Von Feuerwehrmännern und Wiederholungstätern

Eines kann man den Fußballern der Eintracht nicht nachsagen: dass sie in der Vergangenheit an Trainern gespart hätten. Seit Bundesligagründung 1963 waren es nicht weniger als 54 Trainer, die die Vorzeigetruppe der Eintracht mehr oder weniger erfolgreich auf ihre Einsätze vorbereitet haben. In den vergangenen Jahren ist jedoch Kontinuität eingekehrt.

Die Liste der ehemaligen Trainer ist lang, voller Geschichten, und sie enthält so manche Doppelung. Denn mit Friedrich Weise, Jörg Berger, Friedel Rausch, Dragoslav Stepanovic, Karl-Heinz Körbel und Armin Veh versuchten sich gleich sechs Trainer zweimal am Spielfeldrand. Auch Paul Oßwald, der die Mannschaft beim Bundesligastart 1963 coachte, war ein Wiederholungstäter: Bereits in den 30er Jahren am Riederwald aktiv, übernahm er die Mannschaft 1958 erneut und zog sich erst 1964 krankheitsbedingt zurück.

Aber bei der Eintracht gab es nicht nur „doppelte Trainer“, es gab auch einen „doppelten Dohmen“: Als Felix Magath zu Rückrundenbeginn im Januar 2001 nach einer katastrophalen 1:5-Niederlage gegen den 1. FC Köln entlassen wurde, übernahm Sportdirektor Rolf Dohmen auch den Posten des Trainers. Nach sieben Punkten aus den drei folgenden Spielen schien er auf dem Trainerposten eine Verstärkung, doch dann folgten saftige Niederlagen, sodass der Verein mit Friedel Rausch einen Ersatz hervorzauberte. Wunder bewirken konnte aber auch Rausch, der die Eintracht noch 1980 zum UEFA-Cup-Sieg geführt hatte, nicht: Am Ende der Saison 2000/2001 stiegen die Riederwälder sang- und klanglos ab. Außerdem gibt es seit diesen Sommer einen „doppelten Toppmöller“. Während Klaus Toppmöller von 1993 bis 1994 das Zepter bei den Profis in der Hand hielt, ist heute sein Sohn Dino Trainer bei den Adlerträgern.

Für Wunder sind übrigens Feuerwehrmänner zuständig. Jörg Berger war so einer. Zwischen 1989 und 1991 macht er aus dem Abstiegskandidaten eine Spitzenmannschaft. Bei seinem zweiten Auftritt am Riederwald sorgte Retter Berger für ein echtes Fußballwunder: 2:1 in Bremen, 2:0 gegen Dortmund, 3:2 auf Schalke und 5:1 gegen Kaiserslautern – die Ergebnisse der letzten vier Spiele der Saison 1998/99 stehen wie in Stein gemeißelt in der Vereinschronik, die eigentlich längst abgestiegene Mannschaft um Alex Schur, Ansgar Brinkmann und Jan-Aage Fjörtoft sorgte für das „Wunder vom Main“ und sicherte den Klassenerhalt.

Die vier Siege in Folge nehmen sich recht klein aus, denkt man an die Serie von Gyula Lorant. Im November 1976 für den erfolglosen Hans-Dieter Roos an den Riederwald gekommen, blieb die Eintracht unter Lorant bis zum Saisonende 21 Spiele lang ungeschlagen und beendete diese als Tabellenvierter. Aber Gyula Lorant bleibt den Eintracht-Anhängern nicht nur wegen der beeindruckenden Serie im Gedächtnis: Der am 31. Mai 1981 verstorbene Ungar wechselte im November 1977 überraschend zu den Münchner Bayern – und deren Trainer Dettmar Cramer heuerte am Riederwald an. Der Trainertausch hatte für die Eintracht keine positiven Folgen: Unter Cramer beendete man die Saison auf einem enttäuschenden achten Tabellenplatz.

Tabellenachter wurde die Eintracht auch in der Saison 1968/69 – unter einem späteren Nationaltrainer. Erich Ribbeck kam als jüngster Bundesligatrainer 1968 von Rot-Weiss Essen an den Riederwald und wurde erst 1973 von Dietrich Weise abgelöst. Übrigens fand hier ein erneuter Trainertausch statt: Während Ribbeck nach Kaiserslautern ging, kam Weise vom Betzenberg an den Main. Mit ihm gewann die Eintracht 1974 und 1975 den DFB-Pokal. Auch Weise, der 1981 mit der U18-Nationalmannschaft Europameister wurde, kehrte noch einmal an den Riederwald zurück. In der Saison 1983/84 sicherte er mit den „jungen Wilden“ um Ralf Falkenmayer, Armin Kraaz und Thomas Berthold in der Relegation gegen den MSV Duisburg den Klassenerhalt.

Wild wurde es bei der Eintracht übrigens auch schon, bevor der Verein mit Attila ein lebendes Maskottchen bekam: Klaus Toppmöller brachte nämlich zu Motivationszwecken auch schon mal einen lebenden Steinadler mit in die Kabine. Und auch er sorgte für eine tolle Serie: Seine Mannschaft startete mit 20:2 Punkten in der Saison 1993/94 – und wurde am Ende doch nur Tabellenfünfter. Übrigens mit einem echten Eintracht-Urgestein als Trainer. Denn als Trainer Toppmöller nach Querelen im April 1994 entlassen wurde, übernahm Charly Körbel kommissarisch das Amt und schaffte die Qualifikation für den UEFA-Cup. Nicht nur mit einem Adler hatte Toppmöller die Mannschaft geködert, vor einem Spiel lag auch ein Duplikat der Meisterschale in der Kabine.

Von doppelten Trainern, Motivationskünstlern und einem Rekord- Bundesliga-Aufsteiger

Das Original der Meisterschale konnte Dragoslav Stepanovic ebenfalls nicht an den Main holen. Er prägte aber einen mittlerweile legendären Satz: Bereits nach dem verspielten Titelgewinn von 1992 gab Stepi den Journalisten in Rostock sein „Lebbe geht weider“ mit auf den (Trauer-)Weg nach Frankfurt. Zur Philosophie wurde der Satz aber erst nach dem ersten Abstieg von 1996, als die Mut machenden Worte sich ähnlich Trapattonis „Ich habe fertig“ auf Tassen und T-Shirts in den Regalen der Fanshops wiederfanden. Ende der 90er Jahre hätten diese Fanshops auch mit einem ungewohnten „Fan“-Artikel Umsätze machen können. Der kauzige Trainer Horst Ehrmantraut bestand darauf, am Spielfeldrand stets auf seinem weißen Plastikstuhl Platz zu nehmen. Den Fans gefiel die Bodenständigkeit von „Hotte“. Und als die Eintracht 1998 wieder in die Bundesliga aufstieg, schwenkten einige Anhänger bei der Feier am Römer Gartenstühle statt Fahnen.

Erscheinen dem Eintracht-Fan weiße Gartenstühle als typisch für die Ära Ehrmantraut, denkt man bei einem anderen Trainer sofort an einen Container. Nach einer Tätlichkeit gegen einen Schiedsrichterassistenten wurde Willi Reimann, Aufstiegstrainer 2003, vom DFB für mehrere Spiele auf die Tribüne verbannt. Da die Haupttribüne im Hinblick auf die WM 2006 aber gerade umgebaut wurde, nahm Willi fortan in einem Container mit Blick auf das Spielfeld Platz und wurde so in der öffentlichen Wahrnehmung zum „Container-Willi“.

Ein Aufstiegstrainer bei der Eintracht war ebenso Friedhelm Funkel – er ist inzwischen gar der Rekord-Bundesliga-Aufsteiger. Als er im Juli 2004 bei der Eintracht anheuerte, war er bereits viermal aufgestiegen. Bis dato führte er Bayer Uerdingen (1992 und 1994), den MSV Duisburg (1996) und den 1. FC Köln (2003) in die Bundesliga. Die Adlerträger sollten 2005 folgen und zuletzt brachte er Fortuna Düsseldorf 2018 ins deutsche Oberhaus.

Erst 2011 folgte für die Eintracht wieder der Gang in die Zweite Liga – diesen konnte auch Christoph Daum nicht verhindern, der Ende März 2011 überraschend für die verbleibenden sieben Spiele als Nachfolger für den entlassenen Michael Skibbe verpflichtet wurde. In Erinnerung bleiben der Ausnahmezustand mit rund 2.000 Trainings-Kiebitzen bei Daums Amtsantritt – sogar der Hessische Rundfunk übertrug live –, ungewöhnliche Motivationsmethoden und Daums Spruch auf der Antrittspressekonferenz: „Wenn der Kopf richtig funktioniert, dann ist er das dritte Bein.“ Bereits nach 55 Tagen ist die Ära Daum schon wieder beendet. 

Eine andere Ära hätte fast gar nicht erst begonnen. Denn Trainer Armin Veh war anfangs gar nicht davon überzeugt, dass der Schritt nach Frankfurt in Liga zwei für ihn der Richtige sei. „Ich wollte das eigentlich nicht machen“, sagte er einst im Gespräch mit der Eintracht. Der Rest ist Geschichte: Das geliehene (und zu eng geschnittene) Hemd für Armin Veh bei der Pressekonferenz, der Wiederaufstieg 2011/12, das Erreichen von Platz sechs und dem damit verbundenen Einzug in die Europa League 2012/13, schließlich die rauschenden Fußballfeste mit zigtausenden Eintracht-Fans in Bordeaux oder Porto 2013/14 und noch einmal ein Comeback als Eintracht-Trainer in der Saison 2015/16.

Während der Trainerstuhl in Frankfurt früher eine recht wackelige Sitzmöglichkeit war, hat Friedhelm Funkel ihm spätestens seit dem 1. Juli einen Keil zur Stabilisierung untergeschoben und die Eintracht ist in den vergangenen Jahren vielmehr zum Sprungbrett für talentierte Trainer geworden, die ihre ersten Schritte in der Bundesliga gemacht haben. Ob Niko Kovac (2016 bis 2018), der anschließend den Sprung zum FC Bayern München wagte, oder Adi Hütter (2018 bis 2021), der mit seinem Wechsel zu Borussia Mönchengladbach zwar nicht den großen nächsten Schritt machte, aber durch seine Frankfurter Zeit seine Karriere zunächst gehörig in Schwung brachte.

Die Eintracht in Schwung gebracht hat Trainer Oliver Glasner. Er hievte den Klub auf ein völlig neues Level. Zur Saison 2021/22 vom VfL Wolfsburg an den Main gekommen, führte er den Verein in seiner ersten Saison zum Sieg in der UEFA Europa League – dem ersten Triumph für die Eintracht auf europäischer Bühne seit 42 Jahren – und zu einem elften Tabellenplatz in der Bundesliga. In der anschließenden Premierensaison in der UEFA Champions League erreichte der Österreicher mit den Adlerträgern das Achtelfinale, in dem sich die Frankfurter in zwei Spielen dem neuen italienischen Meister SSC Napoli geschlagen geben mussten, im DFB-Pokal gelang der Finaleinzug und dank des siebten Tabellenplatzes in der Bundesliga spielt die Eintracht nun erneut international.

Stepi, Hotte, Charly, Willi, Friedhelm, Armin, Niko oder Oli sind nur einige der Trainer, die die Eintracht seit 1963 begleitet haben – nun hat seit dem 1. Juli Dino Toppmöller das Steuer der Profis in der Hand. Mit dem luxemburgischen Verein F91 Düdelingen konnte der 42-Jährige schon einige Titel als Cheftrainer sammeln – dreimal wurde er mit dem Team luxemburgischer Meister, zweimal luxemburgischer Pokalsieger und zweimal Ligapokalsieger. Mit dem F91 Düdelingen schrieb Toppmöller Geschichte und sicherte sich nach der Meisterschaft auch die Qualifikation zur UEFA Europa League. Eintracht Frankfurt ist nun seine erste Cheftrainer-Station in der Bundesliga – und wer weiß, vielleicht kommt schon bald ein nächster Titel in seine und unsere Trophäensammlung. Auf jetzt, lasst uns gemeinsam die Geschichte fortschreiben!