„Erst der Anfang“
Mit 18 Jahren gibt Jella Veit am ersten Spieltag ihr Bundesligadebüt, wenige Tage zuvor trifft sie im DFB-Pokal im ersten Pflichtspiel für das Team von Niko Arnautis. Als Jüngste im Kader bringt sie trotzdem schon jede Menge Selbstbewusstsein mit, will „ein bisschen sticheln“ und parallel zu ihrem Abitur die nächsten Minuten sammeln.
Text: Marie Huhn
Fotos: Carlotta Erler, DFB, Manuel Bahmer
Nach dem Mittagessen fing das Kribbeln an. „Niko kam im Hotel zu mir und sagte, dass es bei Gini noch nicht von Beginn an klappt“, erinnert sich die 18-Jährige an den 17. September – Bundesligaauftakt der Saison 2023/24 in Essen. Sara Doorsoun und Virginia Kirchberger mussten verletzungsbedingt passen, für die erst im Sommer in den Bundesligakader gerückte Abwehrspielerin die Chance. „Ich habe erstmal meinen Eltern geschrieben“, erzählt sie mit einem Lachen. „Den ganzen Nachmittag war es eine Mischung aus Aufregung und Vorfreude. Je näher das Spiel kam, desto mehr habe ich mich aber einfach mega glücklich gefühlt.“
Seit dem Kindergarten mit dem Ball am Fuß ließ Jella ihre Eltern sie mit fünf Jahren beim Fußballverein „im Dorf“ anmelden. Jenes Dorf ist die knapp 4.500-Einwohner-Gemeinde Bönningstedt in Schleswig-Holstein, in der Jella beim dortigen SV Rugenbergen bis zu den C-Junioren auflief, am Ende mit einem Zweitspielrecht parallel zur U17 des Hamburger SV in der B-Juniorinnen-Bundesliga. „Früher bin ich auch noch geschwommen“, mit einer Mutter als Schwimmtrainerin und einem Vater, der an Schwimmwettkämpfen teilnahm, eigentlich der Sport, der ihr in die Wiege gelegt wurde. Am Ende entschied sich Jella aber für den Teamsport. „Beim Fußball hat man immer viele Menschen um sich, mit denen man die Erfolge feiert, sich aber auch auffängt nach Niederlagen.“
„Ich habe erstmal meinen Eltern geschrieben“ – Jella Veit –
Den ersten ganz großen Schritt, nicht nur geografisch gesehen, machte die gebürtige Norddeutsche 2021. Von der U17 des HSV wechselte Jella mit gerade einmal 16 Jahren in die U20 von Eintracht Frankfurt. „Es ist mir ehrlicherweise, auch wenn ich erst 16 war, nicht so schwergefallen. Ich wollte den nächsten Schritt gehen und war immer schon recht selbstständig.“ In Frankfurt zog sie ins Sportinternat, auf der Carl-von- Weinberg-Schule möchte sie in diesem Jahr ihr Abitur machen. Im Zweitligateam der SGE brauchte sie ebenfalls keine lange Eingewöhnungszeit, wurde in ihrem ersten Jahr Stammspielerin, nach einer Saison zur Kapitänin gewählt und mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold ausgezeichnet. Ganz nebenbei holte sie mit der U17-Nationalmannschaft den Europameistertitel und wurde in Indien bei der Weltmeisterschaft Vierte, ebenfalls mit der Kapitänsbinde am Arm. In diesem Herbst hat man sie zur Spielführerin der deutschen U19-Nationalmannschaft ernannt, mit der sie im Sommer Vize-Europameisterin wurde.
„Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht genau, woher das kommt. Aber mir fällt es nicht schwer, Verantwortung zu übernehmen. Ich mag es, wenn man Leute mitreißen kann“, sagt Jella selbst über ihre Rolle als Kapitänin. „Für mich bedeutet das, auch mal die eigene Gemütslage hintenanzustellen fürs Team.“ In der Saison 2022/23 stand sie mehr als 1.700 Minuten als Kapitänin der U20 auf dem Feld, im Sommer folgte der erhoffte Schritt in den Profikader. „Jella ist sehr zweikampf- und kopfballstark und besitzt eine gute Physis. Gleichzeitig ist sie als Abwehrspielerin sehr mutig im Spielaufbau nach vorne“, beschrieb sie damals Trainer Niko Arnautis. „Sie ist in der Defensive ein absolutes Toptalent.“
Mit 18 Jahren ist Jella nun die Jüngste im Team. „Das ist für mich aber kein Grund, mich zu verstecken, sondern vielmehr ein Anreiz, die gestandenen Spielerinnen ein bisschen zu ärgern und zu sticheln, sodass sie sehen, dass auch was nachkommt.“ Nachdem sie den Sommer zunächst mit ihren Vereinskolleginnen Sophie Nachtigall, Dilara und Ilayda Acikgöz und Paulina Platner in Belgien bei der U19-Europameisterschaft verbrachte, stieg sie in Frankfurt voll ins Training ein. „Man muss tatsächlich in jedem Training zu 100 Prozent da sein. Es kommt viel mehr auf Kleinigkeiten, aber auch richtig gute Basics an“, spürte sie am Anfang den Leistungssprung von der U20. Trotzdem sollte das Pflichtspieldebüt nicht lange auf sich warten lassen.
DFB-Pokal-Runde zwei beim Hegauer FV: Durch die Champions-League-Spiele am Wochenende zuvor rotierte Niko Arnautis gegen den Viertligisten. Jella Veit war eine der Spielerinnen, die das Vertrauen bekamen und 90 Minuten auf dem Feld standen. Ein souveräner Auftritt, den Jella mit einem Kopfballtreffer zum 1:0 krönen konnte. „Ich möchte als Spielerin eine gute Mentalität haben, jemand sein, der nie aufgibt, auch nicht, wenn man zurückliegt; eine abgeklärte Spielerin sein und den Überblick behalten, auch wenn es mal wuselig wird“, beschreibt die Defensivkraft, wie sie sich ihre weitere Entwicklung vorstellt. „In meinem ersten Jahr in der ersten Mannschaft möchte ich vor allem neue Eindrücke sammeln, ankommen, alles mitnehmen, die Zeit genießen und lernen.“
Direkt auch ihr Bundesligadebüt zu feiern, habe sie sich nur erträumen können. „Ich hatte etwas Glück durch mehrere Ausfälle, trotzdem muss man erstmal das Vertrauen bekommen.“ Auf dem Platz sei sie „schon ein bisschen überwältigt“ gewesen zu Beginn. „Man muss wirklich in jeder Sekunde voll da sein, seine Schritte vorausplanen, sich anbieten und dem Tempo standhalten.“ Über die vollen 90 Minuten hatte sie – trotz der Niederlage ihres Teams – Zeit, sich immer besser einzufügen. „Auf der Busfahrt danach musste ich erstmal alles sacken lassen“, ein paar Tage später habe sie dann das Erlebte erst wirklich realisiert. „Es ist schön zu wissen, dass ich auf einem guten Weg bin“, sagt Jella und blickt gewohnt selbstbewusst nun direkt nach vorne. „Das war der erste Schritt, jetzt ist der Ansporn umso größer!“