„Bisschen reifer“

„Elektrisierend“ betitelt Stürmerin Laura Freigang ihren Treffer in der Gruppenphase der UEFA Women’s Champions League gegen den amtierenden Titelträger FC Barcelona. Als die Stürmerin vor fünf Jahren nach Frankfurt wechselte, war die Königsklasse für die damalige College-Fußballerin noch weit entfernt. Die EvM-Redaktion blickt auf die sportlichen Meilen- steine der 25-Jährigen in der Mainmetropole.

Text: Dominic Dylka und Marie Huhn

Fotos: Lucas Körner, Carlotta Erler, Jan Hübner, Bianca Jockel, DFB 

Als U20-Nationalspielerin unterschreibt Laura Freigang 2018 einen Vertrag beim 1. FFC Frankfurt, nachdem sie zuvor zwei Jahre in den USA spielte und Kommunikationswissenschaften an der Pennsylvania State University studierte. Beim Betrachten ihres Porträtbildes von ihrer ersten Saison am Main muss sie fünf Jahre später lachen: „Zum Glück habe ich diese Friese abgeschafft.“

College-Fußball in den USA, mit Kiel in der B-Juniorinnen-Bundesliga sowie Regionalliga und 2. Frauen-Bundesliga mit dem TSV Schott Mainz – Profierfahrung bringt die damals 20-Jährige noch nicht mit. In den U-Nationalmannschaften hat die gebürtige Norddeutsche zwar schon auf sich aufmerksam gemacht, nun soll aber der erste richtig große Schritt folgen: Bundesliga.

„Wir sind heute ein bisschen reifer, ein bisschen hungriger, geduldiger und um einiges besser, als wir es damals waren. Und ein bisschen fitter.“ – Laura Freigang

Am 16. September 2018, dem ersten Spieltag der Saison 2018/19, ist es direkt so weit. Im AOK Stadion in Wolfsburg steht Laura Freigang in der Startelf und feiert ihr Bundesligadebüt. Ebenfalls in der Anfangsformation von Cheftrainer Niko Arnautis laufen Tanja Pawollek und Géraldine Reuteler auf, von der Bank kommen später mit Sophia Kleinherne und Shekiera Martinez zwei weitere Teamkolleginnen, die auch heute noch im Eintracht-Kader stehen. Das Ergebnis passt mit dem 0:3 aus Frankfurter Sicht am Ende nicht, in der Frankfurter Rundschau gibt es für die „über weite Strecken unglücklich spielende Laura Freigang“ und ihre „riskanten Rückpässe“ einiges an Kritik. 

Genau sechs Wochen später sollte es deutlich besser laufen. Beim Stand von 1:1 im Stadion am Brentanobad gegen den SV Werder Bremen findet in der 77. Minute eine Flanke von Jackie Groenen Freigang am zweiten Pfosten, die zum 2:1-Endstand einköpft. Der erste Bundesligatreffer für Freigang und wie sich im Nachhinein sagen lässt: ungewöhnlich per Kopf, aber natürlich zu Hause. Gleich in der Folgewoche trifft die Stürmerin dreifach im Auswärtsspiel beim SC Freiburg. Der Knoten ist geplatzt.

Sportlich belegt der FFC am Ende der Saison den fünften Tabellenplatz – auch weil noch sechs weitere Treffer des Zugangs folgten. Freigang ist damit zusammen mit Laura Feiersinger teaminterne Top-Torschützin. In der Spielzeit 2019/20, die zwischenzeitlich aufgrund der Coronapandemie von Anfang März bis Ende Mai unterbrochen war, beweist Freigang, dass sie endgültig in der Bundesliga angekommen ist. 16 Tore gelingen ihr in der letzten Saison als 1. FFC Frankfurt, sie wird drittbeste Torschützin der Liga. 

„Das war eine gute Zeit“, schwelgt Freigang in Erinnerungen an ihre ersten Bundesligaspielzeiten, die sie schon damals mit einigen der heutigen Teamkolleginnen teilte, ergänzt aber mit einem Lachen: „Wir sind heute ein bisschen reifer, ein bisschen hungriger, geduldiger und um einiges besser, als wir es damals waren. Und ein bisschen fitter.“ 

National hatte Freigang auf sich aufmerksam gemacht, sich in Frankfurt zur Bundesligaspielerin etabliert. Im März 2020 wird sie dafür auch international belohnt, mit ihrem ersten Spiel für die deutsche A-Nationalmannschaft. Im Halbfinale des Algarve-Cup feiert sie im März 2020 ihr Debüt für Deutschland – „eine super aufregende Erfahrung und ein langer Traum“. Ihr erstes Tor erzielt sie ein knappes halbes Jahr später im EM-Qualifikationsspiel gegen Montenegro. 

„Ich habe so was noch nie gefühlt. Ich bin super dankbar, dass ich so einen Moment hier in Frankfurt erleben durfte.“ – Laura Freigang

In ihrer ersten Saison nach der Fusion 2020/21 toppt Freigang in der Bundesliga ihre Trefferanzahl noch einmal, erzielt 17 Tore und kürt sich hinter Nicole Billa von der TSG Hoffenheim zur zweitbesten Torschützin der Liga. Im Oktober 2021 bekennt sich die gebürtige Kielerin langfristig zur Eintracht und verlängert ihren Vertrag um weitere zwei Jahre bis 2025. 54 Tore hat Freigang bis dahin in 80 Partien für den FFC und die Eintracht erzielt. Die Verlängerung zeige, „wie sehr ich den Verein lebe und wie gerne ich hier bin, um den Weg mit der Eintracht noch weiterzugehen. Ich möchte mit der Eintracht etwas erreichen!“ Dazu kommt es schon in derselben Saison.

Denn als Tabellendritter zum Saisonende startet die Eintracht zur Spielzeit 2022/23 in der ersten Runde der UEFA Women’s Champions League. Die Adlerträgerinnen reisen ins dänische Hjørring, können sich gegen die Gastgeberinnen mit 2:0 durchsetzen, haben im Finalspiel um die UWCL-Play-offs gegen Ajax Amsterdam aber das späte Nachsehen. In der Nachspielzeit trifft Eshley Bakker für die Niederländerinnen per Fallrückzieher – bitter. „Das tat weh“, meint Freigang. Doch die SGE kommt zurück. Im Folgejahr belegt man erneut Rang drei, Freigang reiht sich mit zehn Treffern zum vierten Mal in Folge in die Top-Fünf-Torschützinnen der Liga ein.

Der Finalgegner im Miniturnier heißt diesmal Juventus Turin. Laura Freigang ist eine der Schützinnen im Elferkrimi, bezwingt mit ihrem Team in den Play-offs danach den AC Sparta Praha und schreibt Geschichte. Gekommen als College-Fußballerin steht die mittlerweile 25-Jährige nun erstmals mit Eintracht Frankfurt in der Gruppenphase der UEFA Women’s Champions League. „Ein Traum war es schon immer“, sagt Freigang, „ich hätte aber nicht gewusst, ob wir es mit der Mannschaft in dem Zeitraum wirklich schaffen, dahinzukommen.“ 

22. November 2023: Mit dem FC Barcelona ist das beste Team der Welt zu Gast im Deutsche Bank Park. Heimdebüt in der UEFA Women’s Champions League. Verena Hanshaws Hereingabe kurz vor dem Halbzeitpfiff kommt perfekt in den Strafraum, wo Laura Freigang steht und aus kurzer Distanz zur Führung einköpft. Ein historischer Moment. „Elektrisierend“, wie die Torschützin ihn betitelt. „Nach der Führung dachte ich, dass mich jemand kneifen muss – das war Wahnsinn. Ich habe so was noch nie gefühlt. Ich bin super dankbar, dass ich so einen Moment hier in Frankfurt erleben durfte. Ich hoffe, es war nicht der letzte.“