Der lange Weg zur Bundesliga

Am 1. August feierte die Fußballbundesliga ihren 60. Geburtstag. Doch der Weg zur Eliteliga war gerade in Deutschland ein langer. Ulrich Matheja hat sich auf Eintracht-Spurensuche gemacht.

Von den 16 Fußballvereinen, die 1963 die eingleisige Bundesliga in ihrer bis heute bekannten Form begründeten, sind vor dem Saisonstart 2023/24 noch eine Handvoll erstklassig: Der SV Werder Bremen, VfB Stuttgart, Borussia Dortmund, der Premierenmeister 1. FC Köln – und die SG Eintracht Frankfurt. Die Elf von Paul Oßwald belegte anno 1964 am Ende Platz drei.

Ehe die Hessen am 24. August 1963 erstmals im modernisierten Oberhaus antraten und sich im heimischen Waldstadion 1:1 vom 1. FC Kaiserslautern trennten, musste erstmal ganz viel Wasser den Main hinunterlaufen, ehe der Vorstand des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf dem 14. Ordentlichen Bundestag am 22. Juli 1962 unter Antrag Nummer eins festhielt: „Der Bundestag möge beschließen, vom 1.8.1963 ab eine zentrale Spielklasse mit Lizenzspielern unter der Leitung des DFB einzuführen.“ 17.45 Uhr schließlich das historische Votum: 103 Delegierte votierten mit Ja, 26 dagegen. Die Bundesliga war geboren. Es war keine leichte Geburt, wie Gastautor Ulrich Matheja beleuchtet.

Als die Eintracht 1932 erstmals ins Endspiel um die Deutsche Meisterschaft einzog, hatte sie bereits 38 Meisterschaftsspiele bestritten. 20 in der Mainbezirksliga, 15 in der Süddeutschen und drei in der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft. Die Saison hatte am 9. August 1931 mit einem 6:1 bei der SpVgg Griesheim 02 begonnen und endete am 12. Juni 1932 mit der 0:2-Finalniederlage gegen Bayern München in Nürnberg. Mittelstürmer Karl Ehmer fehlte nur am 13. Dezember 1931 beim FSV Heusenstamm (6:0) und erzielte in 38 Spielen 55 Tore. Ehmer war wie seine Mannschaftskameraden offiziell Amateur und ging tagsüber einem Beruf nach. Es war aber ein offenes Geheimnis, dass die Spieler am Fußball verdienten, da entweder unter dem Tisch gezahlt wurde oder andere Wege zur Finanzierung des Spielbetriebs gefunden wurden.

1994 erinnerte sich Bert Merz, ehemaliger Sportchef der „Frankfurter Rundschau“ in einer Veranstaltung des Frankfurter Erzählcafés, dass noch Mitte der 1930er Jahre mit Rudi Gramlich, Hugo Mantel, Franz Schütz, Hans Stubb, Karl Ehmer und Willi Lindner sechs der besten Eintracht-Spieler bei der Firma J. & C. A. Schneider im Gallusviertel, damals Europas größter Hersteller von Hausschuhen, angestellt waren. Mittlerweile ist bekannt, dass auch Bernhard Leis, August Möbs, Bujo Schaller, Bernhard Kellerhoff und Joseph Kron beim „Schlappeschneider“ arbeiteten. Hätte es damals bereits Trikotwerbung gegeben, hätte die Eintracht vermutlich J. & C. A. Schneider auf dem Trikot gehabt.

Während der Fußball in der Weimarer Republik boomte – am 30. Oktober 1927 wurde mit 40.000 Zuschauern beim Derby der Eintracht gegen den FSV Frankfurt im Waldstadion ein neuer Besucherrekord für Punktspiele aufgestellt – und Millionen umgesetzt wurden, trat die Organisation des Spektakels auf der Stelle. Wie zu Kaisers Zeiten herrschte in Deutschland fußballerische Kleinstaaterei, die eine Konzentration der Spitzenvereine verhinderte. Jeder der sieben DFB-Regionalverbände organisierte sein Spielsystem nach eigenem Gutdünken. Der Westen praktizierte von 1922 bis 1926 den so gesehen neuen Weg mit Mammutligen, die über zwei Jahre ohne Auf- und Abstieg spielten. In Mitteldeutschland existierten zwischen 1923 und 1933 nicht weniger als 27 (!) oberste Spielklassen und in Süddeutschland widersetzten sich vor allem die kleinen Vereine der Idee einer Verbandsliga. Überall mehr Masse statt Klasse.

Besonders während in der Wirtschaftskrise mit ihrer Massenarbeitslosigkeit sahen viele die Lösung nur in der Einführung des Profifußballs und der Bildung einer Reichsliga. Nach der Spesenordnung des DFB waren 1930 lediglich Zahlungen in Höhe von 7,50 Mark für Heim- und 15 Mark für Auswärtsspiele erlaubt. Offiziell durften Vereine ihrer ersten Mannschaft also maximal 82,50 Mark pro Heim- und 165 Mark pro Auswärtsspiel zahlen. Bei einer Zuschauerzahl von knapp 6.000 – das war bei der Eintracht in etwa der Schnitt bei normalen Punktspielen – beliefen sich die Einnahmen aber auf etwa 5.000 Mark. Kein Wunder, dass die Spieler an einer stärkeren Beteiligung interessiert waren.

Obwohl der DFB 1925 seine Ablehnung des Berufsspielertums „für alle Zukunft“ bekräftigt hatte, war er letztlich gezwungen, sich der Frage zu stellen. Am 26. Oktober 1930 erklärte er, dass er den Berufsfußball kontrollieren und international vertreten wolle und ein Statut vorbereite. Passiert ist dann aber lange Zeit nichts. Selbst als sich der Geschäftsführende Ausschuss 1932 für die Legalisierung des Professionalismus in Deutschland ausgesprochen hatte, vertagte der DFB-Vorstand die Entscheidung am 22. Januar 1933 auf einen Außerordentlichen Bundestag am 28. Mai 1933. Nur acht Tage später kamen die Nationalsozialisten an die Macht, was das Ende aller Überlegungen um Profifußball und eine Reichsliga bedeutete. Und zwar nicht, weil die Nationalsozialisten den Berufssport generell ablehnten – so gab es im Boxen und Radsport weiterhin Profis –, sondern weil im neuen Führerstaat der Druck der Vereine und Verbände auf die DFB-Führung nachließ. So berichtete der „kicker“ am 30. Mai 1933 statt über einen Bundestag über den „Neuaufbau des deutschen Sports“. Als Argument gegen den Berufsfußball wurde auch immer häufiger ins Feld geführt, dass es vor allem jüdische Geschäftemacher seien, die mit dem Fußball Geld verdienen wollten.

Die Einstellung zur Konzentration der deutschen Spitzenvereine in einer Reichsliga änderte sich erst nach dem Debakel der neugebildeten großdeutschen Mannschaft bei der WM 1938 in Frankreich. Noch am 20. Juli 1937 hatte der „kicker“ den Nutzen einer Steigerung von deutschen Spitzenmannschaften als fraglich bezeichnet. Der Gau sei „das beste Haus für unsere erste Fußballklasse. Mit der weder große Geschäfte noch Spieler-Transaktionen gemacht werden sollen“. Nach dem WM-Aus wurde der „Massenspielbetrieb“, der „keine Leistungssteigerung“ zuließe, als Ursache des Scheiterns genannt. Vorbild wurde der zweimalige Weltmeister Italien mit seiner 1928/29 gegründeten Serie A. Ein für 1940 in Aussicht gestellter Start einer Reichsliga in Gruppen konnte jedoch kriegsbedingt nicht umgesetzt werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schien die Zukunft des Fußballs in Deutschland ungewiss. Doch schon im November 1945 nahm die Oberliga Süd in der Amerikanischen Zone ihren Spielbetrieb auf. Wieder aufkeimende Ideen einer Reichs- beziehungsweise Bundesliga sowie des Profifußballs wurden 1949 durch die Verabschiedung des Vertragsspielerstatuts 1949 entschärft. Nach dem überraschenden Sieg der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM 1954 in der Schweiz erhofften sich die Befürworter einer Bundesliga, die Topspieler nun auch in ganz Deutschland zu sehen. Die Gegner vertraten den Standpunkt, dass gerade der WM-Sieg gezeigt habe, dass es auch ohne eine Bundesliga gehe. Von da an stand das Thema „Bundesliga“ jedes Jahr auf der Agenda eines DFB-Bundestags. Argumente und Gegenargumente erinnerten stark an die Diskussion Anfang der 1930er Jahre.

1960 wurde im Frankfurter Römer „freie Bahn für die Bundesliga“ signalisiert, als ein Antrag von Hermann Neuberger, Präsident des Saarländischen Fußball-Verbandes, später des DFB, „zur Verminderung der Vertragsspielervereine“ einstimmig angenommen wurde. Am 31. Oktober 1960 wurde Neubergers Plan, „der inzwischen der Plan des DFB geworden ist“, im „kicker“ präzisiert: „eine ungeteilte Bundesliga mit bis zu 20 Vereinen und zwei Regionalligen mit ebenfalls je 20 Teilnehmern“. Doch schon ein Jahr später hieß es wieder: „Alle Jahre wieder. Kampf dem Fortschritt!“, nachdem der Westen „die klare Zielsetzung seines so klar klingenden Vorstoßes, der Einführung einer Bundesliga 1962/63 mit 16 Vereinen, durch „die unklare Definition eines hilflosen Rückziehers“ ersetzte: Bundesliga mit 16 Vereinen ab 1963/64!

„Da lachten sich die Bundesligagegner ins Fäustchen. Genau das hatten sie erreichen wollen. Verzögerung, Aufschub („kicker“ vom 31. Juli 1961). Damit war es aber am 28. Juli 1962 in Dortmund vorbei, als mit 103 zu 26 Stimmen „Das Ja zur Bundesliga“ beschlossen wurde und die Bundesrepublik als letztes Land in Europa eine eingleisige oberste Spielklasse erhielt. Vorreiter war 1888 England mit der Football-League gewesen. Und selbst die DDR hatte schon vor ihrer Gründung am 7. Oktober 1949 mit der Oberliga eine oberste Spielklasse.

Heftig wurde der Kampf um die begehrten 16 Plätze geführt. Von den 74 Oberligisten bewarben sich 46 für die neue Spielklasse. Die Eintracht gehörte am 11. Januar 1963 zusammen mit acht weiteren Vereinen zu den Ersterwählten. Da Bestrebungen, eine Aufstockung auf 18 oder 20 Vereine zu erreichen, erfolglos blieben, war die Enttäuschung bei den nicht berücksichtigten Klubs nach Benennung der letzten sieben Bundesligastarter am 6. Mai 1963 groß.

Sechs Jahrzehnte später steht der Traditionsverein vom Main bei. 1832 Begegnungen in der deutschen Beletage und in der Ewigen Tabelle mit 2.488 Punkten auf Rang acht hinter den aktuellen Zweitligisten Hamburger SV und FC Schalke 04.