Das große Schieben  

Jedes Jahr müssen sich die deutschen Bobsportlerinnen und Bobsportler beim zentralen Leistungstest beweisen. Auf der Anschubstrecke wird gezeigt, wer am explosivsten aus der Sommervorbereitung kommt, dabei kann im schlimmsten Fall hier schon die Saison zu Ende sein, wenn die Leistung nicht stimmt. Wir haben die Eintracht-Athletinnen und -Athleten beim diesjährigen Test in Oberhof begleitet.

13 Grad Celsius, Nieselregen, graue Wolken, der Himmel und die Sonne lassen sich nur erahnen. So fühlt sich am 21. Oktober der Herbst in Thüringen an. Geht man durch die unscheinbare Tür am Olympiastützpunkt Thüringen in Oberhof, erschlägt einen geradezu die plötzliche Kälte. Drei Grad auf der Anschubstrecke. Es ist kaum Platz rund um die Eisbahn, es ist kalt, eng und vor allem – laut. Maureen Zimmer geht in Richtung Start, Hände klopfen ihr auf die Schulter, sie streift ihre Winterjacke ab, setzt sich den Helm auf, fasst die Griffe des Anschubwagens und sprintet vorwärts, während die Personen rund um die Bahn jubeln. Es sind intensive knapp sechs Sekunden. Maureen Zimmer ist Bobpilotin bei Eintracht Frankfurt. Sie wird heute in beiden Kategorien – Mono- und Zweierbob – den Sieg holen.  

„Einmal durch die Hölle und zurück“ – Christian Hammers 

Während für Maureen Zimmer heute alles glatt läuft, wird bei anderen der Traum von der Bobsaison heute platzen. Der zentrale Leistungstest ist entscheidend für die gesamte Saison, besonders für die Anschieberinnen und Anschieber. Wenn Schlitten für die Saison besetzt werden, wird auch immer auf die Zeiten geschaut, die heute erreicht wurden. Der Druck ist immens. Das weiß auch Trainer Tim Restle: „Die Anspannung heute ist riesig groß bei den Anschiebern. Manchen liegt das und andere haben Probleme, damit umzugehen.“ So auch bei Christian Hammers. 

Christian ist seit fast zehn Jahren Bobsportler, allerdings musste er in den letzten beiden Jahren verletzungsbedingt pausieren. Heute steht das große Comeback an, als er die Anschubanlage betritt, begrüßen ihn andere Athleten und Trainer, es fallen Sätze wie: „Schön, dich hier zu sehen“ oder „Toll, dass du wieder dabei bist.“ Christian geht kaum darauf ein, die Anspannung vor dem ersten Versuch ist hoch. Helm auf, in Position bringen, Sprinten, Anschieben – pure Erleichterung bei Christian Hammers. Bei dem Eintracht-Athleten fällt merklich die Anspannung ab, das Comeback ist geglückt. Nicht nur bei Christian ist die Entspannung zu spüren, auch Trainer Tim Restle und die Eintracht-Teamkolleginnen und -kollegen kommen auf ihn zu, gratulieren und umarmen den Anschieber. „Das waren für mich anspruchsvolle zwei Jahre, ich bin einmal durch die Hölle und zurück gegangen. Ich bin jetzt sehr, sehr happy, wieder da zu sein, und mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen“, erzählt Christian Hammers sichtlich erleichtert nach dem Leistungstest. 

Insgesamt läuft der Anschubtest erfolgreich für die Eintracht. Cynthia Kwofie und Vanessa Mark zeigen starke Zeiten bei den Anschieberinnen, während Vanessa auch ihr Comeback nach Verletzung feiert. Christoph Hafer, Pilot bei der Eintracht, schiebt eine neue persönliche Bestzeit und formuliert im Nachgang ambitionierte Ziele für die Saison: „Wir wollen definitiv wieder den dritten Weltcup-Platz sichern. Einfach gesagt: Wir müssen die kommenden vier Rennen gewinnen, dann sind wir auch dabei. Das ist auch unser Ziel.“ 

Joshua Tasche holt den fünften Platz beim Anschub für den Zweierbob, den Anschubtest für den Vierer gewinnt er sogar und zeigt sich im Anschluss zufrieden mit seiner Leistung: „Es hat etwas holprig angefangen, also die Zweier-Bremse. Dann konnte ich mich allerdings steigern beim Viererschub und das ist perspektivisch auch die Position, die ich in der Saison einnehmen werde, also bin ich insgesamt zufrieden.“  

Lediglich Christoph Peth fährt mit getrübter Laune aus Oberhof zurück. Er hatte letztes Jahr überraschend bei der Junioren-Weltmeisterschaft Silber geholt, diese Saison sollte der Durchbruch gelingen. Hierfür wäre der Anschubtest in Oberhof essenziell gewesen, doch dann kam der erste Versuch. Selbes Spiel wie bei den anderen Athleten: Fokus, Helm auf, in Startposition bringen und Go! Für den Laien sieht alles normal aus, aber Trainer und Teamkolleginnen und -kollegen sehen sofort: Da stimmt etwas nicht. „Ich habe direkt gesehen, dass er so einen merkwürdigen Zwischenschritt gemacht hat, da wusste ich, dass etwas nicht richtig ist“, sagt Trainer Tim Restle und hat damit Recht. Oberschenkelverletzung bei Christoph Peth – der 24-jährige Eintracht-Anschieber muss den Anschubtest abbrechen. Der Frust ist groß. Wie es in dieser Saison für Christoph Peth weitergeht, kann jetzt noch nicht sicher gesagt werden. 

Mit dem Anschubtest ist die erste größere Hürde genommen. Für die Bobsportlerinnen und Bobsportler geht die Saison jetzt erst richtig los. Selektionsrennen, Deutsche Meisterschaft, Weltcup, Europacup und dann das große Ziel: die Heim-WM in Winterberg. Eintracht Frankfurt Bob stehen spannende Wochen bevor.