Vom Taunus ins Traumland

Aus Marxheim an den Riederwald, zwischen Japan und Finnland, Doppel-Combo mit Nacho, ein Einsatz mit Ansage und Lob von den Verantwortlichen. Die Geschichte hinter dem Profidebüt von Elias Baum. 

Text: Daniel Grawe

Bilder: Max Galys, Maurice Krenzer

Wer am 27. August den Weg in den Ahorn Camp Sportpark gefunden hatte, wird heute möglicherweise zu denjenigen Beobachtern zählen, die sagen dürfen: Ich hab’s gleich gesehen! Die U21 befand sich im vierten Spiel nach dem Aufstieg in die Regionalliga gegen TuS Koblenz in Rückstand, behielt dennoch mit 3:1 die Oberhand. Eine doppelte Koproduktion von Ignacio Ferri Julià und Elias Baum hatte vor und kurz nach dem Seitenwechsel die Wende eingeläutet. Den Ausgleich servierte Baum per Seitfallzieher auf Nacho Ferri, die Führung veredelte der spanische Stürmer nach einer scharfen Hereingabe des Außenverteidigers mit der Hacke. 

Da haben sich, so schien es, zwei gefunden. Bekanntermaßen sehen sich die beiden Jungprofis derzeit immer häufiger im Stadtwald statt in Dreieich. Nachdem Nacho mittlerweile auf vier Einstätze in der Bundesliga, drei in der UEFA Europa Conference League und einen im DFB-Pokal kommt, feierte am 9. November beim Gruppenspiel beim HJK Helskinki mit Baum das nächste Eigengewächs sein Profidebüt. Eine Premiere mit Ansage. 

Erstmals namentlich auf dem Lizenzspielerradar tauchte der waschechte Frankfurter Junge vor genau einem Jahr auf. Eintracht Frankfurt befand sich während der Winterpause auf Japan-Tour. Auch weil parallel die Weltmeisterschaft stattfand und zahlreiche Nationalspieler fehlten, durften neun Jungadler aus dem eigenen Stall mit nach Nippon. Das erste Spiel gegen die Urawa Red Diamonds am 16. November 2022 verfolgte Baum noch von der Bank aus, drei Tage später gegen Gamba Osaka in Suita durfte der variable Außenbahnspezialist gut eine halbe Stunde mitmischen. 

Es war nicht der erste Übersprung für den Durchstarter, der 2015 vom FC 1957 Marxheim im Taunus ins Nachwuchsleistungszentrum der Eintracht am Riederwald wechselte und sich seitdem ab der U11 schnellen Schrittes nach oben arbeitete. Das erste U17-Match bestritt er unter Ervin Skela mit 15 Jahren, obwohl er U16 spielen könnte, in der U19 lief er als U17-Jahrgang erstmals mit 16 Jahren auf. 

2022/23 schließlich konnte sich Baum über zu wenig Spielpraxis auch nicht beklagen. 19 Einsätze für die U19 auf nationalem Terrain, sieben in der UEFA Youth League und acht für die U21 in der LOTTO Hessenliga. Die A-Jugend wäre auch in dieser Spielzeit theoretisch möglich, doch der Juniorennationalspieler zählt fest zum Stamm der U21 in der Regionalliga Südwest. Wenn er nicht im Männerbereich gefragt ist, bei den ersten vier Europa- Conference-League-Begegnungen stand die Nummer 47 immer im Aufgebot. 

„Bei Elias war es eine Frage der Zeit, wann er einen Einsatz bekommt. Ein sehr guter Junge, der zuhört, hochmotiviert und fleißig ist.“ – Dino Toppmöller

Entsprechend nachvollziehbar war die Einschätzung von Timmo Hardung, als der Sportdirektor im Zuge der Verkündung von Baums erstem Profivertrag ausführte: „Elias hat sich insbesondere in den vergangenen Monaten herausragend entwickelt. Für sein junges Alter wirkt er sehr erfahren, ist sehr ruhig am Ball, defensiv sehr abgeklärt und in der Offensive sehr mutig und aktiv. Das gefällt uns.“ Das war vor exakt einem Monat.  

Schon im September hatte Dino Toppmöller über den regelmäßigen Trainingsgast im Deutsche Bank Park gesagt: „Er ist ein extrem gieriger Spieler. Ich möchte nicht zu viel versprechen, kann mir aber gut vorstellen, dass er in dieser Saison einen Einsatz bekommt.“ Gleichzeitig merkte der Cheftrainer, generell für alle Talente, an: „In den kommenden Monaten wird es im Team immer mal wieder Wehwehchen geben. Wir sind froh über die Jungs, sie können sich auf jeden Fall Hoffnung machen. Das liegt auch an ihnen.“ 

Ein Versprechen, das der Fußballlehrer zwar nicht geben, aber einlösen wollte, wenn es der Anlass und die Arbeit gebietet. Vor einer Woche war es offenbar an der Zeit. Nicht weil die Hessen in Helsinki einen vergleichbaren Vorsprung wie im Hinspiel hatten. Sondern bei knapper eigener 1:0-Führung unter widrigen Bedingungen und bisweilen unter Druck. Der Mut, den Trainer und Spieler gleichermaßen auszeichnen, hätten beide in der Nachspielzeit beinahe auf die Spitze getrieben. Denn Baum hielt nicht nur die linke Seite dicht, sondern schaltete sich auch bei Kontersituationen mit ein. 

„In dem Moment, als Jens [Hauge; Anm. d. Red.] Paxten den Ball rüberlegt und ich sehe, dass Elias angeflitzt kommt, habe ich mich innerlich schon gefreut: Es kann sein, dass der in den nächsten zehn Sekunden auch sein Debüt krönt und noch ein Tor schießt“, schilderte hinterher Toppmöller die Zwei-gegen-eins-Situation, in der richtige und falsche Entscheidungen allein davon abhängen, ob der Ball im Netz zappelt oder nicht: „Aber dass Paxten sich den Abschluss genommen hat, war absolut in Ordnung, der Torwart hält ihn gut.“  

Schließlich standen trotzdem die drei Punkte. „Bei Elias war es eine Frage der Zeit, wann er einen Einsatz bekommt. Ein sehr guter Junge, der zuhört, hochmotiviert und fleißig ist. Wir gewinnen das Spiel, überwintern in der Gruppe – den Tag wird er nicht vergessen“, so Topp- möller zum mit 18 Jahren und 14 Tagen sechstjüngsten Eintracht-Debütanten in diesem Jahrtausend. Genau einen Monat später folgte der erste Kurzeinsatz in der Bundesliga, beim 5:1 gegen den FC Bayern. 

Baum selbst möchte einfach weiter „viel Gas geben, viel abgucken. Das hilft bei der Entwicklung“. Und wer weiß, vielleicht heißt es eines Tages auch auf ganz großer Bühne: Vorlage Baum, Tor Nacho – Heimsieg für Eintracht Frankfurt!