Hart, aber herzlich  

Bereits 100 Jahre liegt die Gründung von Eintracht Frankfurt Rugby zurück. Ihre Anfänge nahm die Abteilung durch einen Leichtathleten, seitdem gab es viele Veränderungen. Welche Entwicklung die Abteilung seither genommen hat, erfahrt ihr in den Meilensteinen und in einem Interview mit Corinna Völker und Stefan Kuchta. Außerdem im Fokus auf den kommenden Seiten: Glückwünsche, ein Frankreichtrip, Regelkunde sowie ein Porträt über „Higgi“ und wie er als Norddeutscher in Hessen heimisch wurde. 

Texte: Anna Becker, Nina Bickel, Marko Deichmann, Lucca Günther 

Fotos: Eintracht Frankfurt, privat, Luca Weigand, Grafik: Lea Hohmann 

 

Natürlich pocht jede Sportart auf ihre Einzigartigkeit und rückt sich gerne in besonderes Licht – zumeist zu Recht! Trotzdem: Rugby ist anders als andere Sportarten. Vielleicht liegt es daran, dass Rugby in seinen Entstehungszeiten eher in privilegierten Schichten Englands gespielt wurde. Im England des 19. Jahrhunderts wurden die Tugenden festgelegt, die noch heute Bestand haben. 

Ehre

Es ist eine Ehre, sich für seinen Verein ins Getümmel zu stürzen, anzugreifen und zu verteidigen, zu gewinnen und zu verlieren. Ebenso ist es eine Ehre, für die Sportkameradinnen und -kameraden in die Bresche zu springen oder ihnen im letzten Moment den Pass zu einem Versuch zu geben. 

Respekt

Rugby ist hart und funktioniert nur, wenn man sich selbst, seinem Team und dem Gegner mit Respekt gegenübertritt. Der größte Respekt wird dem Schiedsrichter gezollt, der ohne Zweifel das schwerste Amt auf dem Platz ausübt. So ist es ein Tabu, ihn lauthals zu kritisieren oder gar zu berühren. Seine Entscheidungen werden (in der Regel) kommentarlos akzeptiert, andernfalls droht rigorose Bestrafung. Verletzte Spieler, die vom Platz gehen oder sich berappeln, werden aus Respekt vor ihrer Leistung mit Applaus bedacht. Nach dem Spiel bekommt die Verlierer-mannschaft aus dem gleichen Grund eine „Klatsch-Gasse“. 

Frohsinn

Nach dem mühseligen Plagen, Rennen, Stürzen und Fluchen ist es nach Schlusspfiff an der Zeit, sich zu erholen. Gemeinsam mit Gegner, Schiedsrichter und Publikum trifft man sich zum gemeinsamen Plausch bei einem Fläschchen Gerstensaft und diskutiert die einzelnen Spielphasen oder den Dow Jones in New York – oder man beginnt (meist etwas später) Lieder zu singen. Es kann auch vorkommen, dass der ein oder andere Aktive nach Schlusspfiff relativ unbekleidet eine Ehrenrunde um den Platz läuft (dies ist keine Strafe, sondern eine Ehre) Mitunter vereinen sich beide Teams zu einem „Kriegstanz“, der im gänzlichen Verlust der Trikotage enden kann. 

Traditionen

Die Rugby-Tugenden werden überall auf der Welt zelebriert und von Spielergeneration zu Spielergeneration weitergegeben. Es entsteht ein spontanes Gemeinschaftsgefühl, egal wo man auf andere Rugbyspielerinnen und -spieler trifft. In der Rugbyabteilung gibt es seit 1923 „Das Buch“, in dem sich die Spielerinnen und Spieler (und auch gegnerische Teams) zu unterschiedlichen Anlässen mit ihrer Unterschrift verewigen und kleine Anekdoten notieren. Lange Tradition hat auch die alljährliche Verleihung des „Club-Jacketts“ mit Rugby-Emblem im Rahmen der Weihnachtsfeier – mal erhält es ein verdienter Funktionär, mal ein junger aufstrebender Spieler. In dieser Zeremonie und im Tragen des Jacketts bei offiziellen Anlässen vereinen sich die hohen Rugby-Tugenden Ehre und Respekt.