toppmöller in Sachsen und Bayern Champions-League-Erfahrungen sammelte, verdiente sich Bradasch in Luxemburgs Zweiter Liga die ersten Meriten als Chefcoach. „Ich möchte die Zeit nicht missen“, beteuert der Familienmensch, der erstmals alleinverantwortlich seine Fußballideale gestaltete.

„Typisch holländische Schule“ in Uerdingen

Dafür prägend waren bereits frühe Jahre in Uerdingen, nicht nur nahe der hessischen, sondern auch der niederländischen Grenze gelegen. „Die Ajax-Schule war damals das Nonplusultra. Wie sie trainiert haben, war einfach top. Der technische Fußball war sehr hoch angesehen und zudem sehr erfolgreich.“ Henk ten Cate, später unter anderem beim FC Barcelona und Chelsea FC beschäftigt, beförderte Bradasch in den Männerbereich des KFC. „Das war typisch holländische Schule, technisch sauber.“ Ähnlich verhielt es sich später mit Jos Luhukay: „Auch typisch holländische Schule, 4-3-3, viel Wert auf den Zwischenräumen. Hat Spaß gemacht.“

Dass Spaß irgendwann auch von Ergebnissen abhängt, weiß Bradasch selbst, weshalb er einschränkt: „Ohne gesunde Aggressivität in der Defensive gewinnt man auch nichts. Zweikämpfe annehmen und gewinnen gehört einfach dazu. Es geht darum, die richtige Mischung auf den Platz zu bringen."

Genau das spiegelt sich seit dem Vorbereitungsstart auch auf den Trainingsplätzen wider, wo mit Stefan Buck ein ehemaliger Abwehrspezialist anzutreffen ist, der früher selbst nach eigener Aussage gerne „Gebrauch von der Zwei-Meter-Grätsche gemacht“ hat, „weil ich nicht so schnell war“, wie er lachend erzählt. Der gebürtige Saulgauer schreibt sich selbst auf die Fahne, „einfach gewinnen“ zu wollen, „egal in welchem System.“ Mit einer Hintertür: „Sehr spannend finde ich ein 3-5-2.“

Losgelöst von der Anordnung soll Buck, der seit 2015 als Co-Trainer im Nachwuchsleistungszentrum und seit 2021 bei der U23 des FC Bayern die Wertschätzung Toppmöllers gewinnen konnte, für „klare Verantwortung bei defensiven Standards“ Sorge tragen. Ein Spezialgebiet, das im Stadtwald großen Stellenwert genießt. 19 Gegentreffer nach ruhenden Bällen waren 2022/23 die drittmeisten der Bundesliga.

„Erwin ist derjenige, der sich einen Tick mehr um die Offensivthematiken kümmert und über die medizinischen Geschicke im Austausch mit Athletik und Medizin ist. Stefan soll den Fokus auf die Defensive legen und auch als Verbindungsglied zum NLZ arbeiten, er hat dort schließlich reichlich Erfahrung sammeln können. Im Normalfall wird er sich auch um die Standardsituationen kümmern“, skizziert Toppmöller die grobe Aufgabenteilung.

Buck hat Standards auf der Agenda

Verlassen können sich die Genannten nachgewiesenermaßen auf Nélson Morgado. „Er befasst sich viel mit unserer eigenen Spielidee und schaut sich Trainingseinheiten nochmal genauer an, als wir es im Team ohnehin schon tun. Er bereitet die Spiele in engem Austausch mit unserem hervorragenden Analyseteam vor und nach“, erklärt Toppmöller und schwärmt: „Nélson ist sehr fleißig und sucht permanent nach neuen Ideen.“

Überzeugen von den Qualitäten des 36-Jährigen konnten sie sich ebenfalls zu Düdelinger Zeiten, als dank Mut und Akribie der Einzug in die Gruppenphase der UEFA Europa League gelang. Der in der Jugend des Sporting Clube de Portugal ausgebildete Portugiese machte schließlich die AS Monaco als Analyst auf sich aufmerksam. An der Seitenlinie im Fürstentum stand Niko Kovac, dessen Liebe zum Detail gerade in Frankfurt nur allzu bekannt ist.

Morgado war schon unter Kovac Analyst

Ob Morgado sich bei Eintrachts Pokalsiegertrainer nach dessen Ex-Verein erkundigt hat, ist nicht überliefert; dafür verrät Bradasch: „Nelson hätte die Möglichkeit gehabt, in französischsprachige Länder zu gehen. Davon wäre ich auch ausgegangen, weil es von der Sprache her einfacher für ihn und seine Familie gewesen wäre. Doch er hat die Spiele und die Stimmung gesehen und gesagt: ‚Ich favorisiere die SGE!‘“

Seit sich die Reunion angebahnt hatte, „haben wir uns jederzeit intensiv und in jedem Detail damit befasst, was wir bewegen können. Wir arbeiten Tag und Nacht dafür, mit der Eintracht die größtmöglichen Erfolge zu feiern“, fährt Bradasch fort und folgert ebenso stellvertretend für seine neuen alten Kollegen: „Genau dafür arbeiten wir im Fußball. Diese emotionalen Erfahrungen in diesem Stadion mit diesen außergewöhnlichen Fans mitzunehmen – das hat sich inzwischen in ganz Europa rumgesprochen – das macht es aus. Wie die einen pushen können. Das will man auch im Trainerstab erleben.“

Und das „immer auf Augenhöhe“, wie Bradasch die Arbeitsweise mit Weggefährte Toppmöller beschreibt. „Er hat als Chef irgendwo andere Aufgaben, trotzdem stehen Menschlichkeit, Respekt und Ehrlichkeit im Mittelpunkt. Darin sind wir uns alle ähnlich. Bei uns stimmt die Chemie und die fußballerische Philosophie.“ Wenn auch nicht als Achse auf dem Feld, dafür als Dreieck im Sinne des Vereins.