Warten auf die kalten Monate

Mit Eishockey, Bobsport, Curling und Eisstockschießen gibt es bei Eintracht Frankfurt gleich vier Wintersportarten, aber was machen diese Sportlerinnen und Sportler eigentlich den Sommer über?

Text: Laurin Sondermann

Fotos: Laurin Sondermann, Céline Stucki

Wenn im Frühjahr der Schnee schmilzt, das Eis taut und auch die letzten Wintersportarten aus den Programmen der Fernsehsender verschwinden, beginnt für die Wintersportlerinnen und -sportler erneut das lange Warten auf die kalten Tage. So zumindest die Vorstellung der meisten Wintersport-Fans. Auch bei Eintracht Frankfurt gibt es mit Eishockey, Bobfahren, Curling und Eisstockschießen gleich vier Wintersportarten, deren Athletinnen und Athleten teilweise zur absoluten Weltspitze gehören. Hierzu bedarf es einiges an Training – auch über die Sommermonate. Aber wie betreibt man eigentlich Wintersport während der wärmsten Jahreszeit? 

Für die Bobfahrerinnen und -fahrer war die Sommerpause kurz – zu kurz, sagt Vanessa Mark, die als Anschieberin im Zweierbob agiert. Bis Ende März waren die Bobsportlerinnen und -sportler mit dem Adler auf der Brust in der ganzen Welt unterwegs, danach gab es lediglich einen Monat Pause. Nichtsdestotrotz sei es nötig, bereits im Frühjahr mit der Vorbereitung auf die neue Saison zu beginnen. Für die Wettkämpfe muss zu Beginn der Vorbereitung viel Kraft aufgebaut werden, erklärt Christoph Hafer, der Olympiadritte von Peking 2022: „Im Sommer haben wir gar nicht die Möglichkeiten, auf dem Eis zu trainieren, das findet hauptsächlich ab November statt. Im Sommer sind wir Leichtathleten, die im Kraftraum und auf der Tartanbahn zu Hause sind. Im Grunde genommen ist es viel Sprint- und Krafttraining bis zu den Anschubtests im Oktober. Dort wird die Grundlage für die Erfolge im Winter gelegt.“ 

In der heißen Phase der Vorbereitung geht es für die Spitzenathletinnen und -athleten um Explosivität und Schnelligkeit beim Beschleunigen des Bobs, weshalb ab Oktober wieder auf den verschiedenen Anschubstre- cken in Oberhof, Magdeburg und Riesa in „einer Art Halfpipe nur das Anschieben des Schlittens trainiert wird“, so Christoph Hafer. Mit dem Start in die Saison gilt es dann die Früchte zu ernten für die Arbeit der Bobfahrerinnen und -fahrer im Sommer – los geht es für den Eintracht-Tross mit dem Weltcup auf der olympischen Bahn von Yanqing, China. 

Ein wenig entspannter sieht der Sommer für die Hessenliga-Eishockeyspieler aus. Die Adlerträger, die sich in der vergangenen Saison erst im Finale der Hessenmeisterschaften geschlagen geben mussten, sind nach dem Endspiel Anfang April erst einmal in eine einmonatige Pause gegangen. Für die meisten Adlerträger sei es wichtig, auch Abstand vom Eishockey zu gewinnen, sagt Eintracht-Crack Janosch Sartorius. So richtig beginnt die neue Saison im Kraftraum, wenn in der Eissporthalle das Eis bereits abgetaut ist. Mit viel CrossFit und Ausdauertraining beginnt für jeden Spieler die Einzelarbeit, auch wenn die Mannschaft immer wieder bei Beach-Volleyball und Fußball zusammenkommt. 

Einige Adlerträger bekommen auch in den Sommermonaten nicht genug – für sie ging es nach Tschechien ins persönliche Trainingslager, wo sie gemeinsam mit Eishockeyspielern aus aller Welt auf dem Eis ihre Fähigkeiten verbessert haben. Für die Zuhausegebliebenen sei es wichtig, dass man vor dem ersten Eistraining wieder die Leistungsfähigkeit steigert. „Im Juli und August liegt der Fokus auf Cardio, sodass man, wenn man aufs Eis kommt, wenig Probleme mit der Kondition hat. Auf das Eis kann man sich schwer vorbereiten, da man viele Muskeln ausschließlich dort benutzt. Aus diesem Grund sind auch die ersten zwei Wochen auf den Kufen sehr anstrengend, aber man kommt schnell in Form und jedes Training fühlt sich besser an“, so Janosch Sartorius zur Rückkehr aufs Eis. Am 1. Oktober hatte die lange Vorbereitungsphase endlich ein Ende, dann ging es nämlich mit dem ersten Saisonspiel los – gleich zu Beginn warteten die Löwen Frankfurt zum Lokalderby in der Frankfurter Eissporthalle (4:6).

In einem ähnlichen Zeitraum bewegt sich auch die Vorbereitungsphase der Rollstuhlcurlerinnen und -curler – bis Ende März laufen die Wettkämpfe des Nationalkaders rund um den Globus. Wer danach glaubt, dass die Curlerinnen und Curler Zeit zum Entspannen haben, den muss Paralympics-Teilnehmerin Heike Melchior enttäuschen: „Für uns beginnt die Vorbereitung bereits einen Monat nach Ende der Wettkämpfe, auch wenn man das so nicht pauschalisieren kann.“ Bereits wenige Wochen nach Saisonende fängt für sie das Training abseits der Eisfläche an. Mit Kraft- und Konditionsübungen steigen die Eissportlerinnen und -sportler in ihre Vorbereitung ein – bei Heike Melchior ist das neben Handbikefahren auch Mentaltraining: „Es ist wichtig, auch vom Kopf her bereit für einen Wettkampf zu sein und über den Leistungsdruck zu sprechen, damit man das Gelernte in die Praxis übertragen kann.“

„Die Grundlage für den Erfolg wird im Sommer gelegt“ – Christoph Hafer, Bobpilot – 

Üblich sind zudem selbstorganisierte Trainingslager im Ausland mit Sportlerinnen und Sportlern aus den verschiedensten Regionen Deutschlands. Heike stört an der Vorbereitung vor allem, dass in den vergangenen Jahren immer wieder Zuschüsse der verschiedenen Verbände gekürzt wurden, weshalb es umso schwerer wird, weiter in der Weltspitze mitzuhalten. Bei den Paralympischen Spielen in Pyeongchang 2018 feierte die Wahl-Wölfersheimerin ihre paralympische Premiere, vier Jahre später konnte sich das deutsche Team nicht mehr für die Spiele in Peking qualifizieren. Auch aus diesem Grund sei der Austausch mit anderen Nationen, wie beispielsweise bei dem jährlichen Saisonstart in Kopenhagen, wichtig – nur so könne man auch von den anderen Nationen lernen.

Einen ganz anderen Ablauf gibt es bei den Eisstockspielerinnen und -spielern – eine richtige Vorbereitung besteht hier nicht, weil sie das Glück haben, ganzjährig aktiv zu sein. So können die Eisstocksportlerinnen und -sportler in den Sommermonaten auf der Asphaltbahn in Ober-Eschbach ihre Fähigkeiten auch bei knapp 30 Grad trainieren. Möglich macht das ein besonderer Untersatz der Eisstöcke, wie Matthias Roock, Leiter Eisstockschießen, erklärt: „Im Sommer spielen wir mit einem Kunststoffuntersatz, der es möglich macht, auch auf Asphaltbahnen zu spielen. Dieser unterscheidet sich im Handling kaum vom Gummiuntersatz, den man auf Eis spielt.“

Dadurch wird der vermeintliche „Wintersport“ zum Ganzjahressport, weshalb auch die Wettkampfsaison über das komplette Jahr andauert. Trainiert wird dabei von April bis Oktober auf der Asphaltbahn in Ober-Eschbach, während es im Winter in die kleine Eissporthalle nach Frankfurt geht. Geachtet wird dabei besonders auf die Variabilität und Konzentration. „Im Vorfeld eines Wettkampfs ist es wichtig, sich zusammenzusetzen und einen klaren Plan zu machen, wer an welcher Position spielt“, so Matthias Roock.

Inzwischen sind viele Adlerträgerinnen und Adlerträger in ihre verschiedenen Wettbewerbe verteilt auf der ganzen Welt gestartet, für einige steht der Saisonstart kurz bevor. Sei es in der Eissporthalle in Frankfurt oder auf der olympischen Bobbahn in Yanqing – die Wintersportlerinnen und -sportler werden mit höchstem Einsatz und in bester Verfassung die Farben der Eintracht in die Welt tragen.